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Verdi in Wonderland
Von Joachim Lange / Fotos von Matthias Baus
Sie überzeugt mit Stimme und Spie restlos: Anna Netrebko als Leonora
Anna Netrebko und Plácido Domingo zusammen auf der Bühne und Daniel Barenboim im Graben - das gibt es in Berlin nicht alle Tage. Da macht es auch nichts, dass diese Trovatore- Inszenierung schon zu den Wiener Festwochen gelaufen ist. Da allerdings in anderer Besetzung. Philipp Stölzl hat diesen blutrünstigen Rachethriller so inszeniert, als wäre es der Falstaff. Manricos Leute sind ein Haufen von drollig überzeichneten schrillen Comic-Typen aus dem Wonderland der Phantasie. Die Soldateska von Graf Luna könnte in ihrer Uniformierung gut in einer Peter-Stein-Inszenierung den spanischen König bewachen. Die Bühne hat drei Seiten es ist ein schräg gestellter aufgeschnittener magischer Würfel, bei dem die Mauern aus lauter Quadraten alsbald ein Video-Eigenleben beginnen. Mal so, als würden die Segmente vor und zurück fahren. Mal sind sie Projektionsfläche für hübsche Filmchen mit den Akteuren Manrico in der Zelle träumt von Leonora, die ihm dann wie Klein Alice erscheint. Stölzl hat hier nicht nach der abgründigen Tragödie gefahndet, sondern mehr auf den Drive der Musik gehört. Und da passt ja die schmissige Nummer nicht immer zu dem, was textlich gerade gesungen wird, sondern ist eben vor allem große Oper, die ihr Publikum mitreißen will. Aber um die Inszenierung oder ums Verdi-Jahr ging es diesmal im Schillertheater zu allerletzt. Denn Staatsopern-Intendant Jürgen Flimm hatte für diese Vorstellung, mit der eigentlich die Lindenoper wieder eingeweiht werden sollte (kleiner Politikerscherz der Flughafenstadt am Rande) gleich drei weltberühmte Debütanten am Start. Der erste ist der Chef der Staatskapelle. Denn der weltweit präsente Daniel Barenboim hat erstaunlicherweise bisher noch keinen Trovatore dirigiert. Was man ein klein wenig auch merkte. So ganz eng war der Schulterschluss zwischen Graben und Chören nicht immer. Zwei weltberühmten Debütanten: Anna Nebtrebko und Plácido Domingo
Was aber auch daran gelegen haben kann, dass er sich auf seinen Grafen Luna, Plácido Domingo, konzentrierte. Dieser unbestrittene Ausnahmesänger entwickelt ja jenseits der 70 einen beachtlichen Ehrgeiz, neben allem Wichtigen, was er für die Oper weltweit macht, seine grandiose Tenor-Karriere als Bariton fortzusetzen und sich damit auch an neuen Rollen auszuprobieren. Die Legende vermag sich natürlich mit Technik und Charisma und auch mit Stimme zu behaupten, ein großer Spieler muss er bei seiner Aura nicht mal sein. Aber Domingo hat einen Maßstab, und das ist er selbst. Das Berliner Publikum brachte irgendwie das Kunststück fertig, den Weltstar zu feiern und das gleichzeitig so zu dosieren, dass eben auch die Verhärtungen und die gelegentliche Kurzatmigkeit nicht unter den Tisch des Hauses fielen. Dass sich Domingo solchen Herausforderungen stellt, hat etwas Imponierendes. Nötig hat er es eigentlich nicht. Inszenierung mit Knalleffekt : Hier wird auch 'mal ins Publikum geballert
Und dann war da Anna Netrebko, die allseits Beliebte. Man muss es nicht mögen, wie sie sich vermarktet, erst das Traumpaar mit dem smarten Erwin Schrott demonstriert und jetzt die Welt an der Trennung teilhaben lässt. Man kann auch bedauern, dass sie ihren Promistatus daheim in Russland bislang zumindest nicht allzu offen dazu nutzt, um dem homophoben Schwachsinn Putins etwas entgegenzusetzen. Doch spätestens wenn sie auf der Bühne steht, ist das vergessen. Mit gereifter vokaler Kraft und imponierender Technik macht sie ihre Leonora als Frau zwischen den beiden feindlichen Brüdern zu einem Ereignis. Mit der Stimme, aber auch mit ihrem Spiel. Sie sieht hier als Leonora so ähnlich aus, als würde sie Madonna im Reifrock spielen, aber sie spielt eben auch! Lässt sich auf die Ironisierung der großen Operngesten ein, auf die in dieser Inszenierung durchgängig gesetzt wird. Das gleiche gilt für Marina Prudenskayas Azucena, die zwar eine fast zarte, mädchenhafte Gestalt hat, aber sämtliche Abgründe dieser Frau deutlich, die aus Versehen das falsche Kind ins Feuer warf (und mehr an der Verwechslung als dem Rachewahn leidet) mit dunkler Leuchtkraft und Eloquenz. Da konnte der Manrico von Gaston Rivero nur mit Mühe, allerdings mit zunehmender Durchschlagskraft, mithalten. FAZITDieser Trovatore war vor allem ein Berliner Event mit großem Promifaktor. Vor allem Anna Netrebko und Marina Prudenskaya machten daraus auch einen lohnenden Opernabend Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Co-Regie und Choreographie
Kostüme
Video
Licht
Chor
Dramaturgie
Solisten
Graf Luna
Leonora
Manrico
Azucena
Ferrando
Inez
Ruiz
Ein alter Zigeuner
Ein Bote
Tänzer
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