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Musiktheater
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Semele

Barockoper in drei Akten „After the Manner of an Oratorio“
Libretto nach William Congreve
Musik von Georg Friedrich Händel


in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere des Staatstheaters am Gärtnerplatz
am 24. Oktober 2013 im Cuvilliéstheater München




Staatstheater am Gärtnerplatz München
(Homepage)

Über den Wolken

Von Roberto Becker / Fotos von Thomas Dashuber


Dass München neben den traditionellen Festspielorten Göttingen, Halle und Karlsruhe zu einer der deutschen Händel-Hochburgen wurde, geht auf die spektakulären Barockproduktionen der Münchener Staatsoper unter dem britischen Intendanten Sir Peter Jonas zurück. Das ist schon eine Weile her. Doch ein gutes Pflaster für den Barockstar aus Halle ist die Bayerische Landeshauptstadt auch dann, wenn sich das Gärtnerplatztheater seiner annimmt. Aus dem misslichen Provisorium des Theaterumbaus erwuchs zumindest der neuen Produktion von Händels Semele sogar ein Glücksumstand, denn das schmucke Cuvilliéstheater in der Münchner Residenz ist der denkbar passendste Rahmen für ein Stück Musiktheater, das nach seiner Uraufführung 1744 in London nicht gerade ein durchschlagender Erfolg wurde. Was wohl an seiner Stellung zwischen Oper und Oratorium liegt. Händel war ja, als seine großen Opernerfolge vorbei waren, auf die konzertante Form umgestiegen. Auch da konnte er aber nie den Opernliebhaber verleugnen. Seine Charakterisierung „After the Manner of an Oratorio“ prädestiniert Semele damit geradezu für das heutige Verständnis von Musiktheater.

Szenenfoto

Der Himmel über München

Die aus Österreich stammende Regisseurin Karoline Gruber hatte ihren Durchbruch im Jahre 2002 mit Haydns Il mondo della luna und hat sich dann u.a. mit einigen herausragenden Inszenierungen von Monteverdi, Hasse, Rameau und Händel einen Namen gemacht. Die Rückkehr zu Händel (nach einem Giulio Cesare in Egitto 2005 in Hamburg – siehe unsere Rezension der Kölner Übernahme) lag da sozusagen nahe.

Gemeinsam mit ihrem Bühnenbildner Roy Spahn hat sie jetzt aus Händels Semele eine poetisch heitere und durchaus hintersinnige Reflexion über eine junge Frau gemacht, die mit Vehemenz aus den vorgegebenen Lebensbahnen ausbrechen will. Sie verweigert dem vom Vater für sie vorgesehenen Bräutigam buchstäblich vor dem Altar das Ja-Wort, lässt sich von Jupiter ent- und verführen, will schließlich sogar die Unsterblichkeit erlangen. Als sie von Jupiter einen Blanko-Schwur für einen freien Wunsch verlangt und gewährt bekommt, ahnt sie nicht, dass sie damit zugleich ihr Ende besiegelt. Sie will, ganz ähnlich wir ihre späte Nachfolgerin im Geiste Elsa, dem Geliebten sein Geheimnis nicht lassen und ihn unbedingt in seiner wahren, hier göttlichen Gestalt sehen. Doch das ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Spiel mit dem Feuer, das sie nicht überlebt.

Szenenfoto

... hier kommen sogar Ausflügler vorbei ...

Hinter diesem tragischen Ende einer Geliebten Jupiters steckt natürlich seine dauereifersüchtige und trickreiche Gattin Juno. Sie hatte sich Semele in der Gestalt ihrer Schwester Ino genährt und den entsprechenden Ehrgeiz in ihr geweckt und angestachelt. Am Ende bekommt Ino auf Jupiters Anordnung den eigentlich für Semele vorgesehenen Bräutigam Athamas. Und der für Semele tödliche Fehltritt Jupiters führt immerhin dazu, dass sein Götterverwandter Apollo verkünden kann, dass aus der Asche der Semele kein Geringerer als der Gott Bacchus entstehen wird.

In München beginnt das Ganze nicht mit einer Massentrauung im antiken Theben, sondern mit einer solchen, die, der Mode nach, ans Ende des 19. Jahrhunderts zu datieren ist. Der Ort des Geschehens ist ein imaginäres Bayern. Zumindest ragen die beiden Kuppeln der Münchner Frauenkirche in den Götterhimmel zwischen die Wattebauschwolken. Hier schaut dann auch mal eine lustige Ausflugsgesellschaft in ihren Ballongondeln vorbei. Die Kirchenkuppeln erweisen sich zudem als Hausbar, aus der die smarten Engel das Begrüßungsglas für die irdischen Gäste füllen und kredenzen.

Roy Spahn hat die räumliche Distanz zwischen himmlischem Oben und irdischem Unten durch eine Wand auf der Drehbühne überbrückt. Auf der einen Seite ist sie ziemlich wuchtig und besteht aus lauter Grabfächern. Auf der Rückseite befindet sich das weißblaue Elysium. Für die anspruchsvolle Geliebte lässt Jupiter gerade so, als wäre er bei „Sex in the City“ gelandet, schicke Schuhe, Taschen und Modellkleider aus dem Schnürboden einschweben. Wenn es mit einem Blick auf das Vergehen des irdischen Lebens darum geht, Semeles Wunsch nach Unsterblichkeit zu erklären, dann wird eine kleine Bühne auf der Bühne zu einem Spiegel für Semele, in dem sie sich in den künftigen Phasen ihres Lebens sieht. Wenn es um Verwandlung und den Zauber der Leidenschaft geht, dann schweben die sprichwörtlichen Schmetterlinge im Bauch als Sendboten Jupiters über die Bühne.

Szenenfoto

Die Stadien des Lebens - da will Semele lieber die Unsterblichkeit

Das ist alles mit leichter Hand inszeniert - ohne ein Zuviel oder Zuwenig an Deutlichkeit. Es profitiert durchgängig vom Reiz dezent eingesetzter Poesie. Und umspielt das Ende zudem mit einem Augenzwinkern von heute aus. Athamas lässt sich zwar von Ino (die ohnehin etwas für ihn übrig hatte) bei der Hand nehmen, doch die ist so klug, seinen Seitenblick auf den schmucken Kammerdiener nicht wie Juno mit Argwohn, sondern mit einer sozusagen dionysischen Toleranz aufzugreifen und den jungen Mann mitzunehmen. Ein bisschen Utopie darf es halt sein nach dieser göttlichen Affäre.

Zur gänzlich unangestrengten Inszenierung kommt eine erstaunliche musikalische Qualität. Dass Marco Comin das keineswegs einschlägig vorbelastete oder gar historisch ausgerüstete Orchester des Gärtnerplatztheaters zu einem derart inspirierten und sinnlichen barocken Furor animieren kann, spricht für ihn und sein Orchester. Genauso überzeugend ist der von Jörn Hinnerk Andersen bestens präparierte und obendrein spielfreudige Chor des Gärtnerplatztheaters. Für die (leider zu kleine Rolle) des Athamas hatte man mit Franco Fagioli sogar einen der besten Countertenöre der Welt engagiert. Der setzte dann allerdings auch einen vokalen Maßstab, den das übrige Ensemble gar nicht erreichen konnte. Wobei Jennifer O'Loughlin mit ihrer Semele dem noch am nächsten kam. Nach kurzer Aufwärmphase vermochte sie jedenfalls vor allem mit ihren Koloraturen zu begeistern. Adrineh Simonian verpasste ihrer Juno eine gehörige Portion Eifersuchtsfuror, und Ferdinand von Bothmer seinem Jupiter den rechten Liebhaberschmelz. Ann-Katrin Naidus Ino überzeugte vor allem mit der Eleganz ihres Auftretens. Holger Ohlmann als Cadmus, István Kovács als Somnus, Juan Carlos Flacón als Apollo und Elaine Ortiz Arandes als Iris komplettieren mit ihren kleineren Partien das spielfreudige Ensemble.


FAZIT

Für die neue Semele-Produktion des Gärtnerplatztheaters in München wird die Ausweichspielstätte Cuvilliéstehater zum Glücksfall. Es ist ein stilechter Rahmen für die äußerst gelungene, poetisch heitere Inszenierung von Karoline Gruber, die sich überdies durch ein überraschend hohes musikalisches Niveau auszeichnet.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marco Comin

Inszenierung
Karoline Gruber

Bühne
Roy Spahn

Kostüme
Magali Gerberon

Choreographie
Beate Vollack

Choreinstudierung
Jörn Hinnerk Andersen

Dramaturgie
Michael Otto


Chor und Statisterie des
Staatstheaters am Gärtnerplatz

Orchester des
Staatstheaters am Gärtnerplatz


Solisten

Jupiter
Ferdinand von Bothmer

Cadmus
Holger Ohlmann

Athamas
Franco Fagioli

Somnus
István Kovács

Apollo
Juan Carlos Flacón

Juno
Adrineh Simonian

Iris
Elaine Ortiz Arandes

Semele
Jennifer O'Loughlin

Ino
Ann-Katrin Naidu



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater am Gärtnerplatz
München

(Homepage)





Da capo al Fine

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