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Die Wucht der Musik
Von Roberto Becker / Fotos von Iko Frese/drama-berlin.de Barrie Kosky liebt die große Show. Daraus macht er gar keinen Hehl. Ein Rheingold kann beim ihm leicht mit einer Revue verwechselt werden. Aber in Sachen Wagner hat er sich andernorts schon abgearbeitet. Das passt nicht so richtig an die Komische Oper in Berlin. Die hat sich seit Kosky hier das Intendantenzepter schwingt, gut gegen die innerstädtische Konkurrenz behauptet. Und es zum Opernhaus des Jahres gebracht. Da geht auch mal was nicht ganz so gut, so wie neulich Mozarts Così fan tutte, die Alvis Hermanis zu brav und im kritikwürdigen Sinne altmodisch auf die Bühne brachte. Die programmatische Richtung stimmt aber. Liebe in Mitten von latenter Gewalt? Ein Traum.Auch mit Leonard Bernsteins West Side Story. Wobei diese nach Amerika verlegte Version von Romeo und Julia im Grunde ein Selbstläufer ist. Viele meinen, es sei das Beste, was das Genre überhaupt hervorgebracht hat. Daran hat natürlich Shakespeare seinen Anteil der Plot funktioniert einfach, ob nun in Verona oder in New York. Er würde auch in Neukölln funktionieren. Und es bleibt schon diskutabel, ob Kosky mit seiner eher aufs Allgemeingültige und regional und zeitlich Ungefähre zielenden Inszenierung nun ein Verdienst erworben hat, weil er sich auf die Wucht der Musik und den Kick der tragischen Liebesgeschichte verlassen hat. Oder ob er damit nicht doch etwas an Potenzial verschenkt hat. Zumal es gerade in der Komischen Oper in der Übersetzungslage ja sogar immer auch eine türkische Textversion gibt. Es hätte schon auf der Hand gelegen, die türkischstämmigen Kids, deren Körpersprache Choreograph und Co-Regisseur Otto Pichler (der an diesem Haus schon den Ball im Savoy und Orpheus aus dem Monteverdi-Zyklus choreographiert hat) hier ziemlich souverän in die Choreographien der Jets und Sharks eingebaut hat (exemplarisch für alle steht da der atemberaubend cool und athletisch sing-tanzende Riff von Daniel Therrien), dadurch in die Oper zu locken, indem man ihre Geschichte erzählt. Aber sei's drum. Die Gefahr, dabei plakativ zu werden, ist natürlich auch nicht zu übersehen. Übrigens ist es so eine Besonderheit im ja nicht sehr interpretationsoffenen Musicalgeschäft, wo die Rechteinhaber akribisch auf ihren Originalversionen beharren, dass der Vermerk Die Uraufführung wurde inszeniert und choreografiert von Jerome Robbins sogar eingerahmt auf dem Programmzettel erscheinen musste. Diese West Side Story lebt von ihren perfekten Darstellern. Aber damit kann man gut leben, wenn so ein Ersatz dafür geboten wird, wie jetzt in Berlin. Dieser Abend entfaltet eine Wucht, der man sich nicht entziehen kann. Und das liegt nicht nur an der Jubelbereitschaft der ausgemachten Musicalfans, die diesmal im Publikum mehr als sonst vertreten sind. Da ist zuerst Bernsteins Musik, mit der Koen Schoots am Pult des Orchesters der Komischen Oper in der rauen Originalbesetzung von 1957 loslegt, der man nicht ausweichen kann. Das entfaltet eine derartige Suggestionskraft, dass es wirklich schade ist, dass es nicht noch eine Rausschmeißer-Zugabe gab. An Bernsteins Hits und den Drive seiner Musik kommt jedenfalls kaum ein Nachfolgeprodukt heran, und die aus der Webber-Fabrikation schon gar nicht. Immer noch der Traum vom Glück: Amerika!Auf Koskys Bühne gibt es höchstens mal einen Minigemüse-Stand für Doc (als mahnende Stimme der Vernunft: Peter Renz) oder ein Bett für Maria. Der Rest ist eine Atmosphäre aus Lichttechnik, Discokugeln und ein paar Klettergelegenheiten. Das schafft jeder Menge Platz für die Tänzer und Sänger. Die imaginieren die latente Gewalt zwischen den verfeindeten Straßengangs vor allem mit ihrer genau auf die Musik choreographierten Dynamik, die einem schlichtweg den Atem verschlägt. Sie lassen die Muskeln spielen. Und zeigen sie auch. Was so gefährlich wie anziehend wirkt. Bei so viel musical-professioneller Power wirken dann Julia Giebel und Tansel Akzeybek als Liebespaar Maria und Tony von vornherein wie Außenseiter, die keine Chance haben, wirklich dazu zu gehören und akzeptiert zu werden. Vokal schlagen sie sich wacker, wobei ihr weltfremdes Dahinschmelzen nicht wirklich ans Herz greift. Das gepfefferte America-Ensemble oder der beißende Witz des Officer Krupke-Couplets sind dadurch dem Somewhere oder Tonight deutlich voraus. Am Ende, wenn sie alle ruhig im Kreis stehen und Tony in Marias Armen stirbt, wirkt die Szene gar etwas brav pädagogisch.
Trotz einiger kleiner Einwände ist Barrie Kosky an der Komischen Oper eine mitreißende West Side Story gelungen, die das Zeug zum Publikumsrenner hat. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Choreographie
Bühnenbild-Konzept
Bühnenbild und Kostüme
Licht
Chor
Dramaturgie
Solisten
Maria
Tony
Anita
Riff
Bernardo
Chino
Action
A-Rab
Baby John
Snowboy
Big Deal
Diesel
Anybodys
Graziella
Velma
Rosalia
Consuelo
Teresita
Francisca
Estella
Margarita
Pepe
Indio
Luis
Anxious
Nibbles
Doc
Schrank, Polizist
Krupke, Polizist
Glad Hand
Artist
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