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Wuppertaler
Lokalkolorit mit spanischer Zarzuela
Was für die Deutschen die Operette und für die Franzosen die
Opéra comique ist, stellt für die Spanier die Zarzuela dar, eine
Musiktheatergattung, die der spanische Dichter Pedro Calderón de la Barca Ende
des 17. Jahrhunderts kreierte und die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
ihre große Blütezeit in Spanien erlebte. Zu den bekannteren Komponisten dieser
Gattung zählen Manuel Nieto und Gerónimo Giménez, die 1901 mit dem Werk El
Barbero de Sevilla in Madrid einen großen Erfolg feiern konnten.
Nachdem Johannes Blum vor zwei Jahren im Kleinen Schauspielhaus John Frederick
Lampes Drachen von Wantley kurzerhand nach Dönberg verlegt hatte (siehe
auch unsere
Rezension), haben der Regisseur Björn Reinke und die Dramaturgin Ulrike
Olbrich die Handlung der Zarzuela von Madrid und Burgos kurzerhand nach Barmen
ins Opernhaus verlegt und verbreiten somit erneut im Bereich des Musiktheaters
Wuppertaler Lokalkolorit. Von der ursprünglichen Handlung bleibt dabei nur das
Grundgerüst. Christa Hagenkötter (Dora
Brockmann) träumt zum Chanson bohème aus Bizets Carmen mit dem
Gesangslehrer Carlos Rodriguez (Oliver Picker) von Spanien (im Hintergrund:
Statisterie). So wird aus Don Nicolás, der ein Verhältnis mit der
Primadonna La Roldán hat und deswegen mit aller Macht verhindern will, dass
seine musikalisch hochbegabte Tochter Elena zur Oper geht, weil er die Sitten
der Theaterleute ablehnt, Walter Hagenkötter, der
Pförtner des hiesigen Opernhauses. Seine Frau Christa, die als Garderobiere für
die Roldán tätig ist, träumt aber seit ihrem Urlaub auf Mallorca nicht nur von
allem, was spanisch ist, sondern auch von einer Gesangskarriere ihrer Tochter
und versucht, ihre Tochter bei dem Gesangslehrer Carlos Rodriguez, der zur
Imagepflege vorgibt, Spanier zu sein, dabei allerdings aus Ronsdorf stammt, zur
Sängerin ausbilden zu lassen. Als die Roldán sich mit dem Intendanten überwirft,
sieht Rodriguez eine Chance, Elena den Sprung auf die Bühne zu ermöglichen. Dort
soll sie als Rosina in Rossinis Il barbiere di Siviglia debütieren. Hinzu
kommt, dass Elenas Freund Martin, der sich Herrn Hagenkötter zuliebe als
Schwebebahnfahrer ausgegeben hat, eigentlich als gefeierte Bariton im
benachbarten Hagen engagiert ist und nun gemeinsam mit Elena im Opernhaus
auftreten will. Die Roldán plant mit Walter und seinem treuen Freund Sanchez
eine Intrige gegen die neue Sängerin. Dabei fliegt jedoch das Verhältnis
zwischen der Roldán und Walter auf. Als es dann zum Zickenkrieg zwischen Christa
und der Roldán kommt, verhindert Elena mit ihrem strahlenden Sopran eine
Katastrophe und erlebt als Rosina ein glanzvolles Debüt auf den Brettern, die
die Welt bedeuten. Rodriguez (Oliver Picker,
rechts) bereitet Elena (Elena Fink, Mitte) auf ihr Debüt als Rosina vor (im
Hintergrund: Martin (Miljan Milović) und Christa (Dora Brockmann)). Reinke und Olbrich bereichern die nur fünf originalen
Musiknummern der spanischen Vorlage um mehrere Belcanto-Arien und Lieder anderer
erfolgreicher Zarzuelas. So hört man zwischen spanischen Liedern neben Rossinis
Barbiere unter anderem auch Meyerbeers Dinorah, Bizets Carmen
und Puccinis Tosca, wobei die Einbindung dieser Passagen dramaturgisch
mal mehr und mal weniger gelingt. Wenn die Roldán ihre Korrepetitionsstunde mit
Walter als Tosca absolviert und ihren Geliebten als vermeintlichen Scarpia mit
einem Messer absticht, entbehrt diese Szene nicht einer gewissen Komik. Die
Roldán aber anschließend die berühmte Arie "Vissi d'arte" singen zu lassen,
passt weder inhaltlich noch darstellerisch ins Konzept dieser Persiflage auf das
Theatermilieu, da Michaela Mehring, die als La Roldán ja eigentlich eine
überhebliche Operndiva karikieren soll, in diesem Moment eine Tragik gewinnt,
die die Komik der vorherigen Szene relativ unmotiviert zerstört. Da passt das
feurige Temperament, das Dora Brockmann als Elenas Mutter Christa in dem berühmten Chanson bohème
"Les tringles des sistres tintaient" aus Bizets Carmen versprüht,
wesentlich besser ins dramaturgische Konzept. Die Roldán (Michaela Mehring)
plant mit Walter (Peter K. Hoffmann, rechts) und Sanchez (Boris Leisenheimer,
links) eine Intrige gegen die neue Sopranistin. Das Bühnenbild von Monika Frenz präsentiert eine Hinterbühne
mit einem bunt zusammengewürfelten Theaterfundus. Einzelne Bühnenelemente werden
recht willkürlich in die musikalischen Nummern eingebaut. Dabei entstehen sehr
witzige Bilder, wenn beispielsweise zwei Bühnenarbeiter auf einer Leiter hinter
Elena und Martin einen riesigen Theaterprospekt mit einer Häuserfassade
hochhalten und zu den romantischen Klängen Schnee herabrieseln lassen. Wieso
Elena und Martin zuvor jedoch auf einen Stier klettern und auf dem Rücken des
Tieres das berühmte Bild von Kate Winslet und Leonardo di Caprio im Bug der
Titanic nachstellen, bleibt unverständlich. Mit drei drehbaren Bühnenelementen
wird der Bühnenraum später schnell in Theatergarderoben verwandelt, die auf der
Rückseite dann die Hauptbühne andeuten, auf der Elena schließlich ihren Auftritt
hat. Die Kostüme, für die ebenfalls Frenz verantwortlich zeichnet, stellen
ebenfalls eine bunte Mischung aus dem Theaterfundus dar. Während Elena als
Rosina über ein wunderschönes aufwendiges Kleid verfügt, ist fraglich, wieso
Sanchez später im Walkürenkostüm auftritt. Walter, der am Schluss inkognito
bleiben möchte, in ein riesiges Garfield-Kostüm zu stecken, zumal ihn die Roldán
ständig als ihren "Kater" bezeichnet, wirkt schon beinahe etwas platt. Die zehn
Musiker des Wuppertaler Sinfonieorchesters stehen auf der rechten Seite, wobei
die Akustik im Kleinen Schauspielhaus im Zusammenspiel mit den Sängern nicht
immer optimal ist. Doch Elena (Elena Fink) siegt
als Rosina mit Figaro Martin (Miljan Milović, links) und Don Basilio Rodriguez
(Oliver Picker, rechts). Darstellerisch setzen die Solisten Reinkes Regieeinfälle mit
großer Spielfreude um. Dora Brockmann gibt mit großartiger Komik die Christa
Hagenkötter als fürsorgliche Übermutter, die nur das beste für ihre "Chiquita"
will und dabei eine Vorliebe für Bananen zeigt. Wenn man ihrer Tochter etwas
anhaben will, kann sie jedoch zum unberechenbaren Raubtier werden. Mit großem Spielwitz
kokettiert Brockmann dabei auch mit einem leicht osteuropäischen Akzent. Wenn sie mit
einem spanischen Lied den Gesangslehrer anflirtet, bleibt im Publikum kein Auge
trocken. Peter K. Hoffmann präsentiert sich als ihr Ehemann Walter im Punkte
Komik durchaus auf Augenhöhe, auch wenn es nicht realistisch erscheint, dass die
Primadonna mit diesem unscheinbaren Pförtner ein Verhältnis haben soll. Michaela Mehring gibt die Roldán glaubhaft zickig und überzeugt auch stimmlich. Boris
Leisenheimer gefällt in der Rolle des Sanchez und bekommt vom Regie-Team eine
Tenor-Arie in die Kehle gelegt, die er mit hellem Tenor meistert. Miljan Milović
und Oliver Picker fügen sich als Martin und Gesangslehrer ebenfalls
darstellerisch gut ins Ensemble ein. Elena Fink legt einen großartigen Wandel
von der unscheinbaren Göre Elena zur neuen Starsopranistin hin und glänzt mit
sauberen Koloraturen. Wie im derzeit am Haus gespielten Barbiere darf sie
auch hier die berühmte Arie der Rosina "Una voce poco fa" zum Schluss
präsentieren. So kommt das Wuppertaler Publikum in jeder Hinsicht auf seine
Kosten und belohnt alle Beteiligten am Ende mit einem lang anhaltenden Applaus.
Vielleicht muss man jedoch Wuppertaler sein, um die zahlreichen lokalen
Anspielungen wirklich würdigen zu können.
FAZIT
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung Bühne und Kostüme
Dramaturgie
Statisterie der Wuppertaler Bühnen Sinfonieorchester Wuppertal SolistenElena Hagenkötter Martin
La Roldán Christa Hagenkötter
(Doña Casimira)
Walter Hagenkötter Sanchez
Gesangslehrer Carlos Rodriguez
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- Fine -