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Don Giovanni

Dramma Giocoso in zwei Akten
Libretto von Lorenzo da Ponte
Musik von Wolfgang A. Mozart


Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere im Theater Krefeld am 10. Mai 2014

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Theater Krefeld-Mönchengladbach
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Höllenfahrt? Das erledigen wir selbst.

Von Stefan Schmöe / Fotos von Matthias Stutte

Die Moral von der Geschicht': Wer sich nicht an die Spielregeln hält, dem kann es schlecht ergehen. Don Giovanni hat eben diese Spielregeln missachtet. Solange sich das im Rahmen erotischer Eskapaden bewegte, wurde es geduldet (je nach eigener Gefühlslage wohl gar nicht einmal ungern); mit einem Mord aber überschreitet er eine unsichtbare Grenze - und fällt der Lynchjustiz zum Opfer. Regisseur Kobie van Rensburg bemüht eine Statue, keinen Toten zur Bestrafung des Bösewichts; er lässt den kühl kalkulierenden Don Ottavio einen tückischen Plan ausführen, bei dem der Bauer Masetto in der Kleidung des Ermordeten Komturs dessen Auferstehung vorgaukelt und die kollektive Tötung der Titelfigur einleitet. Bei Mozart und seinem kongenialen Librettisten Lorenzo da Ponte waren größere Mächte nötig, um Don Giovanni zu bezwingen. In dieser Inszenierung regelt man das im halbseidenen Milieu im New York der 1930er-Jahre untereinander.

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Frisch gelandet: Donna Elvira wird von Don Giovannis Dienern Leporello (links) und "Django" über detailliert über dessen Liebesleben informiert.

Bereits in seiner Inszenierung der Hochzeit des Figaro in diesem Theater hat Kobie van Rensburg mit filmischen Mitteln gearbeitet, dies setzt sich jetzt im Don Giovanni fort. Hier iost die Titelfigur ein "zügelloser Geldakrobat" (so steht's auf dem Besetzungszettel) in Brooklyn und Manhatten mit der zugehörigen ikonographischen Skyline. Die Kulisse erscheint als Video, schwarz-weiß wie auch fast alle Kostüme (nur Donna Elvira, die ewige Außenseiterin, trägt rotbraune Farben). Das ermöglicht schnelle Schnitte, in Sekundenbruchteilen wechseln Giovanni und Bauarbeiter-Braut Zerlina von der Wolkenkratzer-Baustelle (Zerlinas Verlobter Masetto ist wohl nicht Bauer, sondern hie am Bau tätig) ins First-Class-Hotel. Dabei bleibt stets eine gewisse Verfremdung: Van Rensburg versetzt die Geschichte nicht einfach in eine andere Zeit, vielmehr lässt er zur Geschichte Bilder dazu ablaufen, die sagen: So könnte es auch gewesen sein. Die Oper "funktioniert" auch in diesem Ambiente. Ob's ein Gewinn ist oder nur irgendwie neu und gegen die Sehgewohnheiten, das ist eine andere Frage.

Vergrößerung in neuem Fenster Ablenkungsmanöver in Manhatten: Leporello kümmert sich um Masetto (Mitte), damit sich Don Giovanni und Zerlina näher kommen können.

Langweilig wird einem bei dieser Bilderflut jedenfalls nicht. Vor allem im ersten Akt wird man geradezu erschlagen von visuellen Eindrücken, zumal auch noch die deutsche Übersetzung des Textes in das Bühnenbild projiziert wird. Bei der gewohnten Übertitelungsanlage oberhalb der Bühne bleibt ja immer die Freiheit, nicht zu den Übertiteln hochzuschauen, hier dagegen ist man chancenlos: Man ist beim Blick auf die Bühne zum Mitlesen von ziemlich viel Text verurteilt, was nicht gerade die Konzentration auf das Geschehen fördert. Nicht nur dadurch hat die Aufführung über weite Strecken etwas Atemloses, freilich ohne die von da Ponte und Mozart eingebauten retardierenden Momente. Ein wenig mehr Selbstbeschränkung der Regie hätte der Produktion durchaus gut getan, die häufig durch die wirkungsvollen Filmeffekte von einer sehr genauen Personenregie ablenkt. Das wirkt sich auch auf die Musik aus. Oft geht der Witz der Rezitative, obwohl von den Sängern differenziert gestaltet, in der Fülle der Ereignisse verloren. Und auch der Orchesterpart hat Mühe, sich dagegen zu behaupten. Unter der Leitung von Alexander Steinitz liefern die sehr ordentlichen Niederrheinischen Sinfoniker zuverlässig den passenden Soundtrack, spielen aber über manche Abgründe, über plötzliche Modulationen und Stimmungswechsel hinweg.

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Giovannis Höllenfahrt

Don Giovanni hat hier neben Leporello einen zweiten, stummen Diener, der auf der Gitarre das eine oder andere Rezitativ begleitet und im zweiten Akt ganz realistisch Giovannis Kanzonette "Deh vieni alla finestra" begleiten kann (als ob es auf solche Plausibilitäten ankäme), was aber nicht recht zu der symbiotischen Zweierbeziehung Giovanni - Leporello passt. Nach und nach stiehlt er sich aus der Geschichte heraus, durchaus symptomatisch, denn die Regie findet kein wirklich schlüssiges Thema, hangelt sich einigermaßen konventionell irgendwie durch. Natürlich läuft diese Oper auch von allein ins Ziel, und es wird durchweg sehr engagiert gesungen und gespielt. Martin-Jan Nijhoff, schlank und groß gewachsen, ist ein Don Giovanni wie aus dem Bilderbuch, ein glaubwürdiger Verführer mit vielleicht nicht übermäßig betörender, aber klar geführter und jederzeit souveräner Stimme. Mit Andrew Nolen steht ihm ein gewitzter, sehr solider Leporello zur Seite. Elena Sancho Pereg ist eine ungemein attraktive Donna Anna mit aufregend schönem, leuchtendem, noch nicht ganz ausgereiftem Sopran. Eigentlich kommt die Partei noch etwas zu früh, ihr fehlt es dafür an Volumen und dramatischer Kraft, aber Produktionen an kleineren Häusern wie diese hier bieten eben auch die Chance, in eine solche Rolle hineinzuwachsen - und eine sehr interessante Besetzung ist sie auf jeden Fall. Blass bleibt dagegen Debra Hays als ziemlich angestrengte, wen auch in den Koloraturen bewegliche Donna Elvira. Sophie Witte, zuletzt einen beeindruckende Manon (unsere Rezension), ist mit ihrem leichten, aber nicht zu soubrettenhaften Sopran eine verführerische Zerlina (mitunter neigt sie dazu, unnötig zu forcieren).

Vergrößerung in neuem Fenster Ein Tässchen Tee gefällig, wo doch der Bösewicht tot und die welt wieder im Lot ist? Von links: Ottavio, Anna, Zerlina, Masetto im Kostüm des toten Komturs, Leporello, Elvira und Giovannis zweiter (stummer) Diener "Django"

Dazu kommt noch Matthias Wippich als zuverlässiger Masetto, der im Finale auch die Partie des Komtur übernimmt - und diese Volte der Regie ist dann doch sehr fragwürdig. Der Plan, Masetto als toten Komtur zu maskieren und Giovanni damit einzuschüchtern, bleibt ein wenig überzeugender Regieeinfall an zentraler Stelle. Sicher wertet das die Partie des Ottavio, der hier zur treibenden Kraft wird, auf (Tenor Michael Siemon beginnt imposant, nimmt sich dann eine längere Auszeit mit flachem Klang und legt dann in der Arie "Il mio tesoro intanto" einen großen Auftritt mit männlichem, leicht baritonal eingedunkeltem Timbre hin). Aber es macht eben einen nicht zu vernachlässigenden Unterschied, ob Don Giovanni mit metaphysischen Mächten streitet oder nur mit einem kühl kalkulierenden Rivalen.

Quasi durch die Hintertür lässt van Rensburg dann doch das große Welttheater hinein: In das Finale platziert er unversehens das Dies irae aus Mozarts Requiem (vom Opernchor mit Wucht gesungen) und wertet den Lynchmord musikalisch zum Weltgericht auf. Wenn unmittelbar danach die herbei eilenden Polizisten mit ein paar Geldscheinen beruhigt werden, dann muss man das wohl als Teil der permanenten Ambivalenz von Komödie und Tragödie in diesem "dramma giocoso" betrachten. So stirbt, wer sich nicht an die Spielregeln hält, resümieren in schnoddriger, ziemlich freier Übersetzung die Zurückbleibenden. Damit haben sie ihren Don Giovanni aber doch ein bisschen kleiner gemacht als notwendig.


FAZIT

Manche Regiekröte muss man schlucken in diesem musikalisch sehr ordentlichen Don Giovanni, der kurzweilig und (mitunter allzu) bilderreich, aber ohne schlüssiges Konzept seinem Untergang entgegen stürzt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alexander Steinitz

Inszenierung und Video
Kobie van Rensburg

Kostüme
Lutz Kemper
Dorothee Schumacher

Chor
Maria Benyumova

Dramaturgie
Ulrike Aistleitner


Statisterie und Chor des Theater
Krefeld und Mönchengladbach

Die Niederrheinischen Sinfoniker


Solisten

* Besetzung der Premiere

Don Giovanni
Martin-Jan Nijhof

Donna Anna
Elena Sancho Pereg

Don Ottavio
Michael Siemon

Donna Elvira
* Debra Hays
Izabela Matula

Leporello
Andrew Nolen

Masetto / Komtur (im Finale)
Matthias Wippich

Zerlina
Susanne Seefing
* Sophie Witte

Komtur (im ersten Akt)
Bondo Gogia



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