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Letzte Reise in die Erinnerung eines jungen Paares
Von Thomas Tillmann
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Fotos von Barbara Aumüller
In Japan ist Weiß die Farbe der Trauer, erklärt uns Bühnenbildner Christian Schmidt, und so "umklammern irreal-weiße, überstrahlte Räume des Todes konkretere Bilder, die den landschaftlichen und sozialen Verfall zeigen. Mit den Augen des jungen sterbenden Liebespaares unternehmen wir eine letzte Reise in deren Erinnerung", wie in einem "Kaleidoskop blickt man auf Momentaufnahmen des Lebens von Sali und Vreli", wir erleben die beiden in einer "gleichgültigen hermetischen Welt umschlossen", sie sind gefangen in ihrer Vergangenheit, ihrer abweisenden Umwelt, ihrer eigenen Seelenwelt, die sie sich erfunden haben als Gegenentwurf zur "Enge der von unfrohen Vaterfiguren dominierten Elternhäuser", und dabei gehen wie in einem "unendlichen Fluss ... Gegenwart und Vergangenheit, Realität und Wunschvorstellung" ineinander über. Das Geschehen entwickelt sich bei der Frankfurter Erstaufführung von Delius' wunderbarer Oper A Village Romeo and Juliet als Rückblende, bereits im ersten Bild sieht man das Paar tot am Küchentisch sitzen. Als Zuschauer wird man ständig zwischen den sich überlappenden Zeiten und Orten hin- und hergeworfen, ist irritiert von den vielen Inkarnationen des Paares, das in wechselnden Lebensphasen von früher Kindheit bis ins hohe Alter, mitunter auch gleichzeitig, auf der Bühne zu sehen ist, permanent sind zwei Drehscheiben auf der Bühne im Einsatz. Man wird den Eindruck nicht los, dass Eva-Maria Höckmayr der an sich ja überschaubaren Geschichte doch ein bisschen misstraut und sie aufwerten will, schade eigentlich, denn der Regisseurin gelingen jenseits von all diesem Aktivismus sehr intime, einfühlsame Momente (etwa die Trennung der Kinder, nachdem die Väter sich zerstritten haben, der Tausch von Mütze und Schal beim Treffen im Schnee, auch die Umsetzung des "Walk to the Paradise Garden", bei der das Paar sich vollständig, aber sehr geschmackvoll der Kleider entledigt), ihre Erzählweise ist sehr dicht und auf das Wesentliche konzentriert, auch was die Requisiten angeht (selbst die für Delius so zentrale Natur ist nichts weiter als ein einziger großer Baum auf dem Stück Land, das den Konflikt der Väter anstößt und auch in verkleinerter Version mehrfach wieder auftaucht, ein Wolkenprospekt kommt gelegentlich hinzu). Am Anfang und am Ende steht der Tod von Sali (Jussi Myllys) und Vreli (Amanda Majeski), den Verlockungen des schwarzen Geigers (Johannes Martin Kränzle) konnten und wollten sie nicht nachgeben.
Einen exzellenten Eindruck hinterließ Amanda Majeski als Vreli mit ihrer schlanken, aber sehr tragfähigen, glänzend fokussierten lyrischen Sopranstimme - man darf gespannt sein auf ihre Marschallin in der nächsten Saison (an der Met wird sie als Contessa debütieren). Daneben blieb Jussi Myllys doch etwas blass als Sali, obwohl auch er sehr intensiv agierte und ohne Fehl mit ebenfalls mozarterfahrenem Tenor sang. Großen Eindruck hinterließ Johannes Martin Kränzle mit seinem expressiven Bariton in der Rolle des schwarzen Geigers, einer Art Teufels- und Rattenfängerfigur, die das junge Paar für seinen Lebensentwurf des Vogelfreiseins gewinnen möchte, einen Weg, den dieses mit seinen konservativen Moral-Vorstellungen aber nicht gehen kann und will. Viel Erfahrung und Präsenz brachten der tonlich etwas blasse Dietrich Volle und Magnus Baldvinsson mit deutlich aufgerauhtem, reifen Bass als zerstrittene Väter in ihre Rollenportraits ein. Chiara Bäuml sang erstaunlich sicher die junge Vreli, Ludwig Höfle merkte man an der etwas verhangenen Stimme seine Premierennervosität an. Der "schwarze Geiger" (Johannes Martin Kränzle) weiß von einer anderen Welt, in die er das junge Paar entführen will.
Paul Daniel, seit 2013 Generalmusikdirektor des Orchestre National Bordeaux Aquitaine, ging mit großer Umsicht ans Werk und sorgte bei aller prächtigen, betörenden Klangentfaltung, die auch einige heftige Entladungen nicht scheute, dafür, dass der Graben die Bühne nicht zudeckte, und entwickelte mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester große atmosphärische Dichte bei seiner Annäherung an Delius wunderbar zwischen Spätromantik und Impressionismus changierendes, von Grieg, Debussy, Chopin und vor allem Wagner mehr als inspiriertes, aber doch ganz eigenes, exzellent orchestriertes Lyrisches Drama, das bereits 1900/1901 entstand, aber erst 1907 an der Komischen Oper Berlin in deutscher Sprache uraufgeführt wurde und 1910 in der heute gängigen englischen Fassung in Covent Garden herauskam. Sali (Jussi Myllys) ist Vreli (Amanda Majeski) in den Tod vorausgegangen.
Keine Frage, dieses bemerkenswerte Stück gehört in den Spielplan der größeren Häuser. Und wer weiß, vielleicht findet sich ja in Delius' Schaffen mehr, was den Weg zurück auf die Bühne schafft - die Oper Frankfurt stellt in einem umfangreichen Begleitprogramm unter dem Titel Oper Finale eine Vielzahl weiterer Werke zur Diskussion. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Dramaturgie
Chor
Solisten
Sali,
Vreli,
Manz,
Marti,
Der schwarze Geiger
Sali als Kind
Vreli als Kind
Erster Bauer
Zweiter Bauer/
Erste Bäuerin
Zweite Bäuerin
Dritte Bäuerin/
Pfefferkuchenfrau/
Glücksradfrau
Possenreißer/
Karussellmann
Drei Schiffer
Gerhard Singer Sung Ho Kim
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