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Musiktheater
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Drei Schwestern (Tri Sestry)

Oper in drei Sequenzen von Peter Eötvös
Libretto von Claus H. Henneberg und Peter Eötvös
nach dem Drama von Anton Tschechow


In russischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 45' (keine Pause)

Premiere im Opernhaus Zürich am 9. März 2013


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Opernhaus Zürich
(Homepage)
Komische Groteske

Von Roberto Becker / Fotos © Hans Jörg Michel


Vom Lebensalter des Regisseurs aus betrachtet war das ein spätes Debüt. Doch Herbert Fritsch (62) hat auch noch nicht so lange die Fronten gewechselt. Er ist vom Starschauspieler in Frank Castorfs Volksbühnentruppe zum gefeierten Stücke-Aufmischer und Schauspielerbeschleuniger geworden. Mit einem atemberaubenden Tempo geradewegs an die Spitze der Zunft. Einladungen zum Theatertreffen inklusive. Zum Beispiel mit seiner Version des Nonsens-Stückes Murmel Murmel von Dieter Roth, bei dem der Titel auch schon der ganze Text ist. Auf 175 Seiten immer und immer wieder dieses Wort. Einer wie Fritsch kann daraus ein erstaunlich packendes Theater machen. Und er kann auch sonst jedem Stück, das er anpackt seinen ganz eigenen Stempel aufdrücken. Dazu gehört beispielsweise die stets mit inszenierte Applausordnung. Die gelingt ihm auf jeden Fall.

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Die drei Schwesterm: Mascha, Irina und Olga

Bei seinem Opern-Debüt mit Peter Eötvös' 1998 in Lyon uraufgeführten und seither häufig nachgespielten „Drei Schwestern“ jetzt im Opernhaus Zürich taucht Fritsch zum Schlussapplaus aus der Versenkung auf. Sympathisch grinsend. Mitten in der Crew aus Musikern und Sängern, die alle in Zeitlupe ins Publikum winken. 50 Musiker der Philharmonia Zürich (wie der immer noch gewöhnungsbedürftige, angeblich so marktkonforme Name des Opernorchesters seit Fabio Luisis Amtsantritt als dessen Chef lautet) können dazu gleich bleiben, wo sie den ganzen Abend lang schon waren. Nämlich im Hintergrund der Bühne, als der größere, den breiten atmosphärischen Sound beisteuernde Teil des Orchesters. Dafür ist der Co-Dirigent Peter Sommerer zuständig. Dem gelingt ohne irgendwelche Wackeleien die Abstimmung mit dem musikalischen Chef des Abends im Graben hervorragend. Michael Broder hat dort die Gesamtleitung und gebietet über die restlichen 19 Musiker, die oft mit solistischer Virtuosität die instrumentale Charakteristik einzelner Figuren übernehmen. Zu exzellenten musikalischen Präzision, die sich hier aus transparenten instrumentalen Soli und dem atmosphärischen Sound mit seinen expressiven, ja mitunter grotesk eruptiven Ausbrüchen, zu einem Ganzen formt, kommen hervorragende Solisten.  

Vergrößerung in neuem Fenster Mascha und Kulygin

Peter Eötvös hat die von Tschechow selbst so benannte, ziemlich traurige Komödie zerlegt und dann mit dem Librettisten Claus Henneberg in drei von einem Prolog und einem Epilog eingerahmte sogenannten „Sequenzen“ neu zusammengesetzt.

Als Irina, Mascha und Olga sind dabei Ivana Rusko, Anna Goryachova und Irène Friedli in ihren hyperfolkloristischen Kostümen mit den abenteuerlichsten Frisurkreationen auf dem Kopf nicht nur optisch eine Augenweide, sondern auch ein Ohrengenuss mit ihrer kraftvollen Eloquenz. Ebenso überzeugend ist Rebeca Olvera als Natascha, die als angeheiratete Verwandte eine rechte Schreckschraube sein darf, während sich Elliot Madore als Andreij mit seinem höchst überzeugenden Solo im Zentrum des Stückes profiliert. Auch sonst entspricht das vokale Format der musikalischen Qualität des Abends. Eötvös sprach im Vorfeld der Premiere selbst darüber, dass er diese Musik komponiert hat, in der er mit dem Selbstmord seines Sohnes konfrontiert war. In Zürich glaubt man vor allem diese Aura der Trauer und des Abschiedes auch zu hören.

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Mascha

Die Bühne ist auf knallig gemusterte, sehr bewegliche (und im Laufe des Abends auch reichlich bewegte) Zwischenwände beschränkt. Diese optische Dominanz und die schnellen Schnitte machen das Spiel mit der Melange aus Folklorekitsch und stilisiertem Slapstick der Melancholie zu einem Bühnenvergnügen der eigenen Art. Natürlich wird in Zürich eine zu Bruch gehende Teetasse gleich mal zum Polterabend. Und dass sich mal jemand im Vorhang verheddert oder gegen eine Wand läuft, war auch klar. Doch wird das Ganze zum Gesamtkunstwerk, weil Fritsch es vermag, sowohl die unterschiedlichen musikalischen Kraftströme mit seinem Inszenierungsstil bruchlos und stets schlüssig zu verbinden. Wenn jede Bewegung und Geste, auch die bewusst übertreibenden, unmittelbar von der Musik beglaubigt wird, dann ist es fast schon egal, von welcher Art diese Bewegungen sind. Der Tendenz zur Collage und einem nichtlinearen Erzählen bei Eötvös kommt das obendrein entgegen.


FAZIT

Herbert Fritsch hat seinen spezifischen Inszenierungsstil ausgerechnet bei einem Werk der Moderne so überzeugend angewendet, dass man neugierig auf seine nächsten Versuche in dieser Richtung geworden ist.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michael Boder
Peter Sommerer (Co-Dirigent)

Inszenierung und Bühnenbild
Herbert Fritsch

Kostüme
Victoria Behr

Licht
Franck Evin

Dramaturgie
Sabrina Zwach
Beate Breidenbach


Philharmonia Zürich


Solisten

Irina
Ivana Rusko

Mascha
Anna Goryachova

Olga
Irène Friedli

Natascha
Rebeca Olvera

Baron Tusenbach
Krešimir Stražanac

Verschinin
Cheyne Davidson

Andreij
Elliot Madore

Kulygin
Erik Anstine

Doktor
Martin Zysset

Soljony
Daniel Eggert

Anfisa
Dimitri Pkhaladze

Fedotik
Andreas Winkler

Rodé
Dmitry Ivanchey

Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Opernhaus Zürich
(Homepage)



Da capo al Fine

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