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Arabella

Lyrische Komödie in drei Aufzügen, op. 79
Libretto von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss

In deutscher Sprache mit niederländischen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 35' (zwei Pausen)

Premiere der Neuproduktion für die Nationale Opera & Ballet am 11. April 2014
(rezensierte Aufführung: 20. April 2014)


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De Nederlandse Opera
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Wundervolle Mädchenherzen-Geheimnisse

Von Thomas Tillmann / Fotos von Monika Rittershaus

Richard Strauss hat Geburtstag, und überall wird der 1864 Geborene gefeiert, so auch in Amsterdam mit einer für die DNO neu produzierten Arabella, die freilich 2006 bereits in Göteborg und 2009 in Frankfurt gezeigt wurde (und im November ans Liceu in Barcelona weitergereicht wird). Nachdem das Werk einige Jahre kaum irgendwo zu sehen war und ihm der Geruch des bloß Operettenhaften und der allzugroßen Nähe zum zwanzig Jahre älteren Rosenkavalier anhaftete, scheint sich nun so etwas wie eine veränderte Sicht auf die letzte Zusammenarbeit von Hofmannsthal und Strauss abzuzeichnen. Bei den Salzburger Osterfestspielen gab es eine sehr konventionelle Produktion mit reifen Protagonisten, in der nächsten Spielzeit kommt die Lyrische Komödie beispielsweise in Köln und München in Neuproduktionen heraus.

Weiß ausgeschlagene Wände, die fast immer in Bewegung sind und die Sicht freigeben auf die bescheidenen Räume der Waldners - der adeligen Familie geht es schlecht, Adelaide sieht im ersten Aufzug wahrlich nicht wie eine Gräfin aus mit strähnigen Haaren und unvorteilhaften Seidenkniestrümpfen, statt Gardinen sind ein paar improvisierte Stoffbahnen an den Fenstern, die Spiegel sind abgenommen, die Koffer gepackt, allein Arabellas Outfits dienen dem Wahren des schönen Scheins -, später auf den nur angedeuteten Ballsaal, dominieren das Bühnenbild von Herbert Murauer. In entscheidenden Momenten wie etwa dem großen Showdown im dritten Aufzug steht das Ensemble vor den komplett geschlossenen Wänden, Raum und Zeit sind ausgeblendet, es geht nur noch um die Befindlichkeiten der Personen. Am Ende stehen Arabella und Mandryka in einem weißen Rahmen vor schwarzem Hintergrund.

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Arabella (Jacquelyn Wagner) verschmäht zum Ärger ihrer Schwester Zdenka (Agneta Eichenholz) Matteos Rosen.

Loy legt sich auf keine bestimmte Zeit fest, im Programmheft weist er nicht zu Unrecht darauf hin, dass Hofmannsthal sich auch nicht wirklich für das Wien der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts interessiert habe. Dafür nimmt er das Stück an sich sehr ernst, die Konflikte und Gefühle der Figuren, die wie meist in seinen Produktionen sehr sorgfältig gezeichnet sind und aus Fleisch und Blut sind. Loy ist kein Bilderstürmer, das weiß man, aber oft ein überzeugender Geschichtenerzähler, und im Laufe der drei Aufzüge gewinnt seine Werksicht mehr und mehr an Tiefe und Überzeugungskraft und berührt wirklich (da sah man um sich herum im Parkett doch das eine oder andere Tränchen fließen, und standing ovations gibt es auch heute noch nicht nach jeder Vorstellung). Und er hält Ruhe auf der Bühne aus, da muss nicht in jedem Takt irgendein Mätzchen ausgeführt werden, da darf auch einfach einmal nur schön, aber erfüllt gesungen werden. Von Rampenstehtheater ist das trotzdem meilenweit entfernt, wenn man seine Darsteller so gut führt wie Loy es tut.

Besondere Aufmerksamkeit lässt er Zdenka zukommen: Der Deutsche lässt sie schon ganz am Anfang das erste Mal die langen Haare herunterlassen, Loy zeichnet hier einfühlsam ein selbstloses Mädchen, dass aus Liebe zur großen Schwester auf eigenes Glück verzichtet, bis es einfach nicht mehr kann. Und so sehen wir sie am Ende im Kleid und mit heruntergelassenen Hosen. Die Szene zwischen den beiden Schwestern, die sonst gern gestrichen wird ("Zdenkerl, du bist die Beß're von uns zweien"), ist die vielleicht bewegendste dieser Inszenierung.

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Arabella (Jacqueyln Wagner) ist die Königin des Fiakerballs.

DNO-Debütantin Jacquelyn Wagner war für mich nichts weniger als eine Idealbesetzung für die Titelpartie, und ich habe über die Jahre wirklich viele Soprane in Aufnahmen und live in dieser Rolle gehört. Die Amerikanerin, die die Waldnertochter bereits an der Minnesota Opera gegeben hatte, muss den Vergleich mit den allerersten Rollenvertreterinnen auch der Vergangenheit nicht scheuen. Sie ist nicht nur eine strahlend schöne Frau, sondern nimmt dazu durch die Natürlichkeit, Eleganz und Mühelosigkeit ihres Singens ein, durch das edle, feminine, schimmernd-leuchtende, silbrige Timbre der nicht zu großen, aber gut fokussierten, völlig unangestrengt die Partie bis zum Ende durchstehenden Stimme. Sie war eine optisch wie vokal berührende Arabella, die das Geschehen ganz natürlich beherrschte und zurecht am Ende gefeiert wurde.

Daneben war Agneta Eichenholz eine wunderbar unforciert singende und sehr konzentriert spielende Zdenka ohne nervige Soubrettenallüren, über die Susanne Elmark ihrer Rolle als Fiakermilli entsprechend sehr wohl verfügte, dabei aber stets verlässlich die Spitzentöne attackierte und auch die Tragik der hier ein wenig an Offenbachs Olympia erinnernden Figur zeigte.

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Der große Showdown im dritten Aufzug (von links nach rechts): Graf Dominik (Roger Smeets), Mandryka (James Rutherford), Zdenka (Agneta Eichenholz), Grad Waldner (Alfred Reiter), Arabella (Jacquelyn Wagner), Matteo (Will Hartmann), Graf Lamoral (Thomas Dear), Graf Elemer (Marcel Reijans) und die Gräfin Waldner (Charlotte Margiono).

Der noch junge James Rutherford ist natürlich nicht Mathieu Ahlersmeyer, Josef Metternich, George London oder Dietrich Fischer-Dieskau, sondern ein noch sehr junger Mandryka, der noch nicht die allerletzten Feinheiten des Librettos zu Tage förderte und auch vokal noch zulegen kann, der sich aber darstellerisch sehr gut auf das Konzept einließ und ein stattlich-tolpatschiger Slawone mit sympathischem Bäuchlein im Westenanzug und eben nicht im Frack war. Am Ende indes fand ich das Vibrato doch sehr ausladend, und ob Partien wie Sachs, Holländer, Barak oder eben Mandryka (den er demnächst auch in Hamburg singen wird) die richtigen im ersten Karrierejahrzehnt sind, wage ich zu bezweifeln.

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Arabella (Jacquelyn Wagner) verzeiht Mandryka (James Rutherford), dem Happy end steht nichts im Wege.

Der schwächste Solist war für mein Empfinden Will Hartmann mit seinem durchdringend-grellen, im dritten Aufzug ziemlich gepresst klingenden Charaktertenor als Matteo, dem ich eher einen Mime als den Siegfried zugetraut hätte (diese Rolle hat er im Herbst offenbar in Genf gesungen); an diesem Nachmittag zumindest wirkte er eher optisch und darstellerisch. Ähnliches gilt für Alfred Reiter, der einen noch jugendlichen, mitunter herrlich komischen, quirligen Waldner gab, dabei manch hohen Ton durch Sprechgesang ersetzte und auch sonst nicht die Bassautorität einbrachte, die man sich wünscht, was aber zum Regiekonzept nicht schlecht passte. Das Amsterdamer Publikum freute sich besonders über das Wiedersehen mit Charlotte Margiono, deren Aufnahme der Vier Letzten Lieder unter Edo de Waart im Foyer für kleines Geld zu erstehen war und die mit weitgehend intakter Stimme eine raumfüllende, auch für manchen Lacher sorgende, ihre ganze Erfahrung gewinnbringend einsetzende Adelaide war. Gute Figur machten auch die Interpreten der drei Grafen, namentlich der sehr spielfreudige Marcel Reijans (Elemer), aber auch Roger Smeets (Dominik) und Thomas Dear (Lamoral). Als Kartenaufschlägerin entwickelte Ursula Hesse von den Steinen einige Präsenz.

In großer Form präsentierte sich Het Nederlands Philharmonisch Orkest unter der Leitung ihres Chefdirigenten Marc Albrecht, der sich Richard Strauss' eigenen Wunsch nach flotten Tempi zu Herzen nahm, dabei aber keineswegs hetzte, sondern so allzu große Sentimentalität und Süßlichkeit vermied. Sehr kontrolliert und im Dienste des Bühnenpersonals musizierte das Kollektiv, der herzliche Applaus vor dem letzten Teil und am Ende waren da ganz gerechtfertigt.

FAZIT

Das war ein wunderbarer Nachmittag in der Amsterdamer Oper, die mit dieser musikalisch wie szenisch gelungenenen Arabella dem Jubilar sehr angemessen gratuliert. In besonderem Maße gilt dies für Jacquelyn Wagner - man freut sich schon jetzt auf ihre Mitwirkung bei der Neuproduktion des Werkes an der Rheinoper, die in der Biografie der Sängerin erwähnt ist.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marc Albrecht

Inszenierung
Christof Loy

Bühne und Kostüme
Herbert Murauer

Licht
Reinhard Traub

Choreinstudierung
Frank Hameleers

Choreografie
Thomas Wilhelm



Koor van
De Nederlandse Opera

Nederlands
Philharmonisch
Orkest


Solisten

Graf Waldner
Alfred Reiter

Adelaide
Charlotte Margiono

Arabella
Jacquelyn Wagner

Zdenka
Agneta Eichenholz

Mandryka
James Rutherford

Matteo
Will Hartmann

Graf Elemer
Marcel Reijans

Graf Dominik
Roger Smeets

Graf Lamoral
Thomas Dear

Die Fiakermilli
Susanne Elmark

Eine Kartenaufschlägerin
Ursula Hesse von den Steinen

Welko
Richard Meijer

Ein Zimmerkellner
Richard Prada

 

Weitere Informationen
erhalten Sie von
De Nederlandse Opera
(Homepage)



Da capo al Fine

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