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Tannhäuser mit Tanz Von Thomas Molke / Fotos: Bernd Uhlig Richard Wagners Tannhäuser ist wohl das Werk des großen deutschen Komponisten, das er am häufigsten revidiert und mit einschneidenden Veränderungen versehen hat. So hat er für die Pariser Fassung von 1861 nicht nur ganze Passagen neu komponiert und harmonisiert, sondern auch ein Ballett im Venusberg, das sogenannte Bacchanal, eingefügt. Zwar war diese Tanzeinlage für die damalige Opernkonvention in Paris obligatorisch, aber Wagner löste damit dennoch einen Skandal aus, da er das Ballett nämlich nicht im zweiten Akt positionierte, sondern es direkt hinter die Ouvertüre stellte, wo es inhaltlich Sinn macht. Der Sinn interessierte freilich die finanzkräftigen Herren des Jockey-Clubs wenig, die dem ersten Akt gewöhnlich fernblieben, um erst noch zu dinieren, und dann erst zum zweiten Akt erschienen, um die hübschen Ballerinen tanzen zu sehen. So stieß die Pariser Uraufführung in weiten Kreisen auf Unverständnis. Nur die Literaten, allen voran Charles Baudelaire, sahen in dieser Aufführung den Beginn einer neuen Theaterepoche. Wenn nun eine renommierte Choreographin wie Sasha Waltz diese romantische Oper inszeniert, geht man natürlich erst einmal davon aus, dass sie die Pariser Fassung wählt. Aber sie bleibt bei der häufiger gespielten Dresdner Fassung und bezieht nur das Bacchanal des 1. Aktes aus der Pariser Fassung mit ein. Tannhäuser (Peter Seiffert) will Venus (Marina Prudenskaya) und ihre Welt (Tänzerinnen und Tänzer) hinter sich lassen. So gelingt ihr auch direkt für das erste Bild im Venusberg eine beeindruckende Umsetzung. Schon während des Vorspiels erscheint das Innere des Venusberges in Form eines trichterförmigen Raumes auf der Bühne. Die große kreisrunde Öffnung im Vordergrund und der kleinere Kreis im Hintergrund wirken zunächst durch die Beleuchtung von David Finn wie Planeten, was vielleicht bereits eine Anspielung auf den "Abendstern" sein könnte. Wenn das Venusmotiv im Vorspiel ertönt, klettern halbnackte Menschen durch die hintere Öffnung in diesen Trichter und geben sich dem Rausch hin. Es folgt das Bacchanal, für das Waltz mit den modernen Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer sehr eindringliche und ästhetische Bilder eines Lebens in Lust und Liebe schafft. Auch Venus als die Herrscherin über dieses Treiben wird wunderbar in diese Szenerie integriert. In dem Trichter werden Stufen herausgeschoben, auf denen sie majestätisch zwischen den Tänzerinnen und Tänzern herabschreitet und schließlich ganz in ihnen versinkt. Dann erscheint Tannhäuser, rutscht regelrecht ins Vergnügen, bis er der ganzen Lust und Leidenschaft überdrüssig wird. Er verlässt den Trichter. Venus versucht, ihn noch zu halten, ist aber gegen die göttlichen Mächte hilflos und wird von ihren Wesen in den Trichter zurückgetragen. Marina Prudenskaya und Peter Seiffert begeistern in dieser Szene sowohl darstellerisch als auch stimmlich. Prudenskaya stattet die Venus mit einem voluminösen Mezzo aus, der auch in den extremen Höhen noch absolut textverständlich bleibt. Seiffert klingt als Tannhäuser in den Höhen zwar bisweilen ein bisschen angestrengt, singt die Töne aber sauber aus und ist ebenfalls sehr gut zu verstehen. Wer glaubt, dass mit der ersten Szene die Tanzeinlagen beendet wären, täuscht sich allerdings. Auch wenn im Vorfeld stets verneint worden ist, dass Waltz aus dem Tannhäuser einen Tanzhäuser machen werde, findet sie auch im weiteren Verlauf mehr oder weniger passende Einsätze für die Tänzerinnen und Tänzer. Wenn der Venusberg verschwindet, bleibt die Bühne leer und wird zunächst nur in dichten Nebel getaucht. Sónia Grané gefällt als junger Hirt mit glockenklar leuchtendem Sopran und verkündet den Mai. Mit den Pilgern, die sich auf den Weg nach Rom machen, treten auch die Tänzer wieder auf und setzen das Gefühl der Reue und den Wunsch nach Vergebung in modernen Ausdruckstanz um, der an dieser Stelle zwar nicht dringend erforderlich, aber auch nicht weiter störend ist. Unpassender hingegen wirkt die Dopplung der Sänger, die anschließend mit dem Landgrafen Hermann von der Jagd zurückkommen und auf Tannhäuser stoßen. Wenn sie ihre Freude darüber kundtun, dass Tannhäuser mit ihnen zur Wartburg zurückkehrt, wirken die fröhlichen Sprünge der Tänzer, die dann teilweise auch noch im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf die Sänger übertragen werden, ein bisschen albern. Elisabeth (Ann Petersen) grüßt die "teure Halle", die sie so lange gemieden hat. Im zweiten Aufzug beeindruckt zunächst das von Pia Maier-Schriever und Waltz konzipierte Bühnenbild. Hohe Holzstäbe hängen aus dem Schnürboden herab und laufen auf beiden Bühnenseiten nach hinten spitz zu. Diese Verengung nach hinten erinnert an den Venusberg, nur das hier die runden weichen Formen fehlen und man zwischen den Stäben hindurchblicken kann. Es gibt also keine Privatsphäre. So bleibt auch Tannhäusers Zusammentreffen mit Elisabeth mehr oder weniger unfreiwillig unter ständiger Beobachtung von Wolfram von Eschenbach, der die ganze Zeit zwischen den Holzstäben sichtbar bleibt, einmal sogar fast die traute Zweisamkeit stört. Ann Petersen glänzt in ihrem Auftrittslied "Dich, teure Halle, grüß ich wieder" mit strahlendem Sopran, der auch in den Höhen über eine große Textverständlichkeit verfügt. Optisch erinnert sie mit ihren schulterlangen blonden Haaren ein wenig an Grace Kelly. Waltz lässt ihr und Seiffert in der Personenregie einen großartigen Moment der Zweisamkeit (beziehungsweise Dreisamkeit, wenn man Wolfram von Eschenbach im Hintergrund mitzählt), bevor mit dem Einzug der Gäste in die Wartburg der nächste Auftritt für die Tänzer erfolgt. Ob die marionettenhaften tänzelnden Bewegungen beim Auftritt als Ausdruck einer künstlichen Gesellschaft ohne jegliche Natürlichkeit verstanden werden sollen, bleibt diskutabel. Weniger nachvollziehbar hingegen ist, dass bei den Tänzern auch zwei Männer beziehungsweise zwei Frauen zusammentanzen und eine Tänzerin sogar mit zwei Männern auftritt. Diese Fortschrittlichkeit in der freien Partnerwahl hätte man vielleicht im Venusberg akzeptiert, passt aber nicht zur Wartburg-Gesellschaft, zumal sie unkommentiert von der restlichen Gesellschaft bleibt. Elisabeth (Ann Petersen) und Wolfram von Eschenbach (Peter Mattei) hoffen, dass Tannhäuser unter den zurückkehrenden Pilgern (Tänzerinnen und Tänzer) ist. Überzeugend hingegen setzen die Tänzer Tannhäusers Einwürfe beim Sängerkrieg um, wenn er den anderen Sängern vorwirft, die wahre Liebe nicht besingen zu können, da sie sie noch nicht kennengelernt hätten. Da heben die Tänzer die Röcke der Tänzerinnen und man sieht die hautfarbenen Hosen, die sie bereits im Venusberg getragen haben. Mit Tannhäusers Gesang kehrt auch die Erinnerung an die Freuden im Venusberg zurück. Wenn Tannhäuser dann bekennt, dass er im Venusberg gewesen ist, bricht auf der Bühne das absolute Chaos aus. Hier zeigt Waltz, wie sie große Massen auf der Bühne wirkungsvoll positionieren kann. Beim Sängerstreit begeistern Tobias Schabel als Biterolf mit markanten Tiefen, Peter Sonn als Walther von der Vogelweide mit lyrischem Tenor und René Pape als Landgraf Heinrich mit durchdringendem Bass. Peter Mattei avanciert als Wolfram von Eschenbach mit kräftigem Bariton zum Publikumsliebling, was neben seiner großartigen Darbietung des Liedes im zweiten Aufzug vor allem aber auch seinem gefühlvollen Gesang an den Abendstern im dritten Aufzug zu verdanken sein dürfte. Tannhäuser (Peter Seiffert mit Tänzerinnen und Tänzern) will zurück in den Venusberg. Im dritten Aufzug ist die leere Bühne wieder in dichten Nebel getaucht. Auch hier schenkt Waltz den Solisten, in diesem Fall Elisabeth und Wolfram, einen Moment der intimen Zweisamkeit, bevor mit den aus Rom zurückkehrenden Pilgern die Tänzer wieder auftreten. Für die entsühnten Pilger findet Waltz interessante Bilder. So lässt sie einen Pilger auf dem Kopf in einer Position hereintragen, die an eine Kreuzigung erinnert. Die anschließende Rom-Erzählung gelingt Seiffert stimmlich absolut ergreifend. Aus dem Nichts tauchen anschließend die Gestalten aus dem Venusberg wieder auf. Allerdings wird das Bild des ersten Aktes mit dem Trichter nicht wieder sichtbar. Venus versucht ein letztes Mal, Tannhäuser wieder in ihren Bann zu ziehen, bis der Leichenzug der toten Elisabeth ihr zu verstehen gibt, dass sie Tannhäuser endgültig verloren hat. Tannhäuser sinkt an Elisabeths Leiche nieder und stirbt, während grüne Blätter auf den Leichnam gelegt werden, die wohl andeuten sollen, dass der Stab des Papstes erneut zu grünen begonnen hat und Tannhäuser damit doch Vergebung erlangt hat. Der von Martin Wright hervorragend einstudierten Staatsopernchor setzt zu einem grandiosen Schlussgesang an. Daniel Barenboim präsentiert sich am Pult seiner Staatskapelle Berlin als absoluter Meister in der differenzierten Ausgestaltung der Partitur und nimmt gemeinsam mit seinem Orchester am Ende wie alle anderen Beteiligten frenetischen Applaus entgegen. FAZIT Die
Berliner Staatsoper präsentiert mit Sasha Waltz' Inszenierung einen
Tannhäuser, der musikalisch Spitzenniveau erreicht und das Stück nicht
gegen den Strich bürstet. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
ProduktionsteamMusikalische
Leitung Regie,
Choreographie und Bühnenbild
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Chöre Dramaturgie
Staatsopernchor Staatskapelle Berlin
Solisten
Hermann, Landgraf von Thüringen
Tannhäuser
Wolfram von Eschenbach
Walther von der Vogelweide
Biterolf
Heinrich der Schreiber
Reinmar von Zweter
Elisabeth, Nichte des Landgrafen
Venus
Ein junger Hirt
Vier Edelknaben Tänzerinnen Tänzer
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