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Musiktheater
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Orontea

Dramma musicale in einem Prolog und drei Akten
Text von Giacinto Andrea Cicognini

Musik von Antonio Cesti

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Eine Produktion des Internationalen Opernstudios der Hamburgischen Staatsoper

Premiere in der Opera stabile am 5. Juli 2014

 

Logo: Staatsoper Hamburg

Hamburgische Staatsoper
(Homepage)

Frühbarocke Liebeswirren im Theater

Von Thomas Molke / Fotos von Werner Hinniger

Antonio Cesti galt zu seiner Zeit als führender Opernkomponist Italiens nach Monteverdi. Bis ins späte 17. Jahrhundert wurden seine Werke auf zahlreichen italienischen Bühnen nachgespielt, bis sie für Jahrhunderte in den Archiven verschwanden und erst im Zuge der Monteverdi-Renaissance im 20. Jahrhundert wiederentdeckt wurden. Sein wohl berühmtestes Werk Orontea wurde erstmals 1961 an der Piccola Scala Mailand mit Teresa Berganza in der Titelpartie dem Vergessen entrissen, konnte in der damaligen Aufführung allerdings keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Erst René Jacobs verhalf Cestis Dramma musicale mit einer Neuproduktion im Rahmen der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik im Jahr 1982 zu einem Comeback, das auch eine CD-Einspielung nach sich zog. Der Aufführung in Innsbruck kam auch insofern eine besondere Bedeutung zu, da die Oper nach neueren Forschungen hier am 19. Februar 1656 ihre Uraufführung erlebt hatte. Insgesamt komponierte Cesti in Innsbruck als Hofkapellmeister des Tiroler Erzherzogs Ferdinand Karl von 1652 bis 1657 sechs Opern, für die der Erzherzog sogar ein kostspieliges Logentheater nach italienischem Vorbild bauen ließ. Auch heute trägt der alljährliche Gesangswettbewerb bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, aus dem seit drei Jahren das Akademie-Projekt BAROCKOPER:JUNG hervorgeht, in dem die jeweiligen Preisträger eine Barockoper szenisch erarbeiten, Cestis Namen.

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Orontea (Ida Aldrian) will ohne Mann leben.

Die Handlung spielt an einem fiktiven ägyptischen Königshof zu Beginn unserer Zeitrechnung. Orontea, die Königin von Ägypten, hat der Liebe abgeschworen. Das ändert sich schlagartig, als es den jungen Maler Alidoro nach Ägypten verschlägt. Auf der Flucht vor Arnea, der Königin von Phönizien, sucht Alidoro mit seiner Mutter Aristea Schutz am ägyptischen Königshof. Giacinta kommt als Mann verkleidet ebenfalls nach Ägypten, um im Auftrag der phönizischen Königin Alidoro zu töten, verliebt sich allerdings genauso in ihn wie Orontea. Doch auch die junge Hofdame Silandra weckt Alidoros Interesse und wird von diesem verführt. Als Orontea daraufhin Alidoro von sich weist und erneut der Liebe abschwören will, entdeckt sie bei Alidoro ein Medaillon, das ihn als Floridano, den verschollenen Prinzen von Phönizien ausweist, der einst von Piraten entführt und von Aristea, der Ehefrau des Piratenhauptmannes als eigenes Kind aufgezogen worden war. Nun steht einer standesgemäßen Verbindung zwischen Orontea und Alidoro nichts mehr im Weg. Silandra versöhnt sich wieder mit ihrem Geliebten Corindo, und Giacinta bildet mit Gelone das dritte glückliche Paar.

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Doch Alidoro (Sergiu Saplacan) gelingt es mit seinem Charme, die Königin (Ida Aldrian) zu verzaubern.

Anja Krietsch verzichtet in ihrer Inszenierung auf einen pseudo-historischen Bezug und verlegt die Handlung in die Gegenwart in ein Theater oder Filmstudio. Orontea ist hier keine ägyptische Königin, sondern die gefeierte Diva einer Theater- oder Filmproduktion. Silandra fungiert als ihre Kostüm- und Maskenbildnerin, während Silandras Geliebter Corindo als Bühnentechniker engagiert ist. Creonte zieht als Manager der Produktion die Strippen. Dass Aristea und Alidoro als "Neulinge" in diese Produktion hereinkommen, ist nachvollziehbar. Alidoro präsentiert sich zunächst als Boxer und anschließend als Pop-Idol in weißem Hosenanzug mit rotem Gürtel, der in beiden Kostümen eine gute Figur macht und glaubhaft macht, dass sich die Frauen in ihn verlieben. Aristea, bei der Uraufführung in der Tradition des italienischen Volkstheaters ebenfalls mit einem Tenor besetzt, wird als Drag-Queen angelegt. Im Verlauf des Abends verwandelt sich der Tenor Manuel Günther von einem Mann mit Drei-Tage-Bart in einen schillernden Travestie-Star in weißem Glitzerkleid mit ausladendem Kopfschmuck. Während diese ganzen Regieeinfälle durchaus noch nachvollziehbar sind, bleiben Gelones und Giacintas Funktionen in Krietschs Ansatz etwas unklar. Krietsch setzt Giacinta zeitweise als eine Art Souffleuse ein, was aber keineswegs erklärt, wieso sie eigentlich gekommen sein soll, um den "Neuling" Alidoro zu töten. Auf die Verkleidung als Mann wird bei Giacinta ebenfalls verzichtet, weil - so das Programmheft - sich die "geschlechtliche Ambiguität ohne Verkleidungsspiel" erzähle, was aber ohne diesen Hinweis im Programmheft nicht zutrifft. Auch welche Rolle Gelone einnehmen soll und wieso er letztendlich mit Giacinta ein Paar wird, kann Krietsch in ihrer Inszenierung nicht vermitteln.

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"Königinnen" unter sich: Orontea (Ida Aldrian, rechts) und Aristea (Manuel Günther, links)

Die Bühne von Nora Husmann arbeitet mit unterschiedlichen Ebenen. Auf der rechten Seite befindet sich über dem Orchester Oronteas Garderobe, die über hohe mit blauem Teppich versehene Stufen auf eine radförmige Holzbühne führt. Wieso unter den Bögen Stühle wild durcheinander gestapelt sind, bleibt unklar. Auf der linken Seite befindet sich die Garderobe der "Neuankömmlinge" Alidoro und Aristea. Hier packen sie zu Beginn ihre Kostüme aus und ziehen sich während der Aufführung mehrmals um. Wenn Corindo am Ende auf der kreisrunden Bühne Palmen und ein Holzdreieck aufbaut, das in der Form an eine Pyramide erinnert, wird deutlich, dass in diesem Theater oder Film ein ägyptisches Ambiente geschaffen werden soll. Die Kostüme von Gisa Kuhn sind bei Orontea als Diva und Aristea als Drag-Queen recht mondän gehalten und bei den anderen Figuren ebenfalls gut nachvollziehbar auf ihre jeweilige Funktion als beispielsweise Bühnen- oder Kostümbildner abgestimmt. Wie in einem Produktionsprozess verlassen die einzelnen Figuren auch selten die Bühne, sondern sind in der Regel im Hintergrund auch dann präsent, wenn sie nicht in der Szene agieren. Das wird besonders von Manuel Günther als Aristea ausgenutzt, der sich die ganze Zeit, wenn er nicht in der Szene ist, vor dem Spiegel in eine Drag-Queen verwandelt.

Musikalisch werden nicht nur einige Passagen gekürzt, sondern auch kurze Intermezzi von Johann Heinrich Schmelzer eingefügt, der bereits für Cestis Opern in Wien die Ballettmusiken beigesteuert hatte. Corindo erhält ein zusätzliches Lamento "Rendetemi il mio bene", das aus Cestis 1657 in Innsbruck uraufgeführter Oper La Dori stammt, und mit seiner traurigen Melancholie den Leiden des jungen Liebenden eine zusätzliche Tiefe verleiht. Nicholas Carter arbeitet mit dem kleinen Ensemble der Philharmoniker Hamburg Cestis Klangsprache differenziert heraus und changiert gekonnt zwischen burlesken und leidenden Passagen. Die Mitglieder des Opernstudios, für die dies größtenteils die letzte Produktion ihres zweijährigen Engagements ist, beweisen stimmlich und darstellerisch, dass sie sich in diesen zwei Jahren professionell weiterentwickelt haben und für neue Aufgaben an anderen Häusern durchaus zu empfehlen sind. Ida Aldrian begeistert in der Titelpartie mit einem voluminösen Mezzo und kostet die Rolle als Diva wunderbar aus. Ein musikalischer Höhepunkt ist die berühmte Arie "Intorno all'idol mio", die sie direkt zweimal präsentiert. Beim ersten Mal untermalt sie sie mit übertriebenen ausladenden Gesten, die von Creonte als Regisseur heftig kritisiert werden. Beim zweiten Mal interpretiert sie sie gestisch schlicht und lenkt damit das Augenmerk auf den gefühlvollen Text. Szymon Kobylinski überzeugt als Creonte mit dunklem Bass.

Solen Mainguené begeistert als Silandra mit kräftigem Sopran. Michael Taylor, der als Gast das Opernstudio ergänzt, stattet ihren Geliebten Corindo mit weichem Countenor aus. Anat Edri und Vincenzo Neri gefallen als Giacinta und Gelone mit warmem Sopran und markigem Bariton. Weitere Glanzpunkte der Aufführung sind Sergiu Saplacan als Alidoro und Manuel Günther als Aristea. Saplacan ist nicht nur optisch eine Idealbesetzung für den Frauenliebling Alidoro und begeistert in seinem weißen Hosenanzug durch eine humoristische Tanzeinlage mit gekonntem Hüftschwung, sondern verfügt auch über einen strahlenden Tenor, der Alidoro auch stimmlich zum Objekt der Begierde für die drei Frauen werden lässt. Manuel Günther verwandelt sich als Aristea gekonnt in eine Drag-Queen, ohne dabei die Figur zu sehr ins Lächerliche zu ziehen. Sein Tenor lässt dabei ebenfalls keine Wünsche offen und unterstreicht die Komik der Figur. Leider bleibt aufgrund der Personenregie Aristeas Faszination für Giacinta ein wenig unmotiviert, da Krietsch in ihrer Inszenierung darauf verzichtet, Giacinta als Mann auftreten zu lassen. Doch auch die kleinen szenischen Ungereimtheiten können die allgemeine Begeisterung nicht trüben, so dass es am Ende lang anhaltenden Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Das Internationale Opernstudio präsentiert zum Abschluss der Spielzeit eine absolut sehens- und hörenswerte Opernrarität, die in einer anderen Inszenierung in diesem Sommer auch bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik im Rahmen des Akademie-Projektes BAROCKOPER:JUNG zu erleben sein und in der nächsten Spielzeit in Frankfurt auf dem Spielplan stehen wird, was deutlich macht, dass Cestis Schaffen auf den Opernbühnen wieder etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Nicholas Carter

Inszenierung
Anja Krietsch

Bühnenbild
Nora Husmann

Kostüme
Gisa Kuhn

Licht
Bernd Hanschke

Dramaturgie
Kerstin Schüssler-Bach

 

Philharmoniker Hamburg

 

Solisten

La Filosofia / Orontea
Ida Aldrian

Amore / Silandra
Solen Mainguené

Alidoro
Sergiu Saplacan

Corindo
Michael Taylor

Giacinta
Anat Edri

Aristea
Manuel Günther

Gelone
Vincenzo Neri

Creonte
Szymon Kobylinski


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Hamburgischen Staatsoper
(Homepage)





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