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Tosca

Melodramma in drei Akten
Text von Giuseppe Giocosa und Luigi Illica
Nach dem Drama
La Tosca von Victorien Sardou

Musik von Giacomo Puccini


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Bonner Opernhaus am 3. November 2013


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Theater Bonn
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Knapp vorbei ist auch daneben

Von Thomas Tillmann / Fotos von Thilo Beu


Philipp Kochheim hat sich einige Gedanken gemacht über die zeitliche und räumliche Verortung seiner Neuinszenierung der Tosca, aus der Sorge heraus, "dass Puccinis Psychoschocker nicht als historischer Kostümschinken und Wunschkonzert allzu bequem konsumierbar wird" und "somit an Eindringlichkeit und Kraft verlöre". Und so betrachtete er es als seine Aufgabe, "das Werk so nah wie möglich an unsere Gegenwart heranzuholen". Anders als 2005 in Augsburg, als er Pinochets Chile bemüht hatte, schien ihm, optisch von den Politthrillern bedeutender italienischer Filmemacher inspiriert, dafür diesmal das Italien der 1970er und 1980er Jahre mit seiner Verflechtung von Staat, Mafia und Kirche angemessen (Pasolinis "Accatone" erscheint im Bühnenbild explizit auf einem Plakatständer). Dem an diesem Abend häufig gehörten "Warum nicht?" halte ich das kürzere "Warum?" entgegen: Ich weiß über diese Zeit nicht besser Bescheid als über die von Puccini und seinen Librettisten ausdrücklich vorgesehene (und Andreas K. W. Meyer bringt doch auf zwei Seiten im Programmheft einiges Licht in die historische Situation), für mich waren Ansatz und Optik insofern nicht erhellend. War es nicht vielleicht doch so, dass das Regieteam einfach Lust auf diese Zeit hatte? Und sich dann auf diese Idee versteift und sie der Vorlage aufgestülpt hat?

Szenenfoto

Noch ist das Liebesglück von Floria Tosca (Yannick-Muriel Noah) und Mario Cavaradossi (Christian Juslin) ungetrübt.

Nur auf den ersten Blick ist es nämlich originell, dass der Beginn draußen vor der Kirche spielt, dass Angelotti von der offenen Telefonzelle aus seine Flucht plant, dass Cavaradossi eine Schönheit in der Bar portraitiert und dabei seine erste Arie singt, dass er ihr einen Cocktail spendiert, dessen Rest Tosca ihm ins Gesicht schüttet, dass dauernd jemand eine Zigarette raucht und so weiter. Das alles stört nicht wirklich, aber es trägt auch nichts aus, um dem Zuschauer das eigentliche Stück näherzubringen. Schließlich hebt sich ein Teil des wuchtigen Bühnenbilds, wir dürfen doch noch in die Kirche schauen, aus der der Barbesitzer flugs seine Stühle entfernt (heilige Einfalt!), bevor auch diese verschwindet und wir zu den Klängen des Te Deum den Ermittlungen nach einem Bombenattentat beiwohnen dürfen. Solche Nebenhandlungen sind es, die den Regisseur und sein Team interessieren, dahin ist offenbar alle Energie gegangen. Und um noch einmal auf das vom Regisseur aufgebrachte Wort "Wunschkonzert" zurückzukommen: Gerade die berühmten Höhepunkte durften die Solisten überwiegend an der Rampe singen, gerade hier kam es zu erheblichem szenischen Leerlauf, gerade hier wirkten die Protagonisten verloren und von der Regie im Stich gelassen.

Szenenfoto

Scarpia (Evez Abdulla) stimmt in das Te Deum ein, dass in dieser Produktion nach einem Anschlag auf ein Auto von den Zeugen gesungen wird.

Mag man im ersten Akt noch einigen szenischen Aufwand positiv bemerken, so bekommt man im zweiten nur noch Konventionelles zu sehen: Thomas Gruber präsentiert eine cremig weiße Machtzentrale mit Designklassikern und Antikenrelief an der Wand, der etwas abschüssige Boden macht es vor allem der Primadonna in ihrer schönen, aber nicht gerade vorteilhaften und sicher ihre Beweglichkeit nicht erhöhenden Robe von Gabriele Jaenecke nicht leichter. Dass sie ihren schmierigen Peiniger mit einem Telefonkabel erdrosselt, ist einer der vielen weniger gelungenen Momente des Abends. Für den letzten Akt fällt Kochheim auch nicht mehr fiel ein, das Ganze spielt auf einem obskuren vermüllten, mit Stacheldraht gesicherten Gelände (ein weiteres überladendes, sehr altmodisch wirkendes Bühnenbild von Thomas Gruber), auf dem zweifelhafte Partisanen hausen, und natürlich springt Tosca (die Zeit genug hatte, sich noch einmal komplett umzuziehen und sogar die Ohrringe zu wechseln) nicht in den Tod, sondern benutzt einen Revolver, den sie Scarpias Schärgen entreißt.

Szenenfoto

Scarpia (Evez Abdulla) ist verrückt nach Tosca (Yannick-Muriel Noah), die den Peiniger ihres Geliebten natürlich abstoßend findet.

Die Tosca ist für Yannick-Muriel Noah eine absolute Traumpartie, hat sie in einem Interview verraten - eine Traumbesetzung ist die sympathische aus Madagaskar stammende Künstlerin (noch) nicht, dazu fehlt es ihrem zwar fülligen, aber gerade bei Tönen über dem System nicht immer durchschlagkräftigen, nicht immer intonationsgenauen Sopran an Gewicht und unterschiedlichen Farben, seiner Besitzerin an darstellerischer Raffinesse und Bühnenpräsenz. Wie entspannt sie singen kann, wie lyrisch die Stimme immer noch ist, hörte man erst im dritten Akt. Und auch ihr tief empfundenes, vom Beethoven Orchester sehr einfühlsam begleitete "Vissi d'arte" hatte sehr gelungene Momente, aber insgesamt war sie einfach noch keine die Bühne wirklich beherrschende, charismatische Tosca.

Szenenfoto

Tosca (Yannick-Muriel Noah) realisiert, dass Scarpia sie hereingelegt hat: Natürlich wurde Cavaradossi (Christian Juslin) nicht nur zum Schein erschossen.

Der Finne Christian Juslin machte als hochgewachsener Cavaradossi mit seinem metallischen, durchdringenden, vielleicht nicht immer sehr italienisch klingenden Tenor und engagiertem Spiel großen Eindruck, auch wenn im sehr expressiv gesungenen "E lucevan le stelle" der erhebliche Kraftaufwand und die Grenzen der Stimme hörbar wurden. Vokal wie darstellerisch eindimensional fand ich dagegen Evez Abdulla als Mafiagröße Scarpia, zumal auch seine Stimme nicht die größte ist und besonders in der Tiefe wenig Volumen und - wie auch die der Sopranistin - Farben hat. Eben diese werden außen auf dem ansonsten sehr schmalen Programmheft mit einem prägnanten Zitat aus dem Libretto aber beschworen ("Armonie di colori ... armonie di canti diffonderem!" - "in allen Farben der Palette ... und allen Farben des Gesanges!"). Daneben war Rolf Broman ein ordentlicher Angelotti, Priit Volmer war als Mesner die von der Regie mit der größten Aufmerksamkeit bedachte Figur (was vielsagend ist), Johannes Mertes (Spoletta), Alexey Smirnov (Sciarrone) und Hartmut Nasdala (Schließer) wirkten ebenfalls eher szenisch als dass sie vokalen Glanz verbreitet hätten (was zugegebenermaßen auch schwer ist bei den paar Phrasen). Katharina Liebhardt durfte als schwer bewaffneter Hirt nicht nur Cavaradossis letzten Brief notieren, weil ihm die zitternden Hände versagten, sondern sang auch angemessen sauber und schlicht ihre Phrasen zu Beginn des letzten Aktes. Solide präsentierte sich der Chor, auf hohem Niveau das Orchester, auch wenn die Wiedergabe der Partitur durch den Ersten Dirigenten Hendrik Vestmann (GMD Blunier wird auch einige Abende übernehmen) etwas allgemein, wuchtig und an manchen Stellen für meinen Geschmack etwas zerdehnt, aber doch nie unkontrolliert lärmend geriet.


FAZIT

Das ist eine über weite Strecken langweilige, sehr konventionelle und provinziell wirkende Tosca, die weit hinter dem formulierten Anspruch zurückbleibt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Hendrik Vestmann

Inszenierung
Philipp Kochheim

Bühne
Thomas Gruber

Kostüme
Gabriele Jaenicke

Lichtdesign
Thomas Roscher

Choreinstudierung
Volkmar Olbrich

Einstudierung Jugendchor
Ekaterina Klewitz


Chor, Kinderchor und
Statisterie
des Theater Bonn

Beethoven Orchester Bonn


Solisten


Floria Tosca
Yannick-Muriel Noah

Cavaradossi
Christian Juslin

Baron Scarpia
Evez Abdulla

Cesare Angelotti
Rolf Broman

Der Mesner
Priit Volmer

Spoletta
Johannes Mertes

Sciarrone
Alexey Smirnov

Ein Schließer
Hartmut Nasdala

Ein Hirt
Katharina Liebhardt



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