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Don Pasquale

Komische Oper in drei Akten 
Text von Giovanni Ruffini und Gaetano Donizetti
nach dem Libretto von Angelo Anelli zu dem Dramma Giocoso Ser Marcantonio von Stefano Pavesi

Musik von Gaetano Donizetti

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 30' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 16. November 2013


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Und am Ende kriegt er sie doch

Von Thomas Molke / Fotos von Stefan Kühle (Rechte Theater Hagen)

Als Gaetano Donizetti Don Pasquale komponierte, konnte er bereits auf ein umfangreiches Opernschaffen aus über zwei Jahrzehnten zurückblicken. Von daher mag es verwundern, dass er mit seiner letzten komischen Oper scheinbar einen Rückschritt zur Opera Buffa machte, die mit dem Personal aus der Commedia dell'arte die Form der komischen Operntradition des vergangenen Jahrhunderts wieder aufgriff. Allerdings scheint es nicht sinnvoll, diese Tatsache irgendeiner Bequemlichkeit oder Schwäche des Komponisten zuzuschreiben, der seit 1842 an Lähmungen und Krämpfen litt, die ihn schließlich 1846 ins Irrenhaus Ivry brachten. Dafür ist die musikalische Gestaltung zu farbenreich und zeichnet Donizetti als versierten Meister aus, der zu Recht als Bindeglied zwischen Rossini und Verdi betrachtet wird.

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Don Pasquale (Rainer Zaun, rechts hinten) hat das Lotterleben seines Neffen Ernesto (Kejia Xiong, vorne) satt.

Die Handlung greift ein Dramma Giocoso von Stefano Pavesi wieder auf, das unter dem Titel Ser Marcantonio nahezu 30 Jahre zu den erfolgreichsten komischen italienischen Opern der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zählte und sich sogar gegen Rossini behaupten konnte (Rossini in Wildbad präsentierte dieses Werk 2011, siehe auch unsere Rezension). Dabei werden die Figuren, deren Zeichnung bei Pavesi doch eher dem 18. Jahrhundert behaftet war, durch zeitgemäßere Charaktere ersetzt. Don Pasquale möchte trotz seines fortgeschrittenen Alters noch einmal heiraten. Daher ist für seinen Neffe Ernesto, der sich als Schmarotzer bei dem wohlhabenden Onkel eingenistet hat, kein Platz mehr im Haus. Pasquales Arzt und "Freund", Dr. Malatesta, schmiedet einen Plan, um den alten Mann von seinen Heiratsabsichten abzubringen. Er überredet die junge Norina, die in Ernesto verliebt, aber genauso mittellos ist wie er, Pasquale eine sanftmütige und bescheidene Klosterschülerin vorzuspielen, die dieser vom Fleck weg heiraten will. Nachdem ein fingierter Ehevertrag aufgesetzt worden ist, macht sie Pasquale das Leben mit ihrer Verschwendungssucht zur Hölle, bis dieser schließlich bereit ist, alles zu tun, um sie wieder loszuwerden. So gibt er schließlich auch die Zustimmung, die junge Frau mit seinem Neffen zu verheiraten und offeriert beiden eine großzügige Rente.

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Don Pasquale (Rainer Zaun, Mitte) prüft in Anwesenheit von Dr. Malatesta (Raymond Ayers, rechts) seine Auserwählte (Maria Klier).

Annette Wolf scheint, mit der Aussage des Stückes in der heutigen Zeit einige Probleme zu haben. Zum einen kann sie die Moral, dass Liebe im Alter lächerlich sei und Don Pasquale folglich für sein Ansinnen bestraft werden müsse, nicht ganz teilen. Zum anderen wird auch Ernesto im Libretto keineswegs als sympathischer Charakter gezeichnet, mit dem man mitleiden kann, so dass ein Happy End für ihn und Norina ebenfalls nicht erstrebenswert scheint. Schließlich unternimmt er nichts, um auf eigenen Beinen zu stehen, sondern führt bei seinem Onkel ein regelrechtes Lotterleben. Trotzdem zeigt sein Onkel noch so viel Fürsorge, dass er ihn immerhin mit einer reichen Frau verheiraten will, um ihn versorgt zu wissen, bevor er ihn hinauswirft, nachdem der Neffe auch dieses eigentlich recht großzügige Angebot des Onkels ausgeschlagen hat. Wenn Ernesto dann vor die Tür gesetzt worden ist, kämpft er keineswegs um die geliebte Norina, sondern ergibt sich leidend seinem Schicksal und will lieber die Stadt und damit auch Norina verlassen. Don Pasquale hingegen ist so blind vor Liebe, dass er der frisch angetrauten Ehefrau sofort die Hälfte seines Vermögens überschreibt und sie frei schalten und walten lässt. Da wirkt es doch eher rücksichtslos und ungerecht von Norina, solche Großzügigkeit so schamlos auszunutzen.

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Don Pasquale (Rainer Zaun, links) will mit Dr. Malatesta (Raymond Ayers, rechts) seine Braut der Treulosigkeit überführen.

Und Dr. Malatesta? Auch wenn der Name auf eine adelige Familie in der Romagna in Italien anspielen mag, lässt er sich bei Zerlegung in seine Bestandteile - "mala" für schlecht und "testa" für Zeuge oder Zeugnis - doch als negativer Charakter auffassen. Bei ihm wird überhaupt nicht motiviert, wieso er Pasquale eigentlich von dessen Heiratsabsichten abbringen will. Schließlich profitiert er von einer Verbindung zwischen Norina und Ernesto in keiner Weise, während Pasquale ihm vertraut und dieses Vertrauen finanziell für ihn sicherlich lukrativer sein dürfte. Wieso fädelt er also dieses Spiel ein? Findet er es wirklich so lächerlich, dass Pasquale in seinem Alter noch einmal auf Freiersfüßen wandeln will, dass die Lektion, die er ihm erteilt, angebracht ist? Wolf betrachtet es wohl eher als albernen Jungenstreich. So lässt sie am Ende, nachdem Pasquale von den Jungen "besiegt" worden ist, Malatesta gemeinsam mit Ernesto an einer Playstation spielen, was bei Norina im Rondo-Finale dazu führt, dass sie sich trotz der vorgetragenen Moral, dass alte Männer nicht mehr freien sollten, am Ende doch für Don Pasquale entscheidet und mit ihm die Bühne verlässt, wobei Malatesta und Ernesto so in ihr Spiel vertieft sind, dass sie dies noch nicht einmal bemerken.

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Romantik sieht anders aus: Norina (Maria Klier) und Ernesto (Kejia Xiong) beim Stelldichein im Garten (im Hintergrund hinter den Büschen: der Chor).

Das Bühnenbild von Lena Brexendorff greift die Idee des Spiels im Spiel auf, indem sowohl in Don Pasquales Wohnung als auch im Garten ein Podest aufgebaut ist, das wie eine Theaterbühne wirkt. Hier spielt also jeder eine Rolle. Wenn Norina hier als Sofronia auftritt, wird auf beiden Seiten der Bühne jeweils eine Reihe Kinosessel aufgebaut. Norina scheint in diesem Spiel die Hauptakteurin zu sein. So findet auch ihr erster Auftritt auf einer Theaterbühne statt. Die zahlreichen Kostüme, die sie im folgenden anlegt, sind Zeichen für die unterschiedlichen Rollen, die sie spielt, ohne dass man eigentlich irgendetwas über Norinas Charakter erfährt. Ist sie wirklich der Vamp, als der sie sich in ihrem eng ansitzenden Leoparden-Outfit nach der fingierten Hochzeit präsentiert oder nur ein einfacher Teenager in engem Top und kurzem Jeans-Rock, der Kleidung, die sie nach ihrem ersten Auftritt trägt, bevor sie mit Malatesta den Schwindel plant? Dass sie sich als Sofronia in einem ausladenden und aufwendig gestalteten Rokokokleid mit rosa Perücke präsentiert, mag eine Anspielung an die Zeit sein, in der Donizetti seine Oper angesiedelt hat. Warum allerdings beim Chor der Dienstboten die weißen Kostüme teilweise mit Versatzstücken von Clowns aus der Zirkuswelt geschmückt sind, bleibt genauso unklar, wie die Küchenzeile mit Waschmaschinen, Elektroherd und Einbauschränken, auf denen in mehreren Töpfen Spaghetti gekocht werden, in denen sich der Chor dann verheddert.

Natürlich lebt dieses Stück von den Darstellern, und man kann dem Theater Hagen bescheinigen, dass es aus seinem Ensemble eine ideale Besetzung zusammengestellt hat. Mit großer Neugier hat man auf den ersten großen Auftritt des neuen Tenors im Hagener Ensemble, Kejia Xiong, gewartet, der sich nach einem kleineren Part in der Meisterfeier! nun als Ernesto in seiner ersten Hauptrolle präsentiert. Mit lyrischem Tenor gestaltet er den Neffen mit großem Spielwitz und macht darstellerisch deutlich, dass dem jungen Mann mehr an materiellen Dingen als an Norina gelegen ist. Nach leichter Nervosität am Anfang singt er auch die hohen Passagen seiner Partie sauber aus, ohne dabei zu quetschen. Maria Klier gibt eine kokette Norina, die nicht nur optisch eine sehr gute Figur macht, sondern die Partie auch mit jugendlich leichtem Sopran ausstattet. So lässt sie die Koloraturen perlen, hat allerdings auch keine Probleme, zu einer Furie zu mutieren.

Raymond Ayers legt den Malatesta recht jugendlich an und gestaltet ihn mit beweglichem und kräftigem Bariton. Leider hat er bei dem großen Duett mit Don Pasquale im dritten Akt "Cheti, cheti immantinente", in dem die beiden planen, Norina / Sofronia der Treulosigkeit zu überführen, in den Parlando-Stellen kleine Probleme mit den Tempi. Gleiches gilt auch für Rainer Zaun in der Titelpartie, so dass sich dieses Duett nicht zum Höhepunkt des Abends entwickeln kann. Ansonsten ist Zaun allerdings darstellerisch und stimmlich eine Idealbesetzung. Wie er sich von einem Greis im Rollstuhl, dessen einzige Beschäftigung  während der Ouvertüre darin besteht, mit griesgrämigem Gesicht zur Decke zu starren und zu beobachten, wie die Zeit vergeht, wo zwei braune Tannenzapfen den unteren Teil einer großen Uhr andeuten, zu einem virilen Alten entwickelt, dessen Lebensgeister durch die Vorstellung einer neuen Liebe neu erwachen, wird von Zaun mit dem ihm ganz eigenen komischen Talent umgesetzt, das ihn zu einem idealen Buffo-Darsteller macht. David Marlow führt das Philharmonische Orchester Hagen mit leichter Hand durch die spritzige Partitur, und auch der von Wolfgang Müller-Salow einstudierte Chor überzeugt mit großer Spielfreude, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Annette Wolfs Inszenierung bereitet aufgrund des spielfreudigen Ensembles großen Spaß, so dass man ihr auch verzeiht, dass sie das Ende dahingehend abändert, dass man mit der Aussage des Stückes auch in der heutigen Zeit noch leben kann.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
David Marlow

Inszenierung
Annette Wolf

Bühnenbild und Kostüme
Lena Brexendorff

Licht
Ernst Schießl

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Dorothee Hannappel

 

Chor und Statisterie
des Theater Hagen

Philharmonisches Orchester
Hagen


Solisten

Don Pasquale
Rainer Zaun

Dr. Malatesta
Raymond Ayers

Ernesto, Don Pasquales Neffe
Kejia Xiong

Norina
Maria Klier

Ein Notar
Ks. Horst Fiehl


 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
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