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Dance Celebration!

10 Jahre balletthagen mit Ricardo Fernando

Aufführungsdauer: ca. 2 h 40' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 19. Oktober 2013
(rezensierte Aufführung: 08.11.2013)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Höhepunkte aus 10 Jahren Ballettgeschichte

Von Thomas Molke / Fotos von Stefan Kühle (Rechte Theater Hagen)

10 Jahre ist es mittlerweile her, dass Ricardo Fernando als Ballettdirektor nach Hagen kam, und man möchte sich nicht ausmalen, was wohl ansonsten mit der Tanzsparte in Hagen passiert wäre. Seine Vorgängerin Renate Killmann hatte mit ihrem "Tanztheater" das Hagener Publikum nicht erreicht und hinterließ bei ihrem Weggang einen Bereich, der in den kommenden Jahren sicherlich dem Sparzwang zum Opfer gefallen wäre, wenn nicht dieser charismatische Brasilianer mit seinem Temperament und seinem Zugang zum Publikum die Hagener Ballett-Compagnie aus der Bedeutungslosigkeit herausgeführt und ihr sogar überregionale Aufmerksamkeit verschafft hätte, so dass seitdem auch der hochmotivierte Förderverein der "Ballettfreunde Hagen" sich allen finanziellen Zwängen zum Trotz für den Erhalt dieser Sparte einsetzt. Dabei sind diese Erfahrungen für Fernando nicht neu. Als er 1993 sein erstes Engagement als Ballettdirektor in Bremerhaven antrat, wurde er direkt nach ein paar Wochen mit der Tatsache konfrontiert, dass die Sparte gestrichen werden solle. Aber er kämpfte, organisierte eine Gala zum Kennenlernen der Compagnie und verzauberte das Publikum so sehr, dass es vehement für den Erhalt des Balletts eintrat. Und sein Einsatz zeigte Wirkung. In Bremerhaven gibt es die Ballettsparte immer noch. So darf man auch in Hagen optimistisch sein und das 10-jährige Jubiläum Fernandos mit einem "Best Of" der vergangenen Jahre feiern.

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Eunji Yang und Shinsaku Hashiguchi im Pas de deux aus Giselle

Aus den vergangenen zehn Jahren hat Fernando mit Auszügen aus seinen diversen Choreographien ein buntes Paket geschnürt, das das ganze Spektrum vom klassischen Handlungsballett bis zum modernen Ausdruckstanz abdeckt und damit die Vielseitigkeit der Compagnie unter Beweis stellt. Die besondere Herausforderung bestand dabei darin, dass zum einen der größte Teil der Tänzerinnen und Tänzer neu ist und somit die nahezu 200 Kostüme, die aus den damaligen Produktionen für diesen bunten Abend benötigt wurden, zwar noch vorhanden waren, allerdings abgeändert oder neu angefertigt werden mussten. Zum anderen stellte sich die Frage, wie man die damaligen Bühnenbilder, die jeweils wichtiger Bestandteil der Choreographie waren, umsetzen sollte. Ausstatter Peer Palmowski hat auch dafür eine Lösung gefunden und bietet für jede einzelne Sequenz einen kleinen Teil des damaligen Bildes, der bei den Zuschauern, die das jeweilige Stück in früheren Spielzeiten gesehen haben, einen Wiedererkennungswert hat, und dem Betrachter, für den die Choreographie neu ist, die szenische Atmosphäre der damaligen Produktion vermittelt. Dabei wird auf die Spiegel, die die Tanzminiaturen in dem Ballettabend Bach tanzt zu den Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach beherrschen, genauso wenig verzichtet wie auf den "Setzkasten" für Ravels Bolero aus dem Ballettabend All You Need is Dance und der Tango-Bar in Tangomania.

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Ensemble in "Escualo" aus Tangomania

Die Auszüge aus den einzelnen Choreographien werden an dem Abend nicht chronologisch oder thematisch präsentiert, sondern in einer Reihenfolge, die wohl organisatorischen Gründen wie Kostüm- und Bühnenbildwechsel geschuldet ist. Somit steht der berühmte Tango-Abend, mit dem Fernando in der Spielzeit 2003 / 2004 die Ballett-Renaissance in Hagen einleitete, nicht am Beginn des Abends. Fernando greift auch nicht direkt auf Choreographien aus dem ersten Tanzstück Tango zurück, sondern wählt die Bearbeitung aus der Spielzeit 2008 / 2009 unter dem Titel Tangomania. Gleichwohl war die komödiantische Choreographie zu dem berühmten Stück "La Cumparcita", bei der man nur die Beine von drei Tango-Paaren in athletischen Verrenkungen sieht, bereits Bestandteil von Fernandos erster Inszenierung, mit der er die Sympathien des Publikums im Flug eroberte. Auch das zweite Stück "Libertango", bei dem die 12 Tänzerinnen und Tänzerin in einem Karree sitzen und in der Bewegungsabfolge auf und um die Stühle enorme Homogenität beweisen, dürfte langjährigen Besuchern noch aus dem ersten Ballettabend bekannt sein. Schade ist, dass die aufwendig aufgebaute Tango-Bar mit dem schräg darüber angebrachten Spiegel nur als Dekoration fungiert und nicht wie damals in den Tanz mit einbezogen wird. Wer den Abend nämlich früher gesehen hat, wird sich daran erinnern, dass auf dieser Bar ebenfalls faszinierende Tanzsequenzen zu sehen waren.

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Bobby Briscoe in "Lascia ch'io pianga" aus All You Need is Dance

Der besondere Reiz des Abends liegt darin, dass die einzelnen Tänzerinnen und Tänzer des recht kleinen Ensembles in den verschiedenen Choreographien die Möglichkeit bekommen, sich auch solistisch zu präsentieren, eine Chance, die man im Corps de ballet einer großen Compagnie eher selten erhält. So wechseln sich an diesem Abend Ensembles, Soli und Duette in lockerer Folge ab und lassen jedes einzelne Mitglied der Compagnie auch einmal im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Zu erwähnen sind hier Bobby Briscoe, der zu der berühmten Arie "Lascia ch'io pianga" aus Georg Friedrich Händels Rinaldo einen bewegenden modernen Ausdruckstanz präsentiert, der die Trauer der Musik wunderbar aufgreift, und Péter Matkaiscek, der in einer Variation einer Bach-Suite mit großem, komischem Talent virtuose Sprünge vorführt. Dass die Compagnie auch das klassische Repertoire mit sauberem Spitzentanz beherrscht, beweisen Eunji Yang und Shinsaku Hashiguchi in ihrem Pas de deux aus Giselle, in dem Yang als tote Giselle Hashiguchi als unglücklichem Albrecht erscheint und ihn veranlasst, ihr in den Wald zu folgen. Ebenso vertreten ist die klassische Moderne mit dem Pas de deux aus Strawinskys Der Feuervogel mit Hayley Macri als Feuervogel und Leszek Januszewski als Prinz. Einen ganz anderen Stil präsentieren Tiana Lara Hogan und Brendon Feeney als Liebespaar in "Midnight Lullaby" von Tom Waits aus Fernandos Choreographie Underground, wo ein Traum eines Paares sich zu einem bewegenden Pas de deux entwickelt.

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Ensemble in Ravels Bolero

Neben den solistischen Einlagen weiß die Compagnie auch in den Ensembles mit teils großer Komik, teils purer Lebensfreude zu überzeugen. Zu nennen ist hier der Auszug aus Prelude to War mit der Musik von Bear McCreary, in dem die Tänzerinnen und Tänzer nicht nur die rhythmischen Trommelklänge in ausdrucksstarken Bewegungen umsetzen, sondern mit den langen Holzstangen auch noch absolut synchron den Rhythmus der Trommeln aufgreifen. Als komödiantische Einlage begeistert das Ensemble in "Deutscher Tanz Nr. 6 KV 571" von Mozart aus dem Ballettabend Amadé, in dem die Tänzer mit weißen Barockperücken und exaltierten Bewegungen über die Bühne wirbeln, während die Tänzerinnen in Reifröcken die übertriebenen Bewegungen aufgreifen. Pure Lebensfreude erlebt man dann in den Auszügen aus dem Stück Beatles 4 Ever, wenn es die Zuschauer bei "Sgt. Pepper" kaum noch auf den Sitzen hält. Der Abschluss ist natürlich dem großartigen "Bolero" von Ravel vorenthalten, der ebenfalls aus dem Ballettabend All You Need is Dance stammt und nicht nur bei den Ballettfreunden Hagen als "Lieblingschoreographie" der Compagnie zählt. Wie die Tänzerinnen und Tänzer in sechs unterschiedlichen "Kästen" eines Setzkastens die langsam anschwellende Musik in Bewegungen umsetzen, bis sie irgendwann alle in demselben Kasten landen, aus dem sie am Ende regelrecht eruptiv ausbrechen, hat auch nach sechs Jahren nichts von seinem Reiz verloren und reißt das Publikum zu frenetischem Applaus hin. Am Ende holt die Compagnie auch den Jubilar auf die Bühne, der vom Publikum ebenfalls begeistert gefeiert wird.

FAZIT

Für diejenigen, die seit zehn Jahren die Arbeit des Hagener Balletts verfolgen, lässt dieser Abend wunderbare Erinnerungen an Fernandos Choreographien der letzten Jahre wach werden. Für diejenigen, die die alten Choreographien nicht kennen, könnte dieser Abend den Beginn einer neuen Liebe zum Hagener Tanztheater markieren.



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Produktionsteam

Inszenierung und Choreographie
Ricardo Fernando

Ausstattung
Peer Palmowski

Dramaturgie
Maria Hilchenbach

 

*rezensierte Aufführung

Bach tanzt: Tanzminiaturen
Musik von Johann Sebastian Bach
(Goldberg-Variationen)

Tänzerinnen und Tänzer

Opening (Aria)
Ensemble

Duett (Variation 5)
*Hayley Macri /
Eunji Yang
*Péter Matkaiscek /
Shinsaku Hashiguchi

Triple Duett (Variation 25)
*Sandra Resende /
Melanie Lopez
*Brendon Feeney /
Marco Barbieri
*Debora Buhatem /
Hayley Macri
*Leszek Januszewski /
Tomoaki Nakanome
*Eunji Yang /
Hayley Macri
*Shinsaku Hashiguchi /
Péter Matkaiscek

Finale (Variation 30)
Ensemble

Carmina Burana
Musik von Carl Orff

Tänzer

Solo
*Bobby Briscoe /
Brendon Feeney

Finale
Ensemble

Shortcuts: Präludium für ein Requiem
Musik von Henryk Mikolaj Gorecki
(Streichquartett Nr. 2 op. 64
"Quasi una fantasia"
)

Tänzerinnen und Tänzer

Duett
*Melanie Lopez /
Ana Rocha Nené
*Huy Tien Tran /
Leszek Januszewski

Dance in Motion: Motion
Musik von Motion Trio

Tänzerinnen und Tänzer

Train to Heaven
Ensemble

Nighthawks: Underground
Musik von Tom Waits

Tänzerinnen und Tänzer

Midnight Lullaby
*Tiana Lara Hogan /
Eunji Yang
*Brendon Feeney /
Shinsaku Hashiguchi

Blue Valentine
Carla Silva /
*Ana Rocha Nené
Huy Tien Tran /
*Péter Matkaiscek

Chick-a-Boom
Ensemble

Der Feuervogel: Pas de deux
Musik von Igor Strawinsky

Tänzerinnen und Tänzer

*Hayley Macri /
Eunji Yang
*Leszek Januszewski /
Shinsaku Hashiguchi

All You Need is Dance: Beatles 4 Ever
Musik von The Beatles

Tänzerinnen und Tänzer

Triple Duett
*Tiana Lara Hogan /
Eunji Yang
*Péter Matkaiscek /
Shinsaku Hashiguchi
*Ana Rocha Nené /
Melanie Lopez
*Brendon Feeney /
Bobby Briscoe
*Debora Buhatem /
Sandra Resende
*Marco Barbieri /
Tomoaki Nakanome

Let it be
Ensemble

Sgt. Pepper
Ensemble

Tangomania
Musik von Gerardo Matos Rodriguez /
Roberto Firpo, Astor Piazzolla

Tänzerinnen und Tänzer

La Cumparcita
Ensemble

Libertango
Ensemble

Escualo
Ensemble

Giselle: Pas de deux
Musik von Adolphe Adam

Tänzerinnen und Tänzer

*Eunji Yang /
Melanie Lopez
*Shinsaku Hashiguchi /
Leszek Januszewski

Rituale: Les Noces
Musik von Igor Strawinsky

Tänzerinnen und Tänzer

Braut
*Tiana Lara Hogan /
Hayley Macri

Bräutigam
*Bobby Briscoe /
Brendon Feeney

Ensemble

Shortcuts: Drumming and Voices
Musik von Johann Sebastian Bach / Uakti
(Suite No. 2 em Si Menor)

Tänzer

Solo
*Péter Matkaiscek /
Shinsaku Hashiguchi

Three Faces: Prelude to War
Musik von Bear McCreary

Tänzerinnen und Tänzer

Aquarium-Duett
Carla Silva /
*Eunji Yang
Brendon Feeney /
*Marco Barbieri

Opening
Ensemble

Voices: Pas de deux
Musik von Pust

Tänzerinnen und Tänzer

*Ana Rocha Nené /
Melanie Lopez
*Huy Tien Tran /
Brendon Feeney

Amadé: Deutscher Tanz Nr. 6 KV 571
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

Tänzerinnen und Tänzer

Ensemble

All You Need is Dance: Lascia ch'io pianga
Musik von Georg Friedrich Händel

Tänzer

Solo
*Bobby Briscoe /
Tomoaki Nakanome /
Brendon Feeney

All You Need is Dance: Bolero
Musik von Maurice Ravel

Tänzerinnen und Tänzer

Ensemble


 

Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




Da capo al Fine

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