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Jesus Christ Superstar

Rockoper in zwei Akten
Gesangstexte von Tim Rice
Musik von Andrew Lloyd Webber

in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 10' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 18. Januar 2014
(rezensierte Aufführung: 29.01.2014)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Über den Wolken

Von Thomas Molke / Fotos von Stefan Kühle (Rechte Theater Hagen)

Nachdem das Theater Hagen vor zwei Spielzeiten mit einer Neuinszenierung der Rocky Horror Show einen großen Coup gelandet hat, der nicht nur für ausverkaufte Vorstellungen sorgte, sondern auch in dieser Saison erneut ins Programm aufgenommen worden ist, versucht man nun, mit Andrew Lloyd Webbers Rockoper Jesus Christ Superstar an diesen Erfolg anzuknüpfen. Den Stellenwert dieser Produktion für das Haus unterstreicht zum einen die Tatsache, dass Thilo Borowczak, der leitende Regisseur des Hauses, für die Inszenierung verantwortlich zeichnet, zum anderen, dass die Choreographien für die Ensembles vom Ballettdirektor Ricardo Fernando höchstpersönlich entwickelt worden sind. Doch während das rockig aufspielende Philharmonische Orchester Hagen unter der Leitung von Steffen Müller-Gabriel und die zahlreichen Ensemblemitglieder, die durch zwei Gastsolisten für die Partien des Jesus und des Judas sowie Studierende und Absolventen der Hochschule für Musik Osnabrück unterstützt werden, in der musikalischen Umsetzung keinerlei Wünsche offen lassen, hat Borowczaks Inszenierung sowohl Licht- als auch Schattenseiten.

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"I Don't Know How to Love Him": Maria Magdalena (Marilyn Bennett) und Jesus (Hannes Staffler)

Borowczak bezieht sich in seinem Regie-Konzept auf Webbers formulierte Absicht, "Christus unter die Leute zu bringen" und ihn als Mensch "begreifbarer zu machen". Deshalb verzichtet Lena Brexendorff in den Kostümen auch auf jedweden historisierenden Bezug und lässt Jesus und seine Jünger als Menschen der Flower-Power-Generation auftreten, die einem Leben im Rausch von Drogen und Alkohol nicht abgeneigt sind. In dieser Gesellschaft wirkt Maria Magdalena schon nahezu bieder. Wo diese letzten sechs Tage in Jesus' Leben, das großteilig mit Judas' Augen gesehen wird,  in dieser Inszenierung aber eigentlich spielen sollen, bleibt das große Rätsel dieser Inszenierung. Während der Ouvertüre und Judas' anschließendem Song "Heaven on Their Minds", in dem dieser Jesus' Vorgehen in Frage stellt, wird eine große Wolkendecke auf einen Prospekt vor der Bühne projiziert, der sich im Bühnennebel, im dem Judas nahezu kaum zu erkennen ist, fortsetzt. Sind das die "luftigen Höhen der Kirchenfenster", aus denen Webber nach eigenem Bekunden die Figur des Jesus in seiner Passionsgeschichte in die Realität herabholen will?

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Herodes (Richard van Gemert, Mitte) verhöhnt Jesus (Hannes Staffler, links).

Oder befinden wir uns auf einem Flughafen in Jerusalem? Die schwarzen montierten Stühle auf der Bühne und die an den Wänden angebrachten Symbole scheinen dies anzudeuten. Durch Einsatz der Drehbühne werden hier unterschiedliche Räumlichkeiten sichtbar. Da ist zum einen ein abgeschlossener Raum mit einem riesigen Fernseher, auf dem Nachrichten eingeblendet werden, in dem die Priester gemeinsam mit Kaiaphas und Hannas überlegen, wie sie mit dem Aufrührer Jesus verfahren sollen und zu dem Entschluss kommen "This Jesus Must Die", zum anderen die große Wartehalle, in dem Jesus' Anhänger mit "Hosanna" ihn als Superstar feiern, während bunte Papierfetzen wie Blumenblätter aus dem Schnürboden herabregnen. In der Szene mit König Herodes lässt dann die Rocky Horror Show grüßen, wenn Herodes (wunderbar komisch: Richard van Gemert) in einem quietschgelben Kostüm dem Kussmund-Sofa entsteigt, auf dem schon Frank 'n' Furter seinen großen Auftritt hatte.

Wieso bei der Kreuzigung dann Nonnen auftreten, bleibt ein weiteres Geheimnis der Inszenierung. Die hellgrünen Kreuze, die sie tragen, setzen sich in den grünen Nägeln fort, mit denen Christus an das stilisierten Kreuz genagelt wird, auch wenn das Podest, das er dabei besteigt, eher an eine Autobatterie erinnert. Ist die Farbe Grün bereits das Zeichen für die Auferstehung? Oder grünt das Kreuz bereits als Zeichen der Erlösung wie der Stab des Papstes beim Tannhäuser? Dass Judas, wenn er nach seinem Selbstmord aus dem Jenseits in dem Song "Superstar" Jesus noch einmal befragt, wieso alles so kommen musste, wie ein Popstar der 70er Jahre im silbernen Glitzerkostüm mit weißen Haaren auftritt, passt dabei schon eher zu der Vermarktung des Erlösers als Superstar.

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Der Judas-Kuss: Judas (Carsten Lepper, rechts) und Jesus (Hannes Staffler)

Besonders eindringlich gelingt die "Gethsemane"-Szene, in der Jesus nach dem letzten Abendmahl mit seinen Jüngern in seiner Einsamkeit zu verstehen versucht, warum ihm dieser Leidensweg vorherbestimmt ist. Hier leistet Hannes Staffler stimmlich und darstellerisch Unglaubliches. Seine Stimme, die die innere Zerrissenheit des Erlösers absolut glaubwürdig einfängt, geht regelrecht unter die Haut. Gleiches gilt für Carsten Lepper als Judas, wenn er in dem Song "Judas' Death" erkennt, dass er als Werkzeug für die Verwirklichung eines höheren Plans missbraucht worden ist und in seiner Verzweiflung nur noch den Freitod als Ausweg sieht. Lepper setzt diesen Song ebenfalls absolut bewegend um. Gewissermaßen als Versöhnung zwischen diesen beiden Protagonisten lässt Borowczak Judas nach der Kreuzigung erneut auftreten und Jesus in seinen Armen sterben.

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Jesus (Hannes Staffler, vorne) stirbt in Judas' (Carsten Lepper, hinten) Armen.

Ein hervorragendes Rollenportrait liefert auch Rainer Zaun als Pontius Pilatus. In seinem weißen glitzernden Anzug wirkt er wie ein schmieriger Fernsehmoderator, der sich geschickt seiner Aufgabe zu entziehen versucht. Wenn er im "Trial before Pilate" mit 39 Peitschenhieben verzweifelt versucht, ein Geständnis aus Jesus herauszuprügeln und dann unter dem Druck des Volkes, das ihn von den Rängen aus beeinflusst, Jesus aufgeben und der Hinrichtung übergeben muss, stellt Zaun das Unbehagen des Präfekten absolut glaubhaft dar und zeigt, dass er neben dem komischen Buffo-Fach auch ernste Charaktere beherrscht. Marilyn Bennett gestaltet Maria Magdalena mit einem warmen Mezzo, der vor allem bei dem besänftigenden "Everything's Alright" zur Geltung kommt. Dass auch sie vor Jesus, der ihr Leben verändert hat, eine gewisse Angst hat, macht Bennett in dem wunderbar interpretierten "I Don't Know How to Love Him" deutlich. Orlando Mason stattet den Hohepriester Kaiaphas mit einem dunklen Bass aus, der der Schwärze des Charakters voll gerecht wird. Tillmann Schnieders rundet als stets gewaltbereiter Simon Zelotes das Solisten-Ensemble hervorragend ab. Die Chorpassagen und Choreographien punkten vor allem durch große Homogenität, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Musikalisch ein großer Abend, der szenisch allerdings nicht in jeder Hinsicht überzeugt



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Steffen Müller-Gabriel

Inszenierung
Thilo Borowczak

Bühnenbild und Kostüme
Lena Brexendorff

Choreographie
Ricardo Fernando

Video
Volker Köster

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Dorothee Hannappel

 

Chor und Statisterie
des Theater Hagen

Philharmonisches Orchester
Hagen


Solisten

Jesus
Hannes Staffler

Judas
Carsten Lepper

Maria Magdalena
Marilyn Bennett

Pontius Pilatus
Rainer Zaun

Herodes
Richard van Gemert

Kaiaphas
Orlando Mason

Hannas
Kejia Xiong

Petrus
Christian Bindert

Simon Zelotes
Tillmann Schnieders

Erster Priester
Sebastian Joest

Zweiter Priester
Tae-Hoon Jung

Dritter Priester
Werner Hahn

Mädchen am Feuer
Hannah Noack

Soldat
Bernhard Stahlschmidt-Drescher

Alter Mann
Sebastian Joest

Jünger
Dirk Achille
Jürgen Brehm
Johan de Bruin
Marcel Kaiser
Matthias Knaab
Wolfgang Niggel
Matthew Overmeyer
Emanuele Pazienza
Bernd Stahlschmidt-Drescher

Frauen bei Jesus
Lisandra Bruhns
Angelika Linder
Hannah Noack
Elena Otten
Franziska Vosseler


 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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