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Musiktheater
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Die Macht des Schicksals
(La forza del destino)
 


Melodramma in vier Akten, 2. Fassung von 1869
Text von Francesco Maria Piave und Antonio Ghislanzoni
Musik von Giuseppe Verdi


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln   

Aufführungsdauer: ca. 3 h 15' (eine Pause)

Premiere im Theater am Domhof am 29. September 2012  
(rezensierte Vorstellung am 3. Oktober 2012
)

 

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Theater Osnabrück
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Des Menschen Schicksal ist der Mensch          

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Jörg Landsberg



Mit Verdis Oper La forza del destino (Die Macht des Schicksals) ist dem jungen Andreas Hotz, mit Beginn der Spielzeit 2012/2013 neuer Generalmusikdirektor des Theater Osnabrück, ein grandioser Opernauftakt gelungen.

Für die große Popularität der Verdi-Opern nicht nur bei seinen Zeitgenossen sind laut Schreiber verschiedene Dinge verantwortlich: die Spannung zwischen privater Tragödie und öffentlicher Gesellschaftskrise, eine gewisse "Monumentalisierung" durch Klangfarbe, Harmonie bzw. Melodie sowie eine ausbalancierte Musikdramaturgie. La forza del destino, Verdis 1862 in St. Petersburg uraufgeführte Oper, wurde erst in der Mailänder Fassung von 1869 ein Erfolg. Neu entstand die Ouvertüre. Umgearbeitet wurde auch der Schluss: Ursprünglich nimmt Alvaro sich am Schluss das Leben, während er in der 2. Fassung als Einziger die Tragödie überlebt.

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Il Marchese di Calatrava und seine Tochter Leonora

Musikalisch wirkt diese Oper wie aus einem Guss. Szenisch dagegen werden zahlreiche Schauplätze aneinandergereiht. Das Ausgangsdrama: Leonora di Vargas will mit ihrem, vom Vater unerwünschten, farbigen Geliebten fliehen. Aufgrund ihres zögerlichen Verhaltens werden die Beiden schließlich vom Vater überrascht. Alvaro wirft, zum Zeichen der friedlichen Absichten seine Pistole weg. Dabei löst sich ein Schuss, der Leonoras Vater tötet. Was dann folgt, sind die verschiedenen Stationen einer für Beide unabhängigen Flucht in Zeiten des Krieges. Vom Vater verflucht und vom Rachedurst des Bruders Don Carlo verfolgt, findet Leonore Aufnahme in einem Franziskanerkloster. Alvaro kämpft unter falschem Namen ruhmreich auf der Seite der Italiener und rettet auch Don Carlo das Leben. Unerkannt schließen die Männer Freundschaft, bis Don Carlo Verdacht schöpft, ihn erkennt und Alvaro zum Duell fordert. Beide werden durch die Lagerwache getrennt. Alvaro will daraufhin in einem Kloster Frieden suchen, wird aber Jahre später von Don Carlo entdeckt. Bei der folgenden, lang ersehnten Auseinandersetzung wird Don Carlo tödlich getroffen. Beide erkennen in dem herbeigerufenen Beichtvater Leonora wieder, die mit letzter Kraft von ihrem Bruder getötet wird. Den Liebenden bleibt nur die tröstende Verheißung, sich im Jenseits wiederzusehen. Der völlig verzweifelte Alvaro wird am Schluss von Padre Guardiano ermahnt, das Schicksal nicht zu verfluchen.

Regisseur Robert Lehmeier nutzt die aufgrund einer langen Regietradition entstandenen Interpretationen für packende Bilder und entgeht dem Zerfall in verschiedene Einzelszenen, indem er die Opernhandlung ganz auf einen kritischen, kammertheatralen Subtext reduziert. Für ihn beginnt  die "eigentliche" Oper nach dem 1.Akt. Jenseits von historischer Einordnung, Krieg und Opernschauplätzen wird uns eine von materieller Armut, Ausbeutung und Business geprägte, zwischenmenschlich zerrüttete Gesellschaft vor Augen geführt, in der Werte wie Heimat, Freiheit oder Menschlichkeit zu ideologischen Heilsversprechen auf Plakatwänden verkommen sind.

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Padre Guardiano und Leonora auf der Suche nach Freiheit

Alvaro und Leonora werden nicht zuletzt aufgrund einer inzestuös engen Vater-Tochter-Beziehung bis in den Tod ein "verhindertes Liebespaar" bleiben. Den Klosterbrüdern, auch Padre Guardiano wird der Heiligenschein genommen. Sie sind Geschäftsmänner, die sich des allzu trügerischen Jacketts entledigt haben, Leonore zur Unterwerfung zwingen und ihre rituelle Aufnahme als homoerotische Ersatzhandlung missbrauchen. Und die Massen animierende Preziosilla, die im zweiten Akt mit vielen Gleichgesinnten als Businessfrau mit Aktenköfferchen erscheint, muss sich im dritten Akt auch der Gewalt der nach "Liebe" dürstenden Vaterlandskämpfer beugen. Leonoras Rückzug in die Einsiedelei wird als Selbstkasteiung interpretiert. Als sie am Ende schwer verwundet göttliche Gnade erfleht und Alvaro auf die Liebe im Jenseits vertröstet, wird die Sterbende von Pater Guardiano weggezogen und gezwungen, büßend die Hände zu falten und zu heben. Passend zu den abschließenden, verklärenden, wunderbar zarten, hohen Streicherklängen schiebt Pater Guardiano ein weißes Brautkleid auf die Bühne. Alvaro findet auch nach seiner Kriegsverletzung als gebrochener, im Rollstuhl sitzender Mann keine Ruhe. Einziger Kritikpunkt: Die Abgrenzung gegenüber den musikalisch kontrastierenden, grotesken Szenen hätte etwas deutlicher ausfallen können.

Die von Tom Musch konzipierte Plakatwand ist mit religiösen oder politischen Symbolen, Statements bzw. Aufrufen von Jesus über Ayatollah Khomeini bis zur RAF gepflastert. Hinzu kommt eine Stahltreppe, über die Leonore die Einsiedelei betritt bzw. in den Himmel entschwindet.

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Schwer verwundet bittet Alvaro seinen Freund Carlo, das Kästchen nach seinem Tode zu vernichten

Für den besonderen Kick dieser Osnabrücker Neuinszenierung sorgt vor allem die grandios einstudierte, ausdrucksdifferenzierte, zwischen Gefühlsseligkeit und Dramatik changierende Verdi-Musik. Ob homogen, im dreifachen Piano einsetzende Streicher, ob Stretta, dynamische Entwicklungen oder forcierte Tempi, die musikalische Gestaltung unter der umsichtigen Leitung von Andreas Hotz ist nicht nur in der Ouvertüre ein Genuss. Auch der homogene Chor und Extrachor erklingen dynamisch und artikulatorisch differenziert. Hinzu kommt ein überzeugendes Solistenensemble. Mit klarer, strahlender Höhe und warm grundierter, lyrisch flexibler Klangfülle entspricht Lina Liu als Leonora dem, was man sich unter einem engelsgleichen Verdi-Timbre vorstellt. Sie gestaltet die Rolle dynamisch differenziert und anrührend. Dramatisch und lyrisch überzeugend ist auch Ray M. Wade jr. als Alvaro. Daniel Moons offener, klangvoller Bariton stellt einen kraftvollen Carlo dar. Almerija Delic als Preziosilla besticht vor allem im Rataplan-Paradestück durch Temperament und rhythmische Präzision mit dem Chor.

FAZIT

Eine Dramatik und Gefühlsseligkeit auskostende, musikalische Inszenierung konterkariert von packenden Regiebildern.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andreas Hotz

Inszenierung
Robert Lehmeier

Bühne/Kostüme
Tom Musch

Choreinstudierung
Markus Lafleur

Dramaturgie
Daniela Brendel

 

Statisterie
Chor und Extrachor
des Theaters Osnabrück

Osnabrücker Symphonieorchester


Solisten

Il Marchese di Calatrava
Genadijus Bergorulko

Donna Leonora
Lina Liu

Don Carlo di Vargas
Daniel Moon

Don Alvaro
Ray M. Wade jr.

Preziosilla
Almerija Delic

Padre Guardiano
Thomas Mehnert

Fra Melitone
Jan Friedrich Eggers

Curra
Kathrin Brauer

Un Alcade
Mark Sampson

Mastro Trabuco
Mark Hamman

Un Chirurgo
Marcin Tlalka







Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Osnabrück
(Homepage)





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