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Der Freischütz

Romantische Oper in drei Aufzügen
Libretto von Friedrich Kind
Texte des Samiel von Gerhard Ahrens und Armin Holz
Musik von Carl Maria von Weber
Rezitative von Hector Berlioz

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere am 25. Oktober 2013 im Nationaltheater Mannheim


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Nationaltheater Mannheim
(Homepage)
Bewegte Bilder mit Musik

Von Roberto Becker / Fotos von Hans-Jörg Michel


Carl Maria von Webers Freischütz hat für die Mannheimer eine besondere Bedeutung. 1943 versank das alte Opernhaus im Bombenhagel bei einer Vorstellung dieser Oper. Da verstand es sich von selbst, dass das radikal modern, neu errichtete Theater 1957 mit dem gleichen Werk eröffnet wurde. Neben dieser Mannheimer Besonderheit war man bei der aktuellen Neuproduktion vor allem gespannt, wie das Regie- und Ausstattungsduo Armin Holz und Matthias Weischer mit diesem gerne mal als deutsche Nationaloper klassifizierten Werk umgehen würden.

Holz, der extravagante Schauspielregisseur, der sich seine Produktionen im Zweifelsfalle lieber selbst mit Hilfe von Sponsoren finanziert als sich irgendwelchen Zwängen zu beugen. Weischer, der ziemlich schnell im Umfeld der Neuen Leipziger Schule durch den Kunstmarkt und die Qualität seiner Arbeiten aufgestiegene Malerstar. Auf der Schauspielbühne haben beide schon zusammengearbeitet. Sie sind also aufeinander eingespielt. Neu ist für sie das Zeitdiktat einer Partitur.

Samiel, der Spielführer

Dass sich Holz, dem man eine Liebe zum Text nachsagt, nicht so recht mit der gebräuchlichen Dialogfassung des Freischütz-Librettisten zufrieden geben und ändernd eingreifen würde, war zu erwarten. Dass das auf erfreuliche Weise gut gegangen ist, gehört auf die Habenseite seiner Inszenierung. Der Schauspieler Klaus Schreiber macht aus seinem Samiel einen textreichen teuflischen Spielführer, der mit einem Augenzwinkern auch in Richtung Publikum von Anfang an einen charmant stilisierten Sprachrhythmus findet. Da sind die vielen koketten, in die Musik hingesprochenen, gelachten, gerufenen oder sonst irgendwie gelärmten Einsprengsel eigentlich gar nicht nötig.

Vergrößerung

Agathe, Max und Ännchen

Dass ein Maler gemeinsam mit dem Regisseur der Ausstatter ist, merkt man vor allem am weißen Rundhorizont, der gut eine leere Riesenleinwand sein könnte. Doch Weischer malt nun keineswegs deren Hintergrund atmosphärisch dicht, in welcher Form auch immer, als deutschen Wald aus. Wäre diese Inszenierung ein Bild, dann wäre der Hintergrund so demonstrativ unbearbeitet, wie bei den aktuellen Arbeiten von Georg Baselitz. Selbst ging der bei seinem jüngsten Ausflug auf die Bühne mit Ligetis Großem Makabren in Chemnitz durchaus geschlossener und dichter zu Werke.

Holz und Weischer beschränken sich demonstrativ auf einige Zeichen, die vor allem auf die Kraft der Assoziationen bauen. Noch während sich der Zuschauerraum füllt, steht der Eremit mit einigem Heiligen- (bzw. Künstler-)Pathos im weißen Gewand auf einem fahrbaren Podest an einer Art Aufstellerwand. Wenn ihn die Drehbühne nach hinten befördert, kommt auf der Rückseite natürlich Samiel zum Vorschein. Mit weitem Mantel, hohem Hut und kesser Lippe. Ein anderer Aufsteller ist feuerrot und könnte die herausgestreckte Zunge des Teufels sein. Dann wieder wird eine abstrakt angedeutete Tür herein gefahren. Oder eine aufgemalte Rose. Die Geschichte mit den schützenden weißen Rosen des Eremiten wird uns erspart. Dafür dreht der Teufel der Taube, die er aus seinem Hut zaubert, eigenhändig den Hals um. Agathes Kleid wiederum ist mit einer Schleppe aus Federn verziert.

Vergrößerung Max verzweifelt beim Blick in den Spiegel

Dass das Ganze nicht nur die üblichen Versagensängste (die Max in die Verzweiflung und vom Pfad der Tugend weg treiben) und das Abgründige der menschlichen Natur, sondern vor allem die utopische Kraft der Liebe im Sinne hat, wird angedeutet, wenn ein nackter Jüngling mit einer Posaune über die Bühne schreitet, oder Adam und Eva in ihrem nämlichen Kostümen Hand in Hand zu Agathes zweiter Arie den Rundhorizont abschreiten. Deutlich irdischer und sinnlicher geht es da bei Ännchen zur Sache. Die riesige Handskizze eines nackten Männertorsos dürfte ihrer Fantasie, oder besser: Erfahrung, entsprungen sein. Mit ihrem schicken, elegant frivolen Kleid (vorne scharfer Mini, hinten bodenlang), ihrem quicklebendigen Wesen, und ihrer frischen Art zu singen, wird die junge Tamara Banješević, neben Samiel, zum besonders bejubelten Star des Abends. Wobei sich auch Ludmila Slepneva mit ihrer Agathe mehr als nur wacker schlägt und vor allem István Kovácsházi seinen verdruckst zu Boden gehenden Max mit sehr schönem tenoralem Schmelz konterkariert. Thomas Jesatko steuert einen stattlichen Caspar bei. Im Falle des macho-smarten Nikola Diskić bedauert man, dass sein Auftritt als Kilian so kurz ist.

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Die Wolfschlucht ist eher in uns - Samiel und Kaspar

Holz mag den Freischütz, zumindest denunziert er die Schauerromantik nicht. Das Wolfsschluchtgruseln allerdings beschränkt er auf ein durch die Szene fahrendes Urvieh. Den Jägerchor lässt er brav aufmarschieren. Nur der Jungfernkranz, der ist ihm einen bissigen Seitenhieb wert. Während Violetta Helwig den gesamten Text des seinerzeit zum Gassenhauer aufgestiegenen Hits allein singt, grinsen ihre Doubels ziemlich blond und ziemlich blöd dazu. Zum Schluss bleibt's auch hier beim Probejahr, aber mit einer kleinen Adam-und-Eva-Skizze zwischen Max und Agathe. Also einem Augenzwinkern in Richtung Happy End. „Glauben Sie an Gespenster!“ So ausrufezeichendeutlich steht es auf der Umschlagseite des Programmheftes unter den Porträtskizzen von Holz und Weischer. Na gut. Machen wir. Wenn am Ende, so wie auf der Bühne, außer Kaspar, keiner zu Schaden kommt. Dieser Freischütz setzt auf Mitdenken, baut auch auf die Bilder aus den viele Inszenierungen, die die Mehrheit im Publikum schon gesehen haben dürfte, versucht sich nicht an einer Überwältigungsästhetik, sondern vertraut eher auf die subtile Kraft der Assoziationen. Auf dieser Leinwand darf man im Kopf mit malen.

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Auch im Graben hält sich Alois Seidlmeier mit Überwältigung zurück. Er dirigiert ohne Überhitzung und Verdunklungsgefahr und trägt den vokalen Möglichkeiten seines Protagonisten-Ensembles stets Rechnung.


FAZIT

Der neue Mannheimer Freischütz ist nicht ohne Anstrengung und Mitdenken zu haben. Es lohnt aber, sich darauf einzulassen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alois Seidlmeier

Inszenierung
Armin Holz

Bühne
Armin Holz
Matthias Weischer

Kostüme
Esther Walz

Licht
Sebastian Alphons

Chor
Tilman Michael

Dramaturgie
Merle Fahrholz



Statisterie und Chor des
Nationaltheater Mannheim

Orchester des
Nationaltheater Mannheim


Solisten

Ottokar
Lars Møller

Cuno
Bartosz Urbanowicz

Agathe
Ludmila Slepneva

Ännchen
Tamara Banješević

Caspar
Thomas Jesatko

Max
István Kovácsházi

Ein Eremit
John In Eichen

Kilian
Nikola Diskić

Brautjungfer
Violetta Helwig

Samiel
Klaus Schreiber



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Nationaltheater Mannheim
(Homepage)



Da capo al Fine

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