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Don Quichotte

Heroische Komödie in fünf Akten
Dichtung von Henri Cain nach dem Schauspiel Le chevalier de la longue figure von Jacques Le Lourrain
nach Miguel de Cervantes Saavedra
Musik von
Jules Massenet

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 25' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 13. April 2013


Logo: Wuppertaler Bühnen

Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Alterswerk in surrealen Bildern


Von Thomas Molke / Fotos von Uwe Stratmann

Miguel de Cervantes Saavedras Don Quixote gilt als erster moderner Roman der Weltgeschichte, der auch heute noch zu den meistgelesenen Werken der Literatur zählt. Obwohl die Geschichte um den Landadeligen Alonso de Quijana, der nach der Lektüre unzähliger Ritterromane verrückt wird und beschließt, als fahrender Ritter Don Quixote durch die Welt zu reisen und das Unrecht zu bekämpfen, auch zahlreiche Komponisten inspiriert hat, den Stoff zu vertonen, konnte keine dieser musikalischen Bearbeitungen - mit Ausnahme des Musicals Man of La Mancha von Mitch Leigh und Dale Wasserman - sich dauerhaft auf den Spielplänen der Opernhäuser durchsetzen. Die Wuppertaler Bühnen präsentieren nun im Rahmen ihres "Spanien" - Schwerpunktes als letzte Opernpremiere der Spielzeit Jules Massenets Version, die 1910 in Monte Carlo eine äußerst erfolgreiche Uraufführung erlebte und die als Alterswerk ähnlich wie bei Verdis zwei Jahrzehnte zuvor komponiertem Falstaff eine Art persönliches Lebensfazit des Komponisten zieht.

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Don Quichotte (John In Eichen, vorne links) träumt von Dulcinée (Joslyn Rechter, mit den vier Verehrern Pedro (Annika Boos), Garcias (Miriam Ritter), Rodriguez (Boris Leisenheimer) und Juan (Miljan Milović) und dem Chor).

Massenet orientiert sich in seiner Vertonung weniger an Cervantes' zweibändigem Ritterroman als vielmehr an dem Theaterstück Le chevalier de la longue figure von Jacques Le Lorrain, das am 3. April 1904 uraufgeführt worden war und das den Schwerpunkt auf das melancholische Lebensende Don Quichottes setzt. Der wesentliche Unterschied besteht in der Figur der Dulcinea, die bei Cervantes die fette Wirtsmagd Aldonza ist, die von Don Quixote zu einer Edeldame idealisiert wird und somit eigentlich nur seiner Fantasie entspringt. Bei Lorrain und Massenet wird diese Figur als wunderschöne Dulcinée nun Wirklichkeit. Allerdings ist sie als Kurtisane, die mit den Männern spielt, für Don Quichotte genauso unerreichbar wie das Traumbild Dulcinea bei Cervantes. Obwohl Don Quichotte bei Massenet Dulcinées Wunsch nachkommt, als Liebesbeweis ihr von Räubern gestohlenes Collier zurückzubringen, indem er auf wundersame Weise die Räuber bekehrt und zur Herausgabe ihrer Beute bringt, weist Dulcinée den Ritter spöttisch zurück. Mit gebrochenem Herzen flüchtet Don Quichotte mit seinem Diener Sancho Pansa in den Wald und nimmt todkrank Abschied von der Welt, wobei ihm in seinem Tod noch einmal Dulcinée als Stern am Firmament erscheint.

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Don Quichotte (John In Eichen) bekehrt die Räuber (Chor).

Jakob Peters-Messer lässt in seiner Inszenierung die ganze Geschichte nur in Don Quichottes Fantasie stattfinden. Bevor die Musik einsetzt, sieht man Don Quichotte mit einem Buch in einer Badewanne liegen, während Thomas Braus über Lautsprecher den Prolog aus Cervantes' Ritterroman vorträgt. Dabei suggeriert Braus' Flüsterton eine leicht unheimlich Atmosphäre, die sich einstellt, wenn man ein spannendes Buch im Bett unter der Bettdecke liest. In dieser Badewanne befindet sich Don Quichotte auch wieder am Ende des Stückes, so dass sich die Ereignisse der fünf Akte als Traumsequenz der Titelfigur deuten lassen und eigentlich nur Sancho Pansa real ist, der am Krankenbett seines Herrn wacht. Markus Meyer hat einen hohen weißen Bühnenraum entworfen, der zahlreiche surrealistische Elemente enthält. So sieht man auf der rechten Seite einen Balkon, von dem eine Treppe hinabführt, die aber nicht bis zum Bühnenboden reicht, sondern in der Mitte abbricht. Auf diesem Balkon tritt Dulcinée häufig auf, ist für die Menschen unten allerdings unerreichbar, da sie nicht die Treppe hinabsteigen und die anderen nicht hinaufsteigen können. Eine unvollständige Uhr an der Rückwand erinnert an die schmelzenden Uhren von Salvador Dalí.

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Dulcinée (Joslyn Rechter) weist Don Quichotte (John In Eichen, vorne) zurück (hinten von links: Chor, Rodriguez (Boris Leisenheimer) und Juan (Miljan Milović)).

Durch Projektionen auf diesen weißen Bühnenraum gelingen faszinierende Bilder für die einzelnen Akte. Zu nennen ist hier zunächst ein riesiges Auge, das sich über die ganze Rückwand erstreckt, wenn Don Quichotte zum ersten Mal Dulcinée auf ihrem Balkon erblickt. So wird deutlich, dass diese Frau nun sein ganzes Leben beherrscht. Wenn er ihren Auftrag siegreich ausgeführt hat sieht man einen herrlichen ausgeschmückten Barock-Saal auf der Rückwand, der Don Quichotte auf ein glückliches Leben mit seiner Geliebten hoffen lässt. Doch als Dulcinée ihn abweist verfällt der barocke Glanz, und alles, was bleibt, ist schäbiger und abgebröckelter Putz an den Wänden. Dulcinée hat Don Quichottes Lebenstraum zerstört. In Don Quichottes Todesstunde leuchtet ein riesiger Vollmond auf der Rückwand, von dem aus Dulcinée das letzte Lebewohl zuzurufen scheint. Die Kostüme, für die Markus Meyer ebenfalls verantwortlich zeichnet, sind hell und farblos gehalten und nehmen die Projektionen somit ebenfalls auf. Der Chor vermittelt dabei mit den Torero-Hüten spanisches Nationalkolorit, während die vier Verehrer Dulcinées in ihren weißen Anzügen mit den schwarzen Hemden eher in die Entstehungszeit der Oper passen. Nur Dulcinées Kostüm sticht aus den anderen Kostümen heraus. In einem langen wallenden schwarzen Kleid hebt sie sich als einzige Frau von den anderen Figuren ab und setzt mit ihren leuchtenden roten Haaren auch den einzigen Farbtupfer außerhalb der Projektionen.

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Don Quichotte (John In Eichen, rechts) nimmt Abschied von seinem Diener Sancho Pansa (Martin Js. Ohu, links).

Als Gaul Rosinante fungiert eine weiße Leiter auf Rollen, auf der Don Quichotte mit einer riesigen Lanze über die Bühne gezogen wird. Der Gaul ist folglich schon so klapprig, dass er sich allein gar nicht mehr fortbewegen kann. Sancho Pansa wird durch einen Eselskopf selbst zu dem Esel, der dem Knappen zum Transport dient. Der Kampf mit den Windmühlen wird ebenfalls witzig inszeniert, weil als Windmühlen zwei Deckenventilatoren aus dem Schnürboden herabgelassen werden, mit denen Don Quichotte und Sancho Pansa den Kampf aufnehmen, den sie natürlich verlieren müssen. Wenn Don Quichotte in der Bekehrungsszene im dritten Akt die Räuber dazu bringt, ihm das gestohlene Collier zurückzugeben, erscheint er in einem weißen Lichtstrahl in der Mitte der Bühne nahezu wie ein Heiliger.

Musikalisch lassen sich zahlreiche Anklänge an Massenets frühere Stücke erkennen. Das wunderschöne Zwischenspiel zwischen dem vierten und fünften Akt weckt beispielsweise Erinnerungen an die berühmte "Méditation" aus Thaïs. Leider klingt das Cello-Solo an einigen Stellen nicht ganz sauber, was den musikalischen Genuss etwas dämpft. Ansonsten gelingt dem Sinfonieorchester Wuppertal unter der Leitung von Tobias Deutschmann eine klangschöne Umsetzung der Partitur, die der Vielschichtigkeit des Werkes gerecht wird. Mit John In Eichen und Martin Js. Ohu verfügen die Wuppertaler Bühnen über zwei großartige Bässe, die Don Quichotte und seinen Diener Sancho Pansa mit markanter Tiefe und genügend Kraft in der Höhe verkörpern. In Eichen gibt auch optisch in seiner Aufmachung einen glaubwürdigen Ritter, dem man seinen Idealismus in jedem Moment abnimmt. Ohu begeistert mit seinem komödiantischen Spiel und gewinnt darstellerische Tiefe, wenn er seinen Herrn gegen die boshafte Gesellschaft verteidigt. Joslyn Rechter glänzt als Dulcinée mit wohl-timbriertem Mezzo und grandiosem Spiel, das die Vielschichtigkeit der Person beeindruckend auslotet. So empfindet man bei aller Grausamkeit, mit der sie Don Quichotte behandelt, dennoch Mitleid mit ihr, da sie aus gesellschaftlichen Zwängen ihre Rolle nicht verlassen kann, und man kann gut nachvollziehen, wieso sie Don Quichotte in seiner Todesstunde als eine Art Stern am Firmament erscheint. Auch die kleineren Partien und der von Jens Bingert einstudierte Chor überzeugen, so dass es am Ende lang anhaltenden und begeisterten Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Diese selten gespielte Perle des Musiktheaters sollte man sich in Wuppertal nicht entgehen lassen. (Weitere Termine: 18. und 22. Mai, 2., 9., 14., 20. und 30. Juni 2013)


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Tobias Deutschmann

Inszenierung
Jakob Peters-Messer

Bühne und Kostüme
Markus Meyer

Licht
Henning Priemer
Fredy Deisenroth

Choreinstudierung
Jens Bingert

Dramaturgie
Ulrike Olbrich
 

Opernchor der
Wuppertaler Bühnen

Sinfonieorchester Wuppertal


Solisten

Don Quichotte
John In Eichen

Sancho Pansa
Martin Js. Ohu

Dulcinée
Joslyn Rechter

Pedro
Annika Boos

Garcias
Miriam Ritter

Rodriguez
Boris Leisenheimer

Juan
Miljan Milovi
ć

Räuberhauptmann
Marco Agostini

1. Räuber
Oliver Picker

2. Räuber
Jochen Bauer

1. Torero / Gitarrist
Javier Zapata Vera

2. Torero
Tomasz Kwiatkowski

Stimme von Cervantes
Thomas Braus


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



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