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Packend wie ein Krimi Von Christoph Wurzel / Fotos von Hans Jörg Michel Angst und Schrecken verbreitete von der Krim aus im ersten vorchristlichen Jahrhundert König Mithridates VI. in mehreren Kriegen gegen das römische Reich. Aber in seiner Familie wütete er noch entsetzlicher und gnadenloser. Dagegen ist die Opernfigur Mitridate ein geradezu milder Herrscher, wenn es auch in Mozarts Oper schon grausam genug zugeht – bis auf das recht plötzliche, in einer opera seria unvermeidbare gute Ende. Die Inszenierung von Nicolas Brieger beim diesjährigen Mannheimer Mozartsommer spitzt in ihrer Deutung den Opernstoff auf den Familienkonflikt zu und die Aufführung dieses selten gespielten Frühwerks von Mozart wird zu einem enorm spannenden Abend. Das gelingt nicht zuletzt deshalb, weil die Konflikte der Oper (mag dabei auch manches Detail der Handlungskonstellation opernspezifisch sein) grundsätzlich eben immer noch auch Konflikte von heute sind, Da braucht die Regie gar nicht viel zu aktualisieren, sondern hier gelingt der Anschluss an die Gegenwart durch eine eminent kluge Personenregie, welche die Bühnenfiguren als Charaktere darstellt und sie psychologisch überzeugend agieren lässt. Die zwei rivalisierenden Brüder: Sifare (Zvi Emanuel-Marial) und Farnace (Clint van der Linde) (von links) vor dem Übervater Mitridate Es geht um den Feldherrn und König Mitridate und seine zwei Söhne. Der eine (Sifare) ist dem Vater loyal ergeben, der andere (Farnace) rebelliert gegen das Oberhaupt der Familie und zwar in seinen politischen wie auch privaten Absichten. Dazwischen steht eine Frau (Aspasia), die sich nur mit großer Mühe von der ihr zugedachten Rolle als Spielball männlicher Interessen emanzipieren kann. Mitridate spielt aus übersteigertem Misstrauen alle gegen einander aus. In diesem Kräftefeld entwickelt sich ein verhängnisvoller Kampf um Macht und Selbstbehauptung, in dem alle nur verlieren. So ist wie so oft das lieto fine der Oper keine glückliche Erlösung aus den Konflikten und Mozarts extrem kurzes Finale lässt daran auch keinen Zweifel. Vierzehn Jahre war Mozart bei der Komposition jung und Mitridate ist seine erste opera seria überhaupt. Erstaunlich, dass er hier schon eine solche menschliche Reife erreicht. Auch sonst ist an vielen Stellen diese Musik schon so voll eigenen Charakters, dass die Geringschätzung dieses Werks im Opernbetrieb höchst bedauerlich ist. Der griechische Dirigent George Petrou leistet in Mannheim mit seiner zwingenden musikalischen Umsetzung dem Werk auch einen großen Dienst. Das Ambiente der Inszenierung ist eine fast leere Bühne, die mit wenigen Requisiten auskommt, diese aber treffend zur Erhellung der Handlung einsetzt. Interieur und Kostüme siedeln die Handlung im Glamourmilieu der Upper Class an, man trinkt teuren Whisky und trägt elegante Kleider. So bleibt geschickt die Fallhöhe erhalten. Andeutungsweise wird noch in andere Zeitschichten verwiesen, womit zugleich die handelnden Personen in ihrem geistig-sozialen Horizont genau bezeichnet werden. So erscheint das Verhalten der beiden Brüder mit ihrem Schwerterkampf in den klobigen Brustpanzern als archaisch und Arbate wird im Gehrock mit Spitzenjabot als ergebener Minister seines absolutistischen Herrn charakterisiert. Nur die beiden Frauen tragen konsequent moderne Kleidung, die aufgeklärt handelnde Ismene eines in frischen, frohen Farben, die Königin in spe Aspasia zuerst (als vermeintliche Witwe) erlesene Trauerkleidung und später standesgemäß und stilvoll ein herrliches Abendkleid. Rückkehr als geschlagener Feldherr: Mitridate (Mirko Roschkowski) mit seinem Statthalter Arbate (Onur Abaci) und der fremden Prinzessin Ismene (Eunju Kwon) (von rechts) Die Sängerdarsteller trugen entscheidend das zwingende Konzept dieser Inszenierung mit. Mirko Roschkowski zeigte hinter dem autoritären Machtmenschen auch den traumatisch verletzten König, der nach einer schweren Niederlage gegen die Römer zurück in sein Reich kommt und hier niemandem mehr zu vertrauen wagt. Mit gnadenloser Kontrollsucht setzt er seine verlobte Aspasia und seine beiden Söhne unter Druck. Hervorragend machte er auch stimmlich die Vielschichtigkeit dieser Figur glaubhaft. Cornelia Ptassek ging als Aspasia stimmlich und darstellerisch bis an die Grenze des emotionalen Ausdrucks. Faszinierend machte sie die seelische Qual dieser Figur deutlich, die zwischen ersehnter Liebe (Sifare), verhasster Zudringlichkeit (Farnace) und der erwarteten Erfüllung ihres Heiratsversprechen (Mitidate) innerlich schier zerrissen wird – bis hin zur Autoaggression und doch nach außen die Contenance zu wahren versucht. Als vollkommen gradliniger Charakter, als Muster an Empfindsamkeit, erscheint in dieser Oper Ismene, die Prinzessin aus der Fremde, die Farnace liebt, der sie aber verschmäht. Eunju Kwon sang und spielte diese Rolle mit warmer Ausstrahlung. Bis hin zur Autoaggression: Aspasia (Cornelia Ptassek) Die beiden gegensätzlichen Brüder waren ursprünglich mit Countertenören besetzt. Da der Sänger des Sifare, Zvi Emanuel-Marial, noch vor der Premiere erkrankte und indisponiert war, spielte er der dramatischen Glaubwürdigkeit wegen diese Rolle in der Bühnenhandlung, während die griechische Mezzosopranistin Mary-Ellen Nesi vom Orchestergraben aus die Partie sang - und darin brillierte. Clint van der Linde überzeugte mit reichen stimmlichen Facetten in der Rolle des Farnace, der sich von erbitterten Gegner des Vaters doch noch zum treuen Sohn und Untertan in letzter Minute wandelt. In den beiden kleineren Rollen waren sängerisch wie darstellerisch Onur Abaci (als Arbate) und David Lee (als römischer Offizier Marzio) präsente Beteiligte. Das klein besetzte Mannheimer Opernorchester spielte historisch informiert mit viel Engagement und großer Präzision. Hervorgehoben sei hier der Wohlklang des Hornsolos in einer Arie des Sifare. FAZIT
Dies war ein Opernabend aus
einem Guss: Die Handlung wurde schlüssig und packend erzählt.
Auch die musikalische Seite ließ keine Wünsche offen. Die
Produktion hat die Qualitäten einer Entdeckung. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische
Leitung
SolistenMitridate, König
von Pontus |
© 2014 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de
- Fine -