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Musiktheater
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Der Barbier von Barmen

Zarzuela in einem Akt
Libretto von Guillermo Perrín und Miguel de Palacios, deutsche Fassung von Björn Reinke und Ulrike Olbrich
Musik von Gerónimo Giménez und Manuel Nieto, musikalische Einrichtung von Andrzej Beriza

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1h 35' (keine Pause)

Premiere im Kleinen Schauspielhaus Wuppertal am 27. Januar 2013


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Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Wuppertaler Lokalkolorit mit spanischer Zarzuela


Von Thomas Molke / Fotos von
Tom Buber

Was für die Deutschen die Operette und für die Franzosen die Opéra comique ist, stellt für die Spanier die Zarzuela dar, eine Musiktheatergattung, die der spanische Dichter Pedro Calderón de la Barca Ende des 17. Jahrhunderts kreierte und die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihre große Blütezeit in Spanien erlebte. Zu den bekannteren Komponisten dieser Gattung zählen Manuel Nieto und Gerónimo Giménez, die 1901 mit dem Werk El Barbero de Sevilla in Madrid einen großen Erfolg feiern konnten. Nachdem Johannes Blum vor zwei Jahren im Kleinen Schauspielhaus John Frederick Lampes Drachen von Wantley kurzerhand nach Dönberg verlegt hatte (siehe auch unsere Rezension), haben der Regisseur Björn Reinke und die Dramaturgin Ulrike Olbrich die Handlung der Zarzuela von Madrid und Burgos kurzerhand nach Barmen ins Opernhaus verlegt und verbreiten somit erneut im Bereich des Musiktheaters Wuppertaler Lokalkolorit. Von der ursprünglichen Handlung bleibt dabei nur das Grundgerüst.

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Christa Hagenkötter (Dora Brockmann) träumt zum Chanson bohème aus Bizets Carmen mit dem Gesangslehrer Carlos Rodriguez (Oliver Picker) von Spanien (im Hintergrund: Statisterie).

So wird aus Don Nicolás, der ein Verhältnis mit der Primadonna La Roldán hat und deswegen mit aller Macht verhindern will, dass seine musikalisch hochbegabte Tochter Elena zur Oper geht, weil er die Sitten der Theaterleute ablehnt, Walter Hagenkötter, der Pförtner des hiesigen Opernhauses. Seine Frau Christa, die als Garderobiere für die Roldán tätig ist, träumt aber seit ihrem Urlaub auf Mallorca nicht nur von allem, was spanisch ist, sondern auch von einer Gesangskarriere ihrer Tochter und versucht, ihre Tochter bei dem Gesangslehrer Carlos Rodriguez, der zur Imagepflege vorgibt, Spanier zu sein, dabei allerdings aus Ronsdorf stammt, zur Sängerin ausbilden zu lassen. Als die Roldán sich mit dem Intendanten überwirft, sieht Rodriguez eine Chance, Elena den Sprung auf die Bühne zu ermöglichen. Dort soll sie als Rosina in Rossinis Il barbiere di Siviglia debütieren. Hinzu kommt, dass Elenas Freund Martin, der sich Herrn Hagenkötter zuliebe als Schwebebahnfahrer ausgegeben hat, eigentlich als gefeierte Bariton im benachbarten Hagen engagiert ist und nun gemeinsam mit Elena im Opernhaus auftreten will. Die Roldán plant mit Walter und seinem treuen Freund Sanchez eine Intrige gegen die neue Sängerin. Dabei fliegt jedoch das Verhältnis zwischen der Roldán und Walter auf. Als es dann zum Zickenkrieg zwischen Christa und der Roldán kommt, verhindert Elena mit ihrem strahlenden Sopran eine Katastrophe und erlebt als Rosina ein glanzvolles Debüt auf den Brettern, die die Welt bedeuten.

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Rodriguez (Oliver Picker, rechts) bereitet Elena (Elena Fink, Mitte) auf ihr Debüt als Rosina vor (im Hintergrund: Martin (Miljan Milović) und Christa (Dora Brockmann)).

Reinke und Olbrich bereichern die nur fünf originalen Musiknummern der spanischen Vorlage um mehrere Belcanto-Arien und Lieder anderer erfolgreicher Zarzuelas. So hört man zwischen spanischen Liedern neben Rossinis Barbiere unter anderem auch Meyerbeers Dinorah, Bizets Carmen und Puccinis Tosca, wobei die Einbindung dieser Passagen dramaturgisch mal mehr und mal weniger gelingt. Wenn die Roldán ihre Korrepetitionsstunde mit Walter als Tosca absolviert und ihren Geliebten als vermeintlichen Scarpia mit einem Messer absticht, entbehrt diese Szene nicht einer gewissen Komik. Die Roldán aber anschließend die berühmte Arie "Vissi d'arte" singen zu lassen, passt weder inhaltlich noch darstellerisch ins Konzept dieser Persiflage auf das Theatermilieu, da Michaela Mehring, die als La Roldán ja eigentlich eine überhebliche Operndiva karikieren soll, in diesem Moment eine Tragik gewinnt, die die Komik der vorherigen Szene relativ unmotiviert zerstört. Da passt das feurige Temperament, das Dora Brockmann als Elenas Mutter Christa in dem berühmten Chanson bohème "Les tringles des sistres tintaient" aus Bizets Carmen versprüht, wesentlich besser ins dramaturgische Konzept.

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Die Roldán (Michaela Mehring) plant mit Walter (Peter K. Hoffmann, rechts) und Sanchez (Boris Leisenheimer, links) eine Intrige gegen die neue Sopranistin.

Das Bühnenbild von Monika Frenz präsentiert eine Hinterbühne mit einem bunt zusammengewürfelten Theaterfundus. Einzelne Bühnenelemente werden recht willkürlich in die musikalischen Nummern eingebaut. Dabei entstehen sehr witzige Bilder, wenn beispielsweise zwei Bühnenarbeiter auf einer Leiter hinter Elena und Martin einen riesigen Theaterprospekt mit einer Häuserfassade hochhalten und zu den romantischen Klängen Schnee herabrieseln lassen. Wieso Elena und Martin zuvor jedoch auf einen Stier klettern und auf dem Rücken des Tieres das berühmte Bild von Kate Winslet und Leonardo di Caprio im Bug der Titanic nachstellen, bleibt unverständlich. Mit drei drehbaren Bühnenelementen wird der Bühnenraum später schnell in Theatergarderoben verwandelt, die auf der Rückseite dann die Hauptbühne andeuten, auf der Elena schließlich ihren Auftritt hat. Die Kostüme, für die ebenfalls Frenz verantwortlich zeichnet, stellen ebenfalls eine bunte Mischung aus dem Theaterfundus dar. Während Elena als Rosina über ein wunderschönes aufwendiges Kleid verfügt, ist fraglich, wieso Sanchez später im Walkürenkostüm auftritt. Walter, der am Schluss inkognito bleiben möchte, in ein riesiges Garfield-Kostüm zu stecken, zumal ihn die Roldán ständig als ihren "Kater" bezeichnet, wirkt schon beinahe etwas platt. Die zehn Musiker des Wuppertaler Sinfonieorchesters stehen auf der rechten Seite, wobei die Akustik im Kleinen Schauspielhaus im Zusammenspiel mit den Sängern nicht immer optimal ist.

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Doch Elena (Elena Fink) siegt als Rosina mit Figaro Martin (Miljan Milović, links) und Don Basilio Rodriguez (Oliver Picker, rechts).

Darstellerisch setzen die Solisten Reinkes Regieeinfälle mit großer Spielfreude um. Dora Brockmann gibt mit großartiger Komik die Christa Hagenkötter als fürsorgliche Übermutter, die nur das beste für ihre "Chiquita" will und dabei eine Vorliebe für Bananen zeigt. Wenn man ihrer Tochter etwas anhaben will, kann sie jedoch zum unberechenbaren Raubtier werden. Mit großem Spielwitz kokettiert Brockmann dabei auch mit einem leicht osteuropäischen Akzent. Wenn sie mit einem spanischen Lied den Gesangslehrer anflirtet, bleibt im Publikum kein Auge trocken. Peter K. Hoffmann präsentiert sich als ihr Ehemann Walter im Punkte Komik durchaus auf Augenhöhe, auch wenn es nicht realistisch erscheint, dass die Primadonna mit diesem unscheinbaren Pförtner ein Verhältnis haben soll. Michaela Mehring gibt die Roldán glaubhaft zickig und überzeugt auch stimmlich. Boris Leisenheimer gefällt in der Rolle des Sanchez und bekommt vom Regie-Team eine Tenor-Arie in die Kehle gelegt, die er mit hellem Tenor meistert. Miljan Milović und Oliver Picker fügen sich als Martin und Gesangslehrer ebenfalls darstellerisch gut ins Ensemble ein. Elena Fink legt einen großartigen Wandel von der unscheinbaren Göre Elena zur neuen Starsopranistin hin und glänzt mit sauberen Koloraturen. Wie im derzeit am Haus gespielten Barbiere darf sie auch hier die berühmte Arie der Rosina "Una voce poco fa" zum Schluss präsentieren.

So kommt das Wuppertaler Publikum in jeder Hinsicht auf seine Kosten und belohnt alle Beteiligten am Ende mit einem lang anhaltenden Applaus. Vielleicht muss man jedoch Wuppertaler sein, um die zahlreichen lokalen Anspielungen wirklich würdigen zu können.

FAZIT

Erneut gelingt den Wuppertaler Bühnen eine unterhaltsame Produktion im kleineren Rahmen. Die zahlreichen Anspielungen auf bekannte Werke bereiten Freude, wobei man sich im Programmheft eventuell mehr Informationen zu den originalen Musiknummern und den eingefügten Liedern aus anderen Zarzuelas gewünscht hätte.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Boris Brinkmann

Inszenierung
Björn Reinke

Bühne und Kostüme
Monika Frenz

Dramaturgie
Ulrike Olbrich

 

Statisterie der Wuppertaler Bühnen

Sinfonieorchester Wuppertal


Solisten

Elena Hagenkötter
Elena Fink

Martin
Miljan Milovi
ć

La Roldán
Michaela Mehring

Christa Hagenkötter (Doña Casimira)
Dora Brockmann

Walter Hagenkötter
Peter K. Hoffmann

Sanchez
Boris Leisenheimer

Gesangslehrer Carlos Rodriguez
Oliver Picker


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



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