Raubbau an natürlichen Ressourcen
Von Thomas Molke
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Fotos von Ludwig Olah
Während zahlreiche Bühnen
neue Ring-Produktionen so angelegt haben, dass im Jubiläumsjahr 2013 der
komplette Zyklus präsentiert werden konnte, hat man sich am Staatstheater
Nürnberg dazu entschieden, nach der letzten Inszenierung von Stephen Lawless,
die nicht nur von 2003 bis 2007 in Nürnberg zu erleben war, sondern die
Tetralogie 2005 auch im Rahmen des Beijing Music Festival erstmals nach
China brachte, erst zum Ende des Jubiläumsjahres mit einem neuen Zyklus zu
beginnen. So wird es voraussichtlich bis 2016 dauern, bis der neue Ring
hier komplett geschmiedet sein wird. Ähnlich wie in Bayreuth hat man die
Inszenierung in die Hand eines Regisseurs gelegt, der eigentlich im Schauspiel
beheimatet ist, was nicht per se schlecht sein muss, einen Großteil der
Wagner-Fan-Gemeinde aber dennoch zunächst mit Misstrauen erfüllt, weil man
fürchtet, dass bei der Umsetzung nicht genug auf die Aussage der Musik geachtet
werde. Sieht man von einigen kleineren unnötigen Regie-Mätzchen ab, kann man
Georg Schmiedleitner diesen Vorwurf allerdings nicht machen, da er einen
stimmigen Zugang zum Vorabend findet, der mit Spannung die weiteren Teile
erwarten lässt.
Die Rheintöchter (von links: Woglinde (Hrachuhí
Bassénz), Flosshilde (Juditha Nagyová) und Wellgunde (Leah Gordon)) spielen mit
Alberich (Antonio Yang). Schmiedleitner betrachtet das
Rheingold als eine Art Kammerspiel, in dem keine mythologischen Götter,
Riesen oder Naturwesen agieren sondern Menschen, da er die Handlungsweise der
Figuren als durch und durch menschlich motiviert sieht. Wotans Schnitzen seines
Speers aus der Weltesche und Alberichs Raub des Rheingolds betrachtet er als
erste Eingriffe der Menschen in die Natur, die den Raubbau an natürlichen
Ressourcen nach sich ziehen. Wie weit der Mensch dabei die Umwelt bereits
zerstört hat, wird direkt im ersten Bild deutlich, wenn der Rhein mit leerem
Plastikmüll überhäuft ist. Im Hintergrund hängt aus dem Schnürboden eine
gewaltige Baumkrone herab, deren Äste ebenfalls angegriffen sind. Stefan
Brandtmayr hat für die Rheintöchter ein hohes verschiebbares Podest mit mehreren
Leitern errichtet, auf das sie sich jeweils im Spiel mit Alberich vor den
Annäherungsversuchen zurückziehen können. Darauf befinden sich mehrere Bassins,
in denen die drei dann auch richtig plantschen können. Hrachuhí Bassénz, Leah
Gordon und Judita Nagyová begeistern als Woglinde, Wellgunde und Flosshilde mit
wunderbar aufeinander abgestimmten Stimmen und herrlicher Textverständlichkeit.
Auch ihr Spiel mit dem Nachtalben ist herrlich fies, so dass man schon fast
Mitleid mit Alberich empfinden und seine Motivation für die Verfluchung der
Liebe nachvollziehen kann.
Wotans (Randall Jakobsh) Abstieg nach Nibelheim
(Statisterie Staatstheater Nürnberg) Antonio Yang stattet
Alberich mit einem kräftigen und absolut textverständlichen Bass aus und
vollzieht darstellerisch eine glaubhafte Wandlung vom gefoppten Nachtalben zu
einem rücksichtslosen Machtmenschen, der seinen Bruder und die Nibelungen
grausam knechtet. Wenn er nach seinem verzweifelten Werben um die Rheintöchter
schließlich die Liebe verflucht und das Gold an sich nimmt, überschüttet er sich
auf dem Podest mit einem riesigen Kanister goldener Farbe. Ob dieser Kanister
dabei eine Anspielung auf Erdöl sein soll, lässt sich nur aufgrund der Form der
zahlreichen Behälter mutmaßen, die später als Goldbarren fungieren und dabei in
der Form an Benzinkanister erinnern. Bezeichnender ist allerdings, dass auch die
Nibelungen, die Alberich im dritten Akt für sich arbeiten lässt, mit dieser
goldenen Farbe überzogen sind. Aus welchem Grund sie dabei Gasmasken tragen,
bleibt unklar.Bei den Bergeshöhen im zweiten
Bild ist die Zerstörung der Natur noch weiter fortgeschritten. Zu dem
Plastikmüll auf der Bühne sind auch noch zahlreiche Äste gekommen. Ist die
Weltesche hier schon gefällt? Eingerahmt wird die Bühne von halbtransparenten
Plastikplanen, auf die teilweise die auf der Bühne agierenden Figuren projiziert
werden. Wieso man Wotan zu Beginn der Szene beim Geschlechtsverkehr mit Fricka
zeigen muss, ist sicherlich einer der Regie-Einfälle, auf die man gern
verzichtet hätte. Das braune Ledermobiliar, das etwas verloren auf der Bühne
herumsteht, macht deutlich, dass die Götter auf ihren Einzug in die neue Burg
Walhall warten, und stört dabei nicht weiter. Wieso die Riesen jedoch die
fertige Burg Walhall als Tortenmodell in Form einer Akropolis hereintragen, an
der die Götter von Zeit zu Zeit mal naschen, ist eher überflüssig. Randall
Jakobsh überzeugt als Wotan mit einer fundierten Mittellage und markanten
Tiefen, wirkt in den Höhen allerdings bisweilen etwas angestrengt. Roswitha
Christina Müller stattet Fricka mit einem voluminösen Mezzo aus, der Frickas
heftigen Vorwürfe ihrem Gatten gegenüber extrem glaubwürdig macht. Michaela
Maria Mayer gefällt als Freia mit mädchenhaftem Sopran und bewegendem Spiel.
Bemerkenswert ist auch die Wandlung vom furchtsamen Mädchen zu einer liebenden
Frau, die um den toten Fasolt trauert und nicht von seiner Seite weichen will.
Bei den Riesen überzeugt vor allem Nicolai Karnolsky als Fafner mit schwarzem
Bass und diabolischem Spiel. Taehyun Jun wirkt dagegen als Fasolt ein wenig
blass.
Wotan (Randall Jakobsh, 2. von links) raubt
Alberich (Antonio Yang, links) den Ring (im Hintergrund auf dem Podest: Loge
(Vincent Wolfsteiner), rechts daneben: Mime (Hans Kittelmann)). Als Glanzlicht der Aufführung kann
Vincent Wolfsteiner als Loge bezeichnet werden. Mit manieriertem Spiel macht er
seine Einstellung den anderen Göttern gegenüber deutlich, die ihm mit Ausnahme
von Wotan nicht gerade gewogen sind, denen er sich allerdings absolut überlegen
fühlt. Sein beweglichem Tenor korrespondiert hervorragend mit der Wendigkeit
dieses Feuergottes, der nicht zu packen ist und immer die Oberhand behält.
Absolut nachvollziehbar wird, dass Alberich auf ihn hereinfällt, wenn er sich
zunächst in einen Riesenwurm und dann in eine kleine Kröte verwandelt, was ihm
anschließend zum Verhängnis wird. An dieser Stelle setzt Schmiedleitner schon
beinahe auf märchenhafte Effekte, auch wenn der Riesenwurm, der sich aus dem
Bühnenhintergrund nach vorne schiebt, eher an eine überdimensionale Made
erinnert. Wenn dann eine kleine Kröte aus dem Souffleur-Kasten auf die Bühne
springt, die von Wotan ergriffen und recht rüde auf den Boden geknallt wird,
kann sich ein Großteil des Publikums ein Schmunzeln nicht verkneifen. Da fiebert
man schon mit großer Erwartung der Umsetzung des Riesenwurms im Siegfried
entgegen.
Wotan (Randall Jakobsh, vorne rechts) im
Zwiespalt: Soll er für Freia (Michaela Maria Mayer) auf den Ring verzichten (im
Hintergrund von links: Fafner (Nicolai Karnolsky), Donner (Martin Berner) und
Froh (David Yim))? Als gelungen kann auch die Umsetzung
von Nibelheim bezeichnet werden. Zum einen erklingen von den Bühnenseiten bei
Wotans und Loges Abstieg echte Ambosse und schwellen zu einem regelrecht
ohrenbetäubenden Lärm an, der hierbei realistischer wirkt als bei zahlreichen
Aufführungen, bei denen die Ambosse nur vom Band eingespielt werden. Zum anderen
wird aus dem Bühnenboden ein Kasten emporgefahren, der als eine Art Höhle
fungiert und von den Nibelungen gold angestrichen wird. Hier gibt es nichts
Natürliches mehr. Alles ist mit goldener Farbe übertüncht. Eine Aufwertung
erfährt die Figur des Mime, der von Hans Kittelmann als bemitleidenswerter Zwerg
gestaltet wird und das Spiel der Götter mit Alberich aus der Distanz beobachtet.
Wenn Alberich von den Göttern überwältigt wird, nutzt er auch zunächst die
Gelegenheit, den Tarnhelm, den er ja von Anfang an für sich behalten wollte,
wieder an sich zu nehmen. Erst wenn die Nibelungen den Goldschatz zu den Göttern
bringen müssen, bemerkt Loge den Diebstahl und entwendet dem Zwerg den Tarnhelm.
Erda (Leila Pfister) warnt Wotan (Randall Jakobsh)
vor dem Ring.
Ob man das Kostüm der Erda im vierten Bild mag, ist Geschmacksache. Mit den
riesigen braunen Federn auf dem Kopf und dem nur mit grauer Farbe bedeckten
Oberkörper wirkt sie wie eine Magierin eines afrikanischen Naturvolkes.
Stimmlich wirkt Leila Pfister ein wenig unsicher, so dass die Szene nicht den
Eindruck hinterlässt, der nachvollziehbar macht, dass Wotan diese Frau erneut
aufsuchen muss. Der Einzug in die Burg Walhall wird dann nur durch grelle
Leuchtstoffröhren angedeutet, die im Hintergrund aus dem Schnürboden herabhängen
und zwischen denen die Götter verschwinden, während die Rheintöchter sich
klagend in einen Ledersessel kauern. Marcus Bosch führt die Staatsphilharmonie
Nürnberg äußerst zügig durch die Partitur, und auch wenn die Blechbläser an
einzelnen Stellen nicht ganz sauber intonieren, gelingt Bosch ein
differenzierter Zugang, der die Sänger nicht überdeckt und damit die
Übertitelung beinahe überflüssig macht. So gibt es für alle Beteiligten lang
anhaltenden Applaus am Ende der Aufführung.
FAZIT
Schmiedleitner gelingt ein stimmiger Ansatz dieses Vorabends, der neugierig auf
die im April stattfindende Premiere der Walküre macht. Auch die
musikalische Umsetzung lässt die Fortsetzung des Zyklus mit Spannung erwarten.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Marcus Bosch
Inszenierung
Georg Schmiedleitner
Bühne
Stefan Brandtmayr
Kostüme
Alfred Mayerhofer Licht
Olaf Lundt Video
Boris Brinkmann
Stefan Brandtmayr (Animation)
Dramaturgie
Kai Weßler
Statisterie Staatstheater
Nürnberg
Staatsphilharmonie Nürnberg
Solisten
Wotan
Randall Jakobsh
Donner
Martin Berner
Froh
David Yim Loge
Vincent Wolfsteiner
Alberich
Antonio Yang
Mime
Hans Kittelmann
Fasolt
Taehyun Jun
Fafner
Nicolai Karnolsky
Fricka
Roswitha Christina Müller
Freia
Michaela Maria Mayer
Erda
Leila Pfister
Woglinde
Hrachuhí Bassénz
Wellgunde
Leah Gordon
Flosshilde
Judita Nagyová
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