Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Der Krieg ist allgegenwärtig
Von Lisa Jüttner / Fotos von Monika Rittershaus Die komische Oper fährt zum Ende der Spielzeit noch einmal pompös auf. Die einzige Oper des Komponisten Bernd Alois Zimmermann Die Soldaten ist dominiert von Sex, Gewalt und Krieg, inszeniert von Skandalregisseur Calixto Bieito. Wer sich jedoch auf viel Blut und nackte Haut freut, wird hier enttäuscht. Er kann auch (fast) ohne und trotzdem: Monströs, beeindruckend, bedrohlich - Kino für Freunde der Neuen Musik. Die Soldaten quälen StolziusZimmermann komponierte seine Oper mit der Angst der Nachkriegszeit im Rücken, und diese ist in der Inszenierung deutlich zu spüren. Die rohe, animalische Darstellung der Soldaten - sogar der musikalische Leiter Gabriel Feltz tritt in Armee-Hosen auf - ist auf den Punkt getroffen und beherrscht die Grundatmosphäre des gesamten Abends. Selbst den wenigen intimeren Momenten sitzt die Bedrohung im Nacken: Marie im Gespräch mit ihrem Vater, mit ihrer Schwester, Stolzius diskutierend mit seiner Mutter, sie alle sind gefangen im Netz des Militarismus. Und genau dort sah Zimmermann den destruktiven Grundgedanken. Nicht der Krieg zerstört den Menschen, sondern seine alltäglichen Folgen, welche tief bis in die Grundfesten der sozialen Beziehungen vordringen. Marie und Vater Wesener Auch Bieito inszeniert kein Schlachtfeld, sondern Bühnenbildnerin Rebecca Ringst baut mit Gerüsten das Innere einer Kaserne nach. Sex und Gewalt stehen auf der Tagesordnung. Die unschuldige Marie wirkt darin wie eine verlorene Puppe. Strohblondes Haar, große Augen, so beginnt sie ihren sozialen Aufstieg - und wird von den Männern hin und her geschoben. Dabei darf das Publikum ihr sozusagen live zuschauen. Im Hintergrund der Bühne installierte Kameras filmen Marie und ihre Begleiter in Nahaufnahmen, die auf Leinwände übertragen werden. Damit wird der Trend der "Selfies", fotografische Selbstporträts, die jeden online am Leben des Fotografen teilhaben lassen, auf eine interessante Art aufgegriffen. Zerstörung durch öffentliches Zur-Schau-Stellen der eigenen Person in den intimsten Momenten - im Grunde die Selbstzerstörung durch Selbstdarstellung. Denn wer sich der Gesellschaft bis in die letzten Winkel seiner Verletzlichkeit hingibt, endet nicht selten wie Marie: Am Boden. Das Innere der Kaserne, Orchester im HintergrundZu diesen düsteren Gedanken tut die Musik ihr Übriges: Martin Koch als Deportes und Günter Pappendell als Hauptmann Mary singen exerziernd, so männlich, fast schon zu sehr im Klischee. Dagegen Tom Erik Lie, ein sensibler Stolzius, weich und verletzlich, weint in den Armen seiner Mutter. Susanne Elmark kreischt, giggelt, lacht und schluchzt hysterisch zwischen den Männern und meistert die gesanglich höchst anspruchsvolle Partie mit Bravour. Besonders hervorstechend: Noemi Nadelmann als Gräfin. Sie tritt auf wie eine Art Gegenpart zu Marie. Dunkel, stark, weltklug, die böse Stiefmutter. Feltz' Orchester, positioniert und kostümiert wie ein Schlachtheer, wütet und kämpft den ganzen Abend. Präzisionsarbeit bis ins letzte Detail, um das Chaos perfekt erklingen zu lassen.
Eine beeindruckende Leistung von der gesamten Besetzung. Musikalisch auf höchstem Niveau, eine zeitlose Geschichte - absolut sehens- und bedenkenswert. Bieito verzichtet weitestgehend auf szenische Aha-Effekte, fehlen tun diese nicht. Viel Interpretation ist wohl auch nicht nötig, um dieser pazifistischen Oper dazu zu verhelfen, sich in der Gegenwart wiederzufinden. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Lichtdesign
Video
Choreographie
Dramaturgie
Solisten
Wesener
Marie
Weseners Mutter
Stolzius
Stolzius Mutter
Obrist, Graf von Spannheim
Desportes
Pirzel
Eisenhardt
Haudy
Mary
1. junger Offizier
2. junger Offizier
3. junger Offizier
Gräfin de la Roche
Ihr Sohn
Madame Roux
Drei Hauptleute
Betrunkener Offizier
Ein junger Fähnrich
Soldatenchor
|
© 2014 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de