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Krieg und
Männlichkeitsrituale
Wenn im Theater während einer Premiere häufig gehustet wird, kann das viel bedeuten: Die Besucher sind erkältet und haben ihre Medikamente vergessen, man bekundet – auch unbewusst - seinen Unmut, man ist gelangweilt. Und trotzdem gehen am Ende der Vorstellung die schüchtern aufkommenden Buhs im gesitteten Applaus unter. Es wird sogar – ohne erkennbare Begeisterung – im Stehen geklatscht. So erlebt in der ersten Opernpremiere der Spielzeit im Theater Münster. Gestemmt wird – wir feiern immerhin den 200. Geburtstag des Komponisten - Verdis 1853 uraufgeführte Oper Il Trovatore - stimmlich und inszenatorisch unbestritten eine Herausforderung. Es gibt Krieg, Herzschmerz mit sozialem Hintergrund, Mutterliebe und Rache. Es gibt viele verschiedene Schauplätze und Zeitsprünge zwischen den einzelnen Akten. Musikalisch anspruchsvoll sind Arien, Kavatinen mit virtuosen, effektvollen Schlussstücken, fantastische Chornummern und Ensembles mit ausgedehnten Soloanteilen. Leonore kann den seinen Bruder mit der Waffe bedrohenden Manrico von ihrer Liebe überzeugen. Regisseur Georg Rooterings Hauptaugenmerk liegt auf dem sozio-historischen Hintergrund der Handlung. Allerdings begegnen uns - anstelle des 15. Jahrhunderts und der politischen Wirren um die spanische Thronfolge – die Königstreuen als moderne, rot gewandete Berufssoldaten und die gesellschaftlichen Außenseiter der Fahrenden, Vagabundierenden als schillernd kostümierte Gothic People, von denen zwei den Wehrmachtsstahlhelm tragen. Leonora, die Gräfin von Sargasto, trägt dagegen ein eher im 19. Jahrhundert angesiedeltes, seiden-changierendes Hofdamengewand. Bernd Frankes Bühnenbild stellt einen bunkerähnlichen, symbolisch mit rotem Lack eingefassten Raum aus Sichtbeton dar. In einer sich direkt an die Erzählung Ferrandos anschließenden langen Umbauphase wird dieser im zweiten Bild in die mit weißen Liegestühlen ausgestattete Terrasse des Palastes Sargasto umgebaut, anschließend in den vorherigen Raum zurückverwandelt, nur dass im Lager der Gothics die Gewehre im Schein des Kesselfeuers ausgepackt werden, während im ersten Bild die Gewehre in Spinde gepackt wurden. In der Klosterszene wird der Raum noch durch einen Altar mit Kreuz etc. ergänzt, in der Kerkerszene senkt sich die Decke zu bedrohlicher Enge. Etwa sechs Mal unterbricht der Eiserne Vorhang das Bühnengeschehen, wird durch lange Pausen Distanz aufgebaut, eine nicht eingelöste Erwartungshaltung geschürt. Rooterings Bilder erschöpfen sich in blockartig aneinandergereihten Bildern, die vor Männlichkeitsritualen, Bedrohung und Kriegsvorbereitungen strotzen: Es kreist der Alkohol, es wird Geld verteilt, drohend wird die Flamme an den Benzinkanister gehalten. Die Panzerfaust wird lustvoll ausgepackt, die Maschinengewehre gereinigt und gestreichelt. Auch die Personencharakterisierung beschränkt sich auf plakativ aneinandergereihte Symbole: Graf von Luna schwingt neidvoll die Peitsche gegen das Geschlechtsteil seines Bruders bzw. gegen das Kreuz, bedroht seine Geliebte mit dem Messer, lässt Azucena mit Benzin übergießen. Statt Gesten mütterlicher Inbrunst lässt Rootering auch sie gleich zu Beginn die Axt schwingen, mit Streichhölzern zündeln, um bei ihrem Sohn Rachegelüste zu schüren. Leonora versucht mit vorgestreckter Bibel der immer präsenten Waffengewalt in der Klosterszene Einhalt zu gebieten. Manrico beruhigt seine an Wahnvorstellungen leidende Mutter. Auch musikalisch kann die Premiere - trotz eines homogen und dynamisch- differenziert klingenden Chores, trotz einiger atmosphärisch gelungener Abschnitte vor allem im vierten Teil - im Ganzen nicht überzeugen. Im ersten Teil stören hörbare Abstimmungsprobleme zwischen Solisten, Chor und Orchester. Und immer wieder beeinträchtigen auch Stimmprobleme in den großen Partien den musikalischen Genuss. Sara Daldoss Rossi verfügt über eine klangvolle, lyrische Stimme, ist aber – zumindest in der Premiere – den Kraftanforderungen der Partie bspw. zu Beginn der Miserere-Szene im vierten Teil - nicht gewachsen. Gregor Dalals Bariton ist ein kraftstrotzender Graf von Luna, dessen Stimme sich bspw. in der Klosterszene in der Höhe nicht öffnen will. Adrian Xhema ist ein metallisch timbrierter, kraftvoller Manrico, der auch mit lyrischen Färbungen überzeugen kann. Einzig wirklich packend in ihrer stimmlichen und schauspielerischen Darstellung ist Rossana Rinaldi als Azucena. Sie vermag mit ihrer tiefgründig leuchtenden Stimme ein Verdi-gemäßes, differenziertes Charakterbild der Figur zu gestalten und dem Publikum am Ende der Vorstellung ein dankbares Raunen zu entlocken. FAZIT
Zu viele
Umbauphasen, zu blockartige Dramaturgie, zu symbolhafte
Personencharakterisierung Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Choreinstudierung
Dramaturgie
Opern- und
Extrachor Sinfonieorchester Münster
Solisten *Besetzung
der besuchten Aufführung
Graf von Luna
Leonore
Azucena
Manrico
Ferrando
Inez
Ruiz
Ein Zigeuner
Ein Bote
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- Fine -