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Mirandolina

Oper in drei Akten
Nach La Locandiera von Carlo Goldoni
Musik und Text von Bohuslav Martin
ů

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Stadttheater Gießen am 30. März 2014
(rezensierte Aufführung: 12.04.2014)



Stadttheater Gießen
(Homepage)

Gasthof "Unterm Kruzifix"

Von Thomas Molke / Fotos von Rolf K. Wegst

Bohuslav Martinůs Opernschaffen fristet auf den deutschen Bühnen eher ein Schattendasein. Umso erstaunlicher ist es, dass am letzten Märzwochenende direkt an zwei Theatern Werke dieses nach Janáček bedeutendsten tschechischen Komponisten Premiere feierten. Während das Theater Bremen am Samstag mit der lyrischen Oper Juliette, die thematisch ganz dem Surrealismus des 20. Jahrhunderts verhaftet ist (siehe auch unsere Rezension),  den Anfang machte, folgte einen Tag später am Stadttheater Gießen mit Mirandolina ein Werk, das mit Blick auf das italienische Temperament in der Musik und die komödiantische Handlung einer Opera buffa näherkommt. Zwischen der Entstehung der beiden Opern liegen nahezu 20 Jahre, in denen Martinů sich 15 Jahre lang gar nicht mit diesem Genre beschäftigt hat, bevor er 1953 nach seiner Rückkehr nach Europa von der Guggenheim-Stiftung ein Stipendium für die Komposition einer neuen Oper erhielt. Infolgedessen entstand nach langer Suche nach einem geeigneten Libretto Mirandolina. Zur Uraufführung gelangte dieses Werk am Prager Nationaltheater aber erst am 17. Mai 1759, ein paar Monate vor Martinůs Tod in einem Schweizer Sanatorium.

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Mirandolina (Francesca Lombardi Mazzulli) wird vom Conte Albafiorita (Eric Laporte, links) und Marchese Forlimpopoli (Calin Valentin Cozma, rechts) umworben.

Die Handlung geht zurück auf Carlo Goldonis berühmte Komödie La Locandiera, die in Deutschland auch unter dem Namen Mirandolina bekannt ist. Martinů hat den italienischen Text mit Unterstützung des italienischen Schriftstellers Antonio Aniante und des Komponisten Eleuthere Lovreglio selbst zum Libretto umgestaltet. Mirandolina hat von ihrem verstorbenen Vater ein Gasthaus geerbt, das sie gemeinsam mit ihrem Diener Fabrizio bewirtschaftet. Während der reiche Conte Albafiorita und der verarmte Marchese di Forlimpopoli ihr den Hof machen, weil sie sie für eine gute Partie halten, zeigt sich der dritte Gast, der Cavaliere Ripafratta, eher abweisend, was Mirandolinas Interesse weckt. So setzt sie alles daran, diesen selbst erklärten Frauenfeind zu verführen. Als er schließlich ihren Avancen erliegt und ihr seine Liebe gesteht, lässt Mirandolina ihn abblitzen und verkündet, dass sie ihren Diener Fabrizio heiraten werde. Der Conte und der Marchese trösten sich mit den beiden Komödiantinnen Hortensia und Dejanira, die sich als zwei adelige Damen im Gasthaus eingemietet haben, während dem Cavaliere nichts anderes übrig bleibt, als wütend abzureisen.

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Der Cavaliere Ripafratta (Tomi Wendt) zeigt Mirandolina (Francesca Lombardi Mazzulli) die kalte Schulter.

Sicherlich ist die Handlung für eine Oper des 20. Jahrhunderts ungewöhnlich. Auch muss man nicht erwarten, dass das Stück im Stil der Commedia dell'arte erzählt wird, weil die Musik zwar Anklänge an die Opera buffa des frühen 18. Jahrhunderts aufweist, in der Rhythmik und den Melodienbögen aber doch deutliche Unterschiede aufweist. Dennoch scheint sich Andriy Zholdak bei seinem Versuch, das Stück zu modernisieren, zu vergaloppieren und stülpt der Geschichte einen rituellen religiösen Kontext über, der dort nun wirklich nichts zu suchen hat. Ausschlaggebend ist hier vor allem der Einsatz von Statisten, der für reichlich Verwirrung sorgt. Wieso ein halbnackter Jüngling und zwei Dienstmädchen an der Rückwand ständig die Pose des gekreuzigten Jesus einnehmen müssen, sie dazu auch noch mit einer weißen beziehungsweise schwarzen Blume im Haar geschmückt werden, erschließt sich genauso wenig wie die Tatsache, dass der Jüngling sich später mit einem Dienstmädchen auf dem Fußboden vergnügt oder auch mit Mirandolina leidenschaftliche Küsse austauscht. Auch die anderen Protagonisten stellen sich bisweilen wie ein gekreuzigter Heiland an die Rückwand, die zugegebener Maßen sehr weit vorne ist, da nur die Vorderbühne bespielt wird, so dass den Solisten wenig Platz zum Agieren bleibt.

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Mirandolina (Francesca Lombardi Mazzulli) liebt ihren Diener Fabrizio (Ralf Simon).

Wieso eine junge Statistin im Programmheft als Engel ausgewiesen wird, wenn sie im Vorspiel zum dritten Akt regelrecht genüsslich zwei Jünglinge abknallt und anschließend mit weiteren Schüssen ihre Körper zum Zucken bringt, bleibt genauso unklar, wie der alte Mann, der ständig über die Bühne läuft, Requisiten von der einen zur anderen Seite trägt, und dabei nach seinem Auftritt und vor seinem Abgang immer die Brille zurechtrückt und an seinem Schnurbart zieht. Sollen die beiden Mirandolina und ihren verstorbenen Vater darstellen? Schließlich überlässt Zholdak den beiden Figuren den Schluss des Abends, wenn sich die anderen Figuren nach dem eigentlichen Finale bereits in das Dunkel der dann offenen weiten Bühne zurückgezogen haben und einige Zuschauer mit einem scheuen Applaus bereits der Meinung sind, dass das Stück jetzt eigentlich zu Ende sein müsse. Da geht der alte Mann nämlich zu der jungen Frau, die auf einem Stuhl Platz genommen hat, nimmt noch einmal alles in Augenschein und verlässt gemeinsam mit ihr die Bühne, bevor der musikalische Schlussakkord nun wirklich das Ende des Abends einleitet.

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Leseprobe? (von links: Conte Albafiorita (Eric Laporte), Marchese Forlimpopoli (Calin Valentin Cozma), Mirandolina (Francesca Lombardi Mazzulli), Fabrizio (Ralf Simon), Dejanira (Stine Marie Fischer) und Hortensia (Naroa Intxausti), im Hintergrund: der "gekreuzigte" Jüngling (Glenn Buchholtz))

Dabei hätte man in dem von Zholdak und Lukas Noll konzipierten Bühnenbild trotz der Enge so viel machen können. Die beiden großen Türen auf der rechten und linken Seite und der über den Orchestergraben ragende Holzfußboden deuten an, dass dieser Gasthof einmal gute Zeiten gehabt hat. So ist die linke Tür noch in vollem Glanz erhalten, während bei der rechten Tür der Lack ab ist, was andeutet könnte, dass der Gasthof nun in einer finanziellen Krise steckt. Auch der brüchige Holzfußboden weist auf einen allmählichen Verfall des Gasthofs hin. In diesem Ambiente hätte die Handlung wunderbar auch ohne rituellen Schnickschnack stattfinden können. Auch die Szene vor der Ouvertüre, in der der Conte und der Marchese bereits um Mirandolina buhlen und diese heftig mit den beiden flirtet, macht Sinn, wobei das Stimmen des Orchesters dabei etwas störend wirkt. Aber muss man denn im dritten Akt einen Tisch mit Sprechmikrophonen auf die Bühne stellen und alle Figuren ihren Text aus dem Libretto ablesen lassen, während sie sich wie zu einem Arbeitskreis um den Tisch gruppieren? Und was bitte schön hat Angela Merkel mit der ganzen Geschichte zu tun, die auf einem großen Bild, natürlich in meditativer, wenn nicht gar betender, Pose, über den Türeingang gehängt wird? Bei diesen Ansätzen verwundert es nicht, dass sich nach der Pause die Reihen im Zuschauersaal gelichtet haben.

Musikalisch hingegen kommt man auf seine Kosten. Francesca Lombardi Mazzulli begeistert in der Titelpartie mit vollem Sopran, der in den Höhen enorme Strahlkraft besitzt. Auch darstellerisch gefällt sie als verführerische Wirtin und spielt mit ihren Reizen, soweit es Zholdaks Personenregie zulässt. Herrlich natürlich klingen bei ihr auch die gesprochenen italienischen Passagen, bei denen sie in der Intonation wirklich alle gängigen Klischees bedient. Eric Laporte und Calin Valentin Cozma statten ihre Rollen als verschmähte Liebhaber ebenfalls mit großer Komik aus. Dabei glänzt Laporte als Conte Albafiorita mit sauberen tenoralen Höhen, während Cozma den Marchese Forlimpopoli mit profunden Tiefen versieht. Tomi Wendt gefällt als Cavaliere Ripafratta mit hellem Bariton und gestaltet einen glaubhaften Wechsel vom Frauenfeind zum Verehrer Mirandolinas. Ralf Simon bleibt als Diener Fabrizio in Zholdaks Personenregie etwas blass, stattet die Partie aber mit einem ins baritonale Fach reichenden Tenor ebenfalls überzeugend aus. Auch Naroa Intxausti und Stine Marie Fischer zeigen als Hortensia und Dejanira große Bühnenpräsenz. Michael Hofstetter bringt mit dem Philharmonischen Orchester Gießen Martinůs vielschichtige Musik regelrecht zum Klingen und macht dabei deutlich, dass dieser Komponist hierzulande zu Unrecht vernachlässigt wird.

FAZIT

Vielleicht sollte man sich noch die am 30. April 2014 im Opernstudio der Bayrischen Staatsoper herauskommende Produktion ansehen, um sich ein abschließendes Urteil über die Qualitäten dieses Stückes machen zu können.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michael Hofstetter

Inszenierung, Bühne und Licht
Andriy Zholdak

Bühne und Kostüme
Lukas Noll

Licht
Christopher Moos

Dramaturgie
Christian Schröder

 

Philharmonisches Orchester
Gießen

 

Solisten

Mirandolina
Francesca Lombardi Mazzulli

Der Cavaliere Ripafratta
Tomi Wendt

Der Conte Albafiorita
Eric Laporte

Der Marchese Forlimpopoli
Calin Valentin Cozma

Fabrizio
Ralf Simon

Hortensia
Naroa Intxausti

Dejanira
Stine Marie Fischer

Der Diener des Cavaliere
Vepkhia Tsiklauri

Zwei Dienstmädchen
Myriel Bischoff
Theresa Gehring

Ein Engel
Jemina Coletta

Ein alter Mann
Klaus Peter Unfried

Jünglinge
Simon Brombach
Florian Moll
Glenn Buchholtz


Weitere
Informationen

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Stadttheater Gießen
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