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Musiktheater
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Jenufa

Oper aus dem mährischen Bauernleben in drei Akten (Brünner Fassung)
Libretto von Leos Janacek nach dem Drama „Jeji Pastorkyna“ von Gabriela Preissova,
deutsche Übersetzung von Max Brod
Musik von Leos Janacek

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h (Pause nach dem 1. und 2. Akt)

Premiere im Großen Haus des Musiktheaters im Revier am 22. März 2014

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Musiktheater im Revier
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Geheimnisse der Wirklichkeit

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Pedro Malinowski


„Wer sie gehört hat, wird sie nicht vergessen. Wer sie erlebt hat, wird die Welt anders begreifen.“ Diese Liebeserklärung über Jenufa, Leos Janaceks 1904 in Brünn uraufgeführte „Oper aus dem mährischen Bauernleben“ stammt von Ingo Metzmacher. Und er ist nur einer von vielen, die Janaceks Werk für eine der bedeutendsten Kompositionen des 20. Jahrhunderts halten. Seine Musiksprache ist eine einzigartige Zusammenstellung: Die Harmonien sind überwiegend leitmotivarm, von freien Modulationen getragen. Die Gesangslinie orientiert sich an der Emotionalität und Expressivität der gesprochenen Sprache, bezieht aber volksmusikalische Lied- und Tanzweisen mit ein. Dicht, abrupt im Ausdruck wechselnd und doch ununterbrochen fließend strahlt die Musik vor Eindrücklichkeit und Lebendigkeit, wie man es eigentlich nur im wirklichen Alltag nachempfinden kann.

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Jenufa wird sich der Schande der Schwangerschaft bewusst. Während der Vater des Kindes, der Lebemann Stewa seinen Rausch ausschläft, zückt der das Liebespaar eifersüchtig verfolgende Jaka schon das Messer.

Regisseur Michael Schulz gelingt in seiner Neuinszenierung dieses Ineinander aus Musik und Opernhandlung packend in Szene zu setzen. Vor allem im 2. Akt ergänzen sich Musik und Personenführung zu einem eindrücklichen Psychogramm. Wenn die wutentbrannte Küsterin und Stiefmutter in einem dramatischen Gesangsmonolog das mittägliche Suppenhuhn bearbeitet, wenn die entstellte Jenufa erkennt, dass ihr Kind nicht da ist, entstehen Szenen, die im Wechsel von Musik, Verhaltenheit und Erregung die Dichte dieses Aktes spannungsreich vor Augen führt.

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Die Küsterin überreicht ihrer Stieftochter den Schlaftrunk, um ihr anschließend das Kind zu entwenden und zu töten.

Kathrin-Susann Brose hat für dieses Seelendrama ein wunderbar zwischen Abstraktion und naturalistischer Darstellung changierendes Bühnenbild geschaffen. Zu Beginn steht ein geschlossener, von nacktem Gestänge umrahmter Container auf der Bühne, aus dem sich dann mit einem Knall ein Riesenschwall von Getreide ergießt. Im Hintergrund der Opernhandlung des 1. Aktes schaufeln Arbeiter mit dem Rücken zum Publikum in unermüdlicher, schwerer körperlicher Arbeit Getreide in Säcke. Zugleich begegnen sich Stewa und Jenufa hier verliebt und unbeschwert. Im zweiten Akt verwandelt sich der Guckkasten in eine mit einer Bodenklappe versehene, ärmliche Dachstube, deren einziger Schmuck die nahtlos aneinandergereihten religiösen Szenen an der Wand sind. Leicht fallender Schnee, klappernde Fensterländen und schließlich eine durchs Dach einfallende Schneelawine sorgen zusätzlich für ein naturalistisches Ambiente, das die verträumten Naturlyrismen der Musik Janaceks aufgreift und dramatisch weiterentwickelt. Im dritten Akt kündigen Tau- und Regengeräusche die nächste Station im Kreislauf der Jahreszeiten an. Die Containerwände sind gefallen. Der Mädchenchor stimmt ein volkstümliches Hochzeitslied mit Dudelsackquinten und Tanzrhythmen an, aber der Boden will sich nicht in einen Tanzboden verwandeln, sondern wird zur öffentlichen Bühne des Mordgeständnisses der Küsterin. Dass die von Leben und Liebe traumatisierte Jenufa nicht überschwänglich der Hochzeit mit Jaca entgegenblickt, versteht sich von selbst. So bleibt die Schlussszene, die Begegnung der Beiden verhalten und zugleich von einer neu aufkeimenden, menschlichen Wärme getragen.

Auch musikalisch überzeugt die Inszenierung. Differenziert die Instrumentierung Janaceks ausgestaltend ergießt sich die Musik wie ein musikalischer Roman. Mal derb bäuerlich, mal lyrisch stimmungsvoll, mal dramatisch und klanggewaltig rücken Rasmus Baumann und die Neue Philharmonie Westfalen die Ausdrucksfacetten der flüchtigen Klangskizzen Janaceks in den Vordergrund und schrecken auch nicht davor zurück, die Gesangsolisten zu übertönen. Mit tiefgründigem Mezzosopran verkörpert Almuth Herbst die Familienautorität der alten Buryja. Lars-Oliver Rühl singt und spielt überzeugend den betrunkenen, genussfreudigen Lebemann Stewa. Petra Schmidt ist – mit lyrisch klangschönem und dramatisch aufblitzendem Ausdruck die naiv unbeschwerte und ängstlich traumatisierte Jenufa. William Saetre bekam am Premierenabend viel Applaus für seine Charakterdarstellung des Laca Klemen. Ebenso gefeiert wurde Gudrun Pelker für ihre ausdrucksstarke, zwischen Sprech- und Gesangsstimme changierende Darbietung der Küsterin, bzw. Stiefmutter Jenufas.

FAZIT

Opernpuristen mögen Einwände gegen die filmästhetisch ausgestaltete Inszenierung haben, aber Michael Schulz und Rasmus Baumann, Chor, Orchester und Solistenensemble gelingen ein ausdrucksstarker, spannungsreicher und lebendiger Opernabend.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rasmus Baumann

Inszenierung
Michael Schulz

Bühne
Kathrin-Susann Brose

Kostüme
Renée Listerdal

Chor
Christian Jeub

Dramaturgie
Anna Melcher

 

Opernchor und Statisterie des MiR

Neue Philharmonie Westfalen

 

Solisten

Alte Buryja
Almuth Herbst

Laca Klemen
William Saetre
   
Stewa Buryja
Lars-Oliver Rühl
   
Küsterin
Gudrun Pelker
   
Jenufa

Petra Schmidt
   
Altgesell / Dorfrichter
Dong-Won Seo
   
Frau des Richters
Noriko Ogawa-Yatake
   
Karolka
Dorin Rahardja
   
Eine Magd/Barena
Jasmin Dommen
   
Jano
Betty Garcés


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