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Clivia

Operette in drei Akten
Libretto von Charles Amberg und Franz Maregg
Musik von Nico Dostal
Musikalisches Arrangement von Kai Tietje


in deutscher Sprache mit Übertiteln in diversen Sprachen am Platz

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere am 8. März 2014 an der Komischen Oper Berlin
Besuchte Aufführung: 26. April 2014


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Komische Oper Berlin
(Homepage)
That's entertainment!

Von Thomas Tillmann / Fotos: © Iko Freese/drama-berlin.de

Die Menschen, die seit Jahrzehnten behaupten, die Operette liege im Sterben oder habe bereits das Zeitliche gesegnet, werden ihr Urteil revidieren müssen: Nach Kálmáns Bajadere, Weills Kuhhandel und Paul Abrahams Ball im Savoy in der vergangenen Spielzeit präsentiert die Komische Oper Berlin mit Clivia nun eine weitere, nicht weniger faszinierende Facette der Berliner Operette. Große Chornummern, schmelzende Liebesduette, schwungvolle, von Jazzrhythmen beseelte Songs oder schmissig-humorvolle, von südamerikanischem Flair angehauchte Ensembles zeigen die ganze Bandbreite von Dostals musikalischem Können.

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Juan Damigo (Tobias Bonn), Clivia Gray (Christoph Marti) und Yola, die Anführerin des Amazonen-Regiments von Boliguay (Andreja Schneider)

Stefan Hubers Inszenierung hat ein hohes Tempo, ohne dass er über die sentimentalen Szenen hinweghuschen würde. Er präsentiert die krause Handlung, jenen wilden "Mix aus einem ungleichen Liebespaar, einem zwielichtigen Filmproduzenten, einem verliebten rasenden Reporter, tanzenden revolutionären Amazonen und einem skurrilen Berliner Erfinder", der 1933 im Theater am Nollendorfplatz seine Uraufführung erlebte, mit dem nötigen Schuss Ironie, einem wohligen Hauch Nostalgie, er spitzt die Klischees noch einmal zu, hat Respekt vor der "Unbekümmertheit, mit der die Autoren ... alles zusammengeworfen haben, was dem Publikum 'Spaß machen könnte'", wird dabei aber nie böse oder führt die Vorlage gar vor. "Wenn man die Operette ernst nimmt, kann man den Leuten eine Freude machen", so hat es Hauptdarsteller Christoph Marti auf den Punkt gebracht. Und auch sein Partner Tobias Bonn hat Recht: Diese Clivia ist keineswegs eine Pfister-Show in der Komischen Oper, sondern eine Operettenproduktion mit den Geschwistern Pfister. Und eine ganz wunderbare dazu.

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"Man spricht heut' nur noch von Clivia!" (Christoph Marti und das Ensemble der Komischen Oper Berlin)

Dazu gehören natürlich auch die vor Ideen sprühende, die unterschiedlichen Fähigkeiten der Mitwirkenden einfühlsam berücksichtigende Choreographie von Danny Costello, das hinreißende Bühnenbild von Stephan Prattes mit all seinen Verwandlungsmöglichkeiten, den Showtreppen, den überdimensionalen, sich öffnenden Glitzerblüten (dem botanischen Original nachempfunden), dem Teich mit den beiden riesigen Schwänen, auf denen die Diva während des "Ich bin verliebt" Platz nimmt, die fantasievoll-bunten Kostüme von Heike Seidler, der man freilich bei der einen oder anderen Robe ein etwas größeres Budget gewünscht hätte (und ein oder zwei Outfits mehr für den Star hätten es schon sein dürfen), das viel Atmosphäre schaffende Licht von Diego Leetz.

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Während Yola (Andreja Schneider) mit ihren Amazonen die Grenze Boliguays verteidigt, kommen sich Juan Damigo (Tobias Bonn) und Clivia Gray (Christoph Marti) näher.

Und die Diva? Zuallererst: Er/sie (dankenswerter thematisiert die Inszenierung den Umstand nicht, dass hier ein Mann eine Frau spielt, in keiner Sekunde fühlt man sich an angestaubte Travestieshows erinnert) ist eine Vedette von Kopf bis Fuß, allein ihr Mienenspiel oder die Art, wie sie die Erdbeere aus ihrem Cocktail fischt, lohnen den Besuch der Vorstellung. Optisch eine gute Portion Jean Harlow, tanzt sie wie eine Reinkarnation von Marika Rökk und Ginger Rogers mit perfekt fliegenden Röcken, beschwört den "Schein der großen, filmreifen Emotion" wie Zarah Leander, zittert in einigen Momenten am ganzen schlanken Leibe. Natürlich ist Marti kein Koloratursopran à la Lillie Claus, die die Uraufführung gesungen hat und Dostals zweite Frau wurde, oder die junge Anneliese Rothenberger (die Querschnitte mit Renate Holm und Margit Schramm aus den siebziger Jahren habe ich nicht hören können), die Stimme ist eher klein und etwas schnarrend (die Koloraturen in "Ich bin verliebt" ersetzt er nicht ungeschickt durch Pfeifen in bester Ilse-Werner-Manier, und er leistet sich eine kleine rhythmische Variante, immer wenn der Name "Clivia" in der wunderbaren Auftrittsszene fällt), aber hier hat Kai Tietje ganze Arbeit geleistet und geschickt transponiert. Das musste er auch bei der Rolle der Jola, denn Andreja Schneider ist natürlich auch keine klassische Soubrette, aber die ihr eigene Komik, die Strenge, der Schalk im Blick und ihre Vollweibphysis in türkisfarbener Uniform tun das ihre.

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Und noch einmal die Hauptdarsteller: Yola (Andreja Schneider), Clivia (Christoph Marti) und Juan (Tobias Bonn).

Tobias Bonn ist nicht nur ein optisch attraktiver, charmanter Juan Damigo. Dass er ein guter Sänger mit geschmeidiger, einschmeichelnder Tenorstimme ist, weiß der Geschwister-Pfister-Fan natürlich seit langem, dass er aber diese Operettenpartie so souverän durchstehen würde, dass er so unangestrengt die nicht wenigen hohen Töne attackieren würde, das hätte ich so nicht vermutet.

Peter Renz fand ich ein wenig zu alt für den Lelio Down, da hätte man einen quirligeren, beweglicheren Buffo gebraucht (und mit Stephan Boving im Ensemble gehabt), und ich fand die eingelegten hohen Töne auch ein wenig aufdringlich. Stefan Kurt war ein sehr präsenter, wirklich witziger Potterton, Christoph Späth nichts weniger als eine Idealbesetzung für das Berliner Original Gustav Kasulke, ohne dem Affen allzuviel Zucker zu geben, und auch die übrigen Mitwirkenden, der von David Cavelius präzis einstudierte Chor und die gut aufgelegten Tänzer machten diesen Abend zu einem mehr als gelungenen.

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Die Diva (Christoph Marti) als Mittelpunkt des Bühnenbildes

Größten Anteil am Erfolg hatte das Orchester der Komischen Oper Berlin und vor allem der musikalische Leiter Kai Tietje, den man aus seiner Gelsenkirchener Zeit vor allem wegen erfolgreicher Musicalproduktionen in Erinnerung hat, und der Dostals Partitur ganz wunderbar zum Strahlen brachte, wobei es dabei "ganz unterschiedliche Bearbeitungsgrade" gibt: Manche Nummern erklingen exakt so, wie sie komponiert sind, manche behutsam, aber immer überzeugend und das Original nicht korrumpierend aufgehübscht (und ganz richtig ist die Entscheidung, das "Astrologenlied" des dritten Akts durch Dostals Schlager "Wonderful Girl" zu ersetzen). Die Musik geht ans Herz und ins Bein, immer wieder klatscht das entfesselte Publikum mit - eine großartige Leistung!


FAZIT

Minutenlange standing ovations am Ende sprechen ihre eigene Sprache. Und das war nicht die Begeisterung, die in Fernsehstudios arrangiert wird, sondern eine ganz ehrliche und absolut nachvollziehbare. Man möchte mehr sehen und hören aus dem Schatzkästchen der Berliner Operette, gern wieder mit den Geschwistern Pfistern, über die Wiederaufnahme in der nächsten Spielzeit hinaus. Warum nicht Benatzkys Axel an der Himmelstür? Tobias Bonn hat den "Hollywood"-Song schon gesungen, Christoph Marti wäre hinreißend im "Kinostar". Und vergessen wir nicht: Die Partie der Hanna Glawari wurde für Zarah Leander auch um einiges nach unten transponiert ...


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kai Tietje

Inszenierung
Stefan Huber

Choreographie
Danny Costello

Bühnenbild
Stephan Prattes

Kostüme
Heike Seidler

Licht
Diego Leetz

Chöre
David Cavelius

Dramaturgie
Ulrich Lenz

Sounddesign
Matthias Reusch
Sebastian Lipski



Chorsolisten und Komparsen der
Komischen Oper Berlin

Das Orchester der
Komischen Oper Berlin


Solisten

E. W. Potterton,
Finanzmann aus Chicago
Stefan Kurt

Clivia Gray,
Filmschauspielerin
Christoph Marti

Juan Damigo
Tobias Bonn

Yola, seine Cousine
Andreja Schneider

Lelio Down,
Reporter der Chicago Times
Peter Renz

Gustav Kasulke,
Erfinder
Christoph Späth

Caudillo/
Valdivio
Max Gertsch

Regisseur/
Diaz
Markus Merz

1. Herr/
Regieassistent
Jan Proporowitz

2. Herr/
Aufnahmeleiter
Volker Herden

3. Herr/
Rodrigo
Sascha Borris

Erster Gaucho
Máté Gal

Zweiter Gaucho
Matthias Spenke

Dritter Gaucho
Bernhard Hansky

Dolores
Josefine Eberlein

Drei Gerichtsoffiziere
Jan Proporowitz
Volker Herden
Sascha Borris

Tänzer
Alessandra Bizzarri
Sarah Bowden
Laura Fernandez
Cora Roloff
Mariana Souza
Jane-Lynn Steinbrunn
Lada Wongpeng
Marion Zollinger
Paul Gerritsen
Silvano Marraffa
Daniel Orellana
Daniel Therrien








Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Komischen Oper Berlin
(Homepage)



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