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Musiktheater
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Die ägyptische Maria (Maria Egiziaca)

Mysterium in einem Akt
Text von Claudio Guastalla nach Le vite dei Santi Padri (um 1320 - 1340) von Domenico Cavalca
Musik von Ottorino Respighi

in italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1h 15' (keine Pause)

Premiere in der Immanuelskirche in Wuppertal am 2. November 2013


Logo: Wuppertaler Bühnen

Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Maria als Spielleiterin


Von Thomas Molke / Fotos von Uwe Stratmann

Nachdem mit Schließung des Kleinen Schauspielhauses zum Ende der letzten Spielzeit den Wuppertaler Bühnen bis zur für den Herbst 2014 geplanten Eröffnung der neuen Spielstätte nahe des Opernhauses kein weiterer Ort für kleinere Produktionen im Bereich des Musiktheaters zur Verfügung steht, haben die Wuppertaler aus der Not eine Tugend gemacht und lassen einzelne Stücke unter dem Motto "Oper in der Stadt" an unterschiedlichen Standorten in Wuppertal zur Aufführung gelangen. Während man mit einer neuen Version der Odyssee, die die Laterna Magica-Technik des 19. Jahrhunderts nutzt, in einzelne Schulen geht, lockt eine Heiligenlegende aus dem 6. Jahrhundert, die Ottorino Respighi, der den meisten nur durch seine Rom-Trilogie mit dem - vor allem durch den Walt Disney-Film Fantasia - zum Klassiker avancierten Pini di Roma als Komponist von Orchesterwerken bekannt sein dürfte, nun in unterschiedliche Kirchen der Stadt. Die Aufführungsorte sind für das Mysterium in einem Akt, das als halbszenisches Semi-Oratorium 1932 in der Carnegie Hall in New York seine Uraufführung erlebte, passend ausgewählt, da der hallende Klang in einer Kirche den spirituellen Charakter des Werkes eindringlich einfängt.

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Hafen von Alexandria: von links: Matrose (Christian Sturm), der eine Freund (Annika Boos) und Maria (Dorothea Brandt)

Die Geschichte erzählt in drei Stationen das Leben der Maria von Ägypten, die von einer sündigen Prostituierten zu einer Büßerin in der Wüste am Jordan mutiert. Ist es zu Beginn noch ein schöner Matrose, dessen trauriger Gesang Maria so bewegt, dass sie ihn bittet, mit auf das Schiff nach Jerusalem zu nehmen, und ihm als Gegenleistung ihren Körper anbietet, lässt sie sich von der Begeisterung für das Christentum bei der Feier der Kreuzaufrichtung in Jerusalem schnell anstecken, als sie erlebt, wie eine Frau über die ansteckende Lepra-Krankheit eines Mannes hinwegsieht und ihn dennoch am Arm in die Kirche führt. Doch noch halten sie innere Stimmen davon ab, ebenfalls die Schwelle zu übertreten. So zieht sie sich an die Ufer des Jordan zurück, wo sie erneut auf den Pilger Zosimo trifft, der ihr einst die Überfahrt nach Jerusalem wegen ihres Lebenswandels verwehren wollte. Nun erkennt er, welchen inneren Wandel Maria vollzogen hat und gewährt ihr Gottes Segen, so dass Maria in Frieden sterben kann.

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Maria (Dorothea Brandt) überredet den Matrosen (Christian Sturm), sie mit nach Jerusalem fahren zu lassen.

Respighis Musik, die sich mit einem gewissen Neomadrigalismus einerseits deutlich von Verdi und Puccini abhebt, sich andererseits aber auch deutlich von impressionistischen Strömungen aus Frankreich und dem kalten Stil eines Schönberg unterscheidet, entfaltet sich in der Immanuelskirche zu einem so mystischen Klang, dass man die szenische Umsetzung gar nicht gebraucht hätte, zumal Johannes Blums Regie-Ansatz stellenweise eher verwirrt als, dass er Klarheit in den Handlungsstrang bringt. So lässt er in den ersten beiden Episoden Maria als eine Art Conferencier oder Spielleiterin mit einem schwarzen Frack und Zylinder auftreten, die die Kostüme für die anderen Mitspieler bereithält. Dem Matrosen reicht sie das Tuch, den beiden Frauen ihr Cape, so dass die anderen Figuren erst auf der kleinen hinter dem Orchester aufgerichteten Bühne in ihr Kostüm schlüpfen. Nur der Pilger Zosimo geht seinen eigenen Weg und scheint, von dieser Spielleiterin unabhängig zu sein. Am Ende ist er es auch, der Maria ihren Mantel abnimmt, unter dem sie nun ein langes weißes Büßerinnengewand trägt.

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Die Bettlerin (Joslyn Rechter) begleitet den Aussätzigen (Christian Sturm) in die Kirche (im Hintergrund: Maria (Dorothea Brandt)).

Statt eines Bühnenbildes, auf das sicherlich auch aus organisatorischen Gründen verzichtet wird, da man diese Produktion ja in unterschiedlichen Kirchen zur Aufführung bringt, wird mit Videoprojektionen gearbeitet, die eine Gruppe von jungen Menschen im Rahmen des Medienprojektes Wuppertal für einzelne Szenen erarbeitet hat und die das inhaltliche Spektrum des Stückes beschreiben sollen. Diese Projektionen werden zum einen auf die Rückwand hinter die Solisten projiziert, zum anderen auch an die Decke, wobei die Bilder nicht immer zum Verständnis des Stückes beitragen. Wenn man sich nicht vorher mit dem Inhalt genau auseinandergesetzt hat oder der italienischen Sprache nicht mächtig ist, hat man durch diese Bilder keinerlei Chance, den Handlungsablauf besser nachvollziehen zu können. Vielleicht wäre es hier sinnvoller gewesen, doch stattdessen Übertitel an die Rückwand zu projizieren, weil dann einzelne Szenen sicherlich klarer geworden wären.

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Maria (Dorothea Brandt) erhält am Ende ihres Lebens durch Zosimo (Thomas Laske) Gottes Segen.

Trotz dieser kleineren szenischen Mängel kann die Produktion im Ganzen als gelungen betrachtet werden, was vor allem den Sängern, den Musikern und dem wunderbaren Klang in der Kirche zu verdanken ist. Hat das Sinfonieorchester Wuppertal auch zu Beginn der Aufführung noch für einige Irritation gesorgt, als die Musiker mit gelben Streik-Westen auftreten und in einer Erklärung ihrem Unmut darüber Luft machen, dass die Anfang 2010 im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vereinbarte Lohnerhöhung für die Musiker bis jetzt noch nicht umgesetzt worden sei, so dass den Musikern bis jetzt hochgerechnet zwei ganze Monatsgehälter fehlen würden, erklären sie sich trotz des Protestes bereit, die Vorstellung nicht durch Streik platzen zu lassen, und beweisen unter dem umsichtigen Dirigat von Florian Frannek, der die mystischen Momente der Musik sorgfältig herausarbeitet, den besten Grund dafür, wieso die Forderungen nach Einhaltung des Tarifvertrags für einen so wunderbaren Klangkörper unbedingt eingehalten werden sollten.

Der von Jens Bingert einstudierte Chor präsentiert sich von den beiden Seitenemporen mit einem absolut homogenen Klang. Christian Sturm begeistert als Matrose mit lyrischem Tenor, der im Hall der Kirche eine tiefe Sehnsucht und Wärme ausstrahlt. Als Aussätziger lässt er mit seiner weichen Stimme die traurige Verzweiflung des Mannes regelrecht spürbar werden. Auch Annika Boos und Joslyn Rechter überzeugen in ihren Partien, Boos mit klarem Sopran, Rechter mit sattem und warmem Mezzo. Stars des Abends sind Thomas Laske als Pilger Zosimo und Dorothea Brandt in der Titelpartie. Laske stattet den Pilger mit einem unnachgiebigen und harten Bariton aus, der erst am Ende die Wandlung Marias erkennt und ihr den Segen nicht mehr verwehrt. Brandt vollzieht die Entwicklung der Titelpartie von der Sünderin zur Büßerin mit einem glockenklaren Sopran, der zu Beginn noch enorme Lebensfreude versprüht und zum Ende hin in regelrecht ätherische Klänge übergeht. Mit welcher Feinheit sie die Spitzentöne präsentiert, macht die Faszination der Titelpartie nachvollziehbar, die als Sünderin die Massen anzieht und als Büßerin Zosimo dazu bewegen kann, ihr Gottes Segen zu gewähren.

FAZIT

Diese Produktion der Wuppertaler Bühnen sollte man aus zwei Gründen nicht verpassen: zum einen, weil dieses Stück so gut wie nie auf der Bühne zu erleben ist, zum anderen, weil die Kirche ein prädestinierter Aufführungsort zur Erzählung dieser Geschichte ist, der auch Nicht- bzw. Anders-Gläubigen schon allein wegen der Musik unter die Haut gehen dürfte.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Florian Frannek

Inszenierung
Johannes Blum

Kostüme
Johannes Weigand

Video
Medienprojekt Wuppertal

Videoprojektionen
Christian Hampe

Choreinstudierung
Jens Bingert

 

Opernchor der
Wuppertaler Bühnen

Sinfonieorchester Wuppertal


Solisten

*Premierenbesetzung

Maria
Dorothea Brandt

Pilger / Zosimo
Thomas Laske

Matrose / Aussätziger
*Christian Sturm /
Nathan Northrup

Der eine Freund / Die Blinde /
Stimme des Engels
Annika Boos

Der andere Freund / Die Bettlerin
Joslyn Rechter

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



Da capo al Fine

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