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Musiktheater
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Rein Gold

Musiktheater von Nicolas Stemann unter Verwendung von Musik aus „Der Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner
Text von Elfriede Jelinek


In deutscher Sprache (keine Übertitel)

Veranstaltungsdauer: ca. 2h 40' (keine Pause)

Premiere an der Staatsoper Unter den Linden im Schillertheater am 9. März 2014


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Staatsoper Berlin
(Homepage)
Auf den Wort-Grund gegangen

Von Roberto Becker / Fotos von Monika Rittershaus

Diesem Text ist sein Entstehungsanlass als Programmheft-Kommentar zum (aktuellen Münchner) Ring des Nibelungen noch anzumerken. Aber wie immer verliert Elfriede Jelinek jedes Maß, wenn sie ihrem eigenen Stern folgt, ihren sprachmisstrauischen Wortspielereien frönt, sie auslotet und Schichten freilegt, über die sonst hinweggeredet wird. Wobei es Richard Wagner als Dichter und als Komponist auch um diesen im Großen waltenden Weltzusammenhang ging, den die Leidenschaften antreiben, aber noch mehr die menschliche Gier. Die steigt im Kapitalismus zwar nur leicht bemäntelt zur Tugend auf, aber das geht nicht ohne Blut an den Händen. Oder wenigstens den Verzicht auf Liebe. Denkt man nun, wie jetzt der bewährte Uraufführungsregisseur von Jelinek-Texten Nicolas Stemann für sein „Musiktheater“ zum „Bühnenessay“, den Wagnerischen Ring-Komplex mit dem Jelinekschen Dauerlamento gegen die Verlogenheit der Sprache und ihrer permanenten Überblendung der wirklichen Verhältnisse zusammen, ja setzt ihr den originalen Wagner entgegen, dann entsteht daraus ein durchaus launiger Theaterabend.

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Wotan (Jürgen Linn), drei Schauspieler (Sebastian Rudolph, Katharina Lorenz, Philipp Hauß) und Brünnhilde (Rebecca Teem)

Zugegeben: Jelinek- und Wagnerhasser oder auch nur -Neulinge mögen es anders sehen. Es lebt natürlich vom permanenten „Wer bin ich?“ und „Was bedeute ich?“ der verbalen und musikalischen Motive. Und da erhöht sich der Spaß an der Freunde mit der Trefferquote beim Wiedererkennen. Der Kern der Ring-Story gibt in etwa den roten Faden vor. Wotans unbezahlte Rechnung für den Hausbau und die verheerenden Folgen, die das für die allgemeine Moral hat, liefert den Stoff für einen Dauerzoff zwischen Brünnhilde und ihrem Vater. „Also Papa hat sich diese Burg bauen lassen, und jetzt kann er den Kredit nicht zurückzahlen. Eine Situation wie in jeder zweiten Familie.“ Das ist so ein Leitmotiv-Satz, der immer wieder kehrt. Ganz unjelineksch ist die Mama diesmal außen vor. Dieses aufbegehrende rebellierende Dauerhinterfragen der Götter-Tochter ist wie alle Theaterzulieferungen der österreichischen Literaturnobelpreisträgerin ein typischer Endlosmonolog ohne Rollenzuschreibung, also das Futter für die Regisseure.

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Wotan (Jürgen Linn)

Stemann hat den Text auf die Schauspieler Sebastian Rudolph, Katharina Lorenz und Philipp Hauß verteilt. Sie haben das Manuskript im wahrsten Sinne des Wortes in den Händen, blättern darin und verblättern sich auch mal. Doch den Jelinek-Sound kriegen sie hin. Manchmal paktieren Sie mit dem Publikum, lassen es gar aufstehen, damit es die Gelegenheit zum Wi(e)dersetzen bekommt. Oder rufen (wie Wotan) nach dem Ende. Oder entschuldigen sich für das, was sie dem Publikum zumuten. In der Premiere ließen die Zuschauer diese Chance freilich ungenutzt verstreichen. Was wohl auch daran lag, dass der Abend als Ganzes Atomsphäre hatte und viel mehr wiedererkennbarer Wagner drin war, als der eine oder andere erwartet haben mag.

Nach dem im Wagnerjahr absolvierten Ring-Diensten unter Daniel Barenboim schien es den Musikern der Staatskapelle auf ihrer fahrbaren Plattform sogar Spaß zu machen, unter Markus Poschner ihren Wagner kreuz und quer oder auch vor und zurück durcheinander gewirbelt zu spielen. Da die jeweiligen Bruchstücke für diese Collage immer eine erkennbare Mindestgröße behielten und ihre rhetorische Kraft oder die waldwebende Atmosphäre zumindest zitieren konnten, ließ sich, wenn man wollte, die so entstehende Ring-Tonspur auch für sich genommen konsumieren. .

Von dieser musikalischen Seite des Abends aus hielten Rebecca Teem als machtvoll singende Brünnhilde, Jürgen Linn als Göttervater Wotan und Narine Yeghiyan, Katharina Kammerloher und Annika Schlicht als schickes, laszives Rheintöchter-Trio mit. Ein beklatschter Höhepunkt dieses Dialoges zwischen Sängern und Schauspielern mit ungleichen vokalen Mitteln war das Duett von Brünnhilde und Philipp Hauß. Wenn sie mit ihrem Heil-dir-Sonne aufdreht wird ihm ganz siegfried-mulmig. Weil sie ihren Erwecker-Helden aber nicht von der Angel lässt, übernimmt er halt den Siegfried-Part und scheitert mit jedem Ton.

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Brünnhilde (Rebecca Teem)

Wenn der Abend politisch wird, dann regnen Geldscheine. Doch die dazu gelieferte Jelineksche Geldtheorie touchiert diesmal allzu sehr den banalen Stammtisch. Und wenn dann auch noch Wotan gegen Ende mit dem Wohnwagen aufkreuzt und Leichen auf die Bühne stürzen, dann kann man das einen Moment lang für eine Insideranspielung auf den Castorf-Ring in Bayreuth halten, wo auch so ein Teil herumsteht. Die verkohlten Leichen, die aus dem Schnürboden stürzen wären dann der Helden-Ernte der Walküren zuzuordnen. Doch dann schlendert der rosarote Panther über die Bühne, und der ist ja auch so ein Missbrauchsopfer, weil der NSU ihn für seinen Videozynismus verwendete. Diese Kurve ins unmittelbar aktuell Politische kommt denn doch etwas mit der Brechstange. Wirkung hinterlässt es gleichwohl.

Wobei die andeutungsweise als Staatsopernbaustelle dekorierte Bühne (die tatsächliche Rekonstruktion der Lindenoper beginnt ja langsam, zur Gruppe der Großbaustellen-Katastrophen der Republik aufzuschließen) mit dem stets sichtbaren, auch mal nach vorne fahrenden Orchester, den wenigen Ausstattungsversatzstücken und den klug dosiert eingesetzten Videos ihren eigenen Reiz hat.

Zum Ende dann bricht Poschner einfach ab. Während sich ein transparenter Vorhang senkt, setzt ein Kind ein Bandeinspielung in Gang, deren Klänge den Abend so beschließen wie eine ganz normale Götterdämmerung.

FAZIT

Der Ausflug von Elfriede Jelinek ins Musiktheater ist eine Herausforderung. Wenn man sich auf diese Melange aus Bühnenessay und Musiktheater einlässt, dann hat sie durchaus ihren Reiz.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Markus Poschner

Inszenierung
Nicolas Stemann

Bühnenbild
Katrin Nottrodt

Kostüme
Marysol del Castillo

Licht
Olaf Freese

Video
Claudia Lehmann
Martin Prinoth

Elektronik, Modularer Synthesizer
Thomas Kürstner
Sebastian Vogel

Komposition
Thomas Kürstner
Sebastian Vogel
David Robert Colemann

Dramaturgie
Benjamin von Blomberg


Staatsopernchor Berlin

Staatskapelle Berlin


Solisten

Sängerinnen und Sänger

Brünnhilde
Rebecca Teem

Wotan
Jürgen Linn

Woglinde
Narine Yeghiyan

Wellgunde
Katharina Kammerloher

Flosshilde
Annika Schlicht

Schauspieler

Philipp Hauß
Katharina Lorenz
Sebastian Rudolph
Amelie Strum
Kay Keßner




Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoper Unter den Linden Berlin
(Homepage)



Da capo al Fine

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