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Benvenuto Cellini

Opéra comique in drei Akten (vier Bildern)
Libretto von Armand François Léon de Wailly und Henri Auguste Barbier (nach der Weimarer Fassung)
Musik von Hector Berlioz

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40’ (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theater Münster am 15. Februar 2014

Logo: Theater Münster

Theater Münster
(Homepage)
Künstleroper zwischen Klamauk und Graffiti

Von Thomas Molke / Fotos von Oliver Berg

Ungefähr 30 Jahre bevor Richard Wagner mit seinen Meistersingern von Nürnberg die wohl heutzutage bekannteste Oper über das Künstlermilieu schuf, setzte Hector Berlioz in seiner ersten Oper dem berühmten Bildhauer Benvenuto Cellini ein musikalisches Denkmal, indem er in loser Anlehnung an Cellinis Autobiographie die Entstehung der berühmten Perseus-Statue, die auch heute noch die Loggia dei Lanzi an der Piazza della Signora in Florenz schmückt, vertonte. Auch wenn das Werk mit der barschen Kirchenkritik - Cellini erhält vom Papst Clemens VII. Absolution für einen begangenen Mord, wenn er dem Papst innerhalb einer Stunde die Perseus-Statue fertigstellt - einigen Zündstoff für die damalige Zeit bot, konnte Berlioz bei der Uraufführung keinen großen Erfolg verbuchen, was wohl auch der ausufernden Länge geschuldet war. Erst 14 Jahre später realisierte Franz Liszt in Weimar eine neue, auf drei Akte gestraffte Fassung, die auch die Grundlage für die Produktion in Münster darstellt.

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Slapstick-Komödie im überdimensionalen Schuhschrank: Benvenuto Cellini (Adrian Xhema, Mitte) und Teresa (Sara Daldoss Rossi) werden von Fieramosca (Juan Fernando Gutiérrez, links) belauscht.

Das Regie-Team um Aron Stiehl betrachtet das Werk als eine burleske Oper, die der Opera buffa eines Rossini oder Donizetti näher steht als beispielsweise Berlioz' Les Troyens. So setzt Stiehl besonders in den ersten beiden Akten auf großen Klamauk, der der Vorlage nur bedingt gerecht wird. Natürlich kann man den päpstlichen Schatzmeister Balducci als Spießer in einer engen Einbauküche des letzten Jahrhunderts zeigen, der nicht über seinen Tellerrand hinausblicken kann. Aber ist seine Tochter Teresa, die mehr für den florentinischen Goldschmied Cellini als für den ihr zugedachten Bräutigam Fieramosca schwärmt, dem als offiziellen päpstlichen Bildhauer der Auftrag für die Perseus-Statue eher zustände als dem unkonventionellen Cellini, wirklich ein materielles It-Girl, deren Leben sich nur um Schuhe und Kleidung dreht und die sich von dem Hype um einen begnadeten Künstler treiben lässt? Ihre Liebe zu Cellini ist so zumindest im ersten Akt nicht wirklich ernst zu nehmen, wenn sie gemeinsam mit Cellini in der Küche das Gemüse putzt, während Fieramosca aus dem Einbauschrank das Treiben seiner Zukünftigen beobachtet.

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Stück im Stück: Francesco (Christian-Kai Sander, rechts) als Brünnhilde auf dem brennenden Felsen, bewacht von einem Drachen (Peter Paul)

Im zweiten Akt parodiert sich Stiehl als Regisseur dann selbst, wenn auf der Rückwand der Taverne in großen Lettern der Spruch "Regietheater nein danke" prangt. Ist es wirklich erforderlich, auf der rechten Bühnenseite ein verschmiertes Klo zu zeigen, auf dem sich dann auch noch ein Betrunkener übergibt? Gibt es einen Grund dafür, wieso der Schankwirt als aufgetakelte Drag Queen über die Bühne stakst? Nun gut, im Karneval schlägt eben mancher über die Strenge. Das kann dann bisweilen auch recht derb werden. So entsteigt Fieramosca dieses Mal der Mülltonne, in der er Cellinis Plan belauscht hat, Teresa während einer Theateraufführung in der Maskierung eines Mönchs zu entführen und mit ihr nach Florenz zu fliehen. Dass die im zweiten Bild folgende Theateraufführung eine Persiflage auf Richard Wagner ist und zum berühmten "Walkürenritt" eine aufgetakelte Brünnhilde zeigt, die auf einem brennenden Felsen von einem Drachen bewacht wird, der vom Helden Siegfried niedergestreckt wird, ist zwar komödiantisch umgesetzt, passt allerdings nicht zur Handlung, da in diesem Theaterstück ja eigentlich Balducci verspottet werden soll. Dieser sitzt allerdings nur mit Narrenkappe im Zuschauerraum und äußert lautstarke Missfallensbekundungen, während völlig unmotiviert ein Mann in seinem Kostüm durch die Walkürenszene läuft.

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Balducci (Plamen Hidjov, links) und Fieramosca (Juan Fernando Gutiérrez, 3. von links) bitten den Papst (Lukas Schmid, 2. von links) Cellini (Adrian Xhema, Mitte rechts mit Ascanio (Lisa Wedekind, vorne) und Teresa (Sara Daldoss Rossi)) zu bestrafen (im Hintergrund: Statisterie).

Erst nach der Pause schlägt die Inszenierung ernstere Töne an. Wenn Cellinis Lehrling Ascanio gemeinsam mit Teresa für die Rückkehr Cellinis betet, gelingen der Regie sehr innige Momente. Doch Stiehl nimmt der Szene sofort wieder die Ernsthaftigkeit, wenn er den Papst im Doppelpack auftreten lässt. Ein riesiges Tor in der Rückwand wird emporgezogen und zeigt Papst Clemens VII. auf seinem Thron, während als Anspielung auf den noch lebenden ehemaligen Papst Benedetto ein zweites Kirchenoberhaupt den Thron erklimmt, sobald Papst Clemens sich den Anschuldigungen durch Balducci und Fieramosca widmet, die Cellini gehängt sehen wollen. Ob man hier andeuten will, dass Benedetto, obwohl er abgedankt hat, immer noch die Fäden zieht, ist Interpretationssache. Jedenfalls wird die doppelbödige Moral, dass der Papst auf eine Verurteilung für den von Cellini verursachten Mord an Pompeo verzichtet, wenn der Goldschmied innerhalb einer Stunde die Perseus-Statue vollendet, in dieser Umsetzung mehr als deutlich. Die Vollendung der Statue versucht Stiehl dann nicht auf der Bühne zu zeigen, sondern lässt sie im Off entstehen, während Rauch auf der Bühne den Schmelzvorgang andeutet. Doch auch nach der Vollendung ist von der Statue nichts zu sehen, weil - so Stiehl - eine reale Statue "nur enttäuschen" könne. So bleibt die Apotheose der Kunst am Ende reichlich abstrakt, und während alle das Wunderwerk feiern, verlässt Cellini mit seiner Teresa auf einem Motorrad die Bühne.

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Ascanio (Lisa Wedekind, auf dem Tresen) macht in der Kneipe ein verlockendes Angebot (am Tresen: Männerchor und Lukas Schmid als Pompeo).

Musikalisch bewegt sich die Inszenierung auf gutem Niveau. Herausragend ist der von Inna Batyuk einstudierte und um den Extrachor erweiterte Opernchor des Theaters Münsters, der mit großem Pathos Cellinis Statue am Ende des Stückes feiert und auch im zweiten Akt in der Kneipe und bei der Theateraufführung mit großer Spielfreude und kräftigem, homogenem Klang überzeugt. Bei den Solisten begeistern vor allem Lisa Wedekind in der Hosenrolle des Ascanio und Lukas Schmid als Papst Clemens. Wedekind stattet Cellinis Lehrling mit einem warmen Mezzo aus, der in der Mittellage sehr viril klingt. Höhepunkte ihrer Interpretation sind ihre Auftrittsarie im zweiten Akt, in der sie Cellini Geld vom Papst für die Vollendung der Statue avisiert und mit jugendlich frecher Darstellung besticht, und ihre sorgenvolle Arie zu Beginn des dritten Aktes, wenn sie hofft, dass Cellini unversehrt zurückkehren werde. Schmid verfügt über einen wunderbar dunklen Bass, der der Würde des Kirchenoberhauptes mehr als gerecht wird.

Sara Daldoss Rossi gibt mit keckem Spiel die Teresa als verwöhntes Mädchen und bewältigt die anspruchsvollen Koloraturen gut, auch wenn sie in den extremen Höhen ein wenig an ihre Grenzen stößt. Gleiches gilt für Adrian Xhema als Cellini in seiner großen anspruchsvollen Arie im dritten Akt, wenn der Bildhauer hofft, seiner Strafe entfliehen zu können. Ansonsten stattet Xhema  die Titelpartie mit einem durchschlagenden Tenor aus. Juan Fernando Gutiérrez besitzt als Fieramosca großes komödiantisches Talent, bleibt stimmlich aber bisweilen hinter dem unter Stefan Veselka kräftig aufspielenden Orchester zurück. Gleiches gilt für Plamen Hidjov als Balducci, der sich mit seinem Bass ebenfalls nur bedingt gegen das Orchester durchsetzen kann. Diese kleinen Abstriche trüben aber nicht die Begeisterung des Publikums, das alle Beteiligten mit großem Jubel feiert, in den sich auch das Regieteam einreiht.

FAZIT

Aron Stiehls Inszenierung fehlt mit seinem klamaukigen Ansatz ein durchgängiger roter Faden, auch wenn einzelne Regie-Einfälle durchaus überzeugen können. Musikalisch empfiehlt schon allein die seltene Aufführung dieser Oper einen Besuch in Münster.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Veselka

Inszenierung
Aron Stiehl

Bühne und Kostüme
Simon Holdsworth

Choreinstudierung
Inna Batyuk

Dramaturgie
Jens Ponath

 

Opern- und Extrachor des
Theaters Münster

Statisterie des Theaters Münster

Sinfonieorchester Münster

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Benvenuto Cellini
Adrian Xhema

Balducci, Päpstlicher Schatzmeister
Plamen Hidjov

Teresa, Tochter Balduccis
Sara Daldoss Rossi

Fieramosca, Bildhauer im Dienst des Papstes
Juan Fernando Gutiérrez

Ascanio, Lehrling bei Cellini
Lisa Wedekind

Pompeo, Mörder / Papst
Lukas Schmid

Francesco, Handwerker in Cellinis Atelier
*Christian-Kai Sander /
Philippe Clark Hall

Bernardino, Handwerker in Cellinis Atelier
Frank Göbel

Cabaretier, Schankwirt
Kiyotaka Mizuno

Offizier
Hee-Sung Yoon

Pantomime
Peter Paul


Weitere
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Theater Münster
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