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Kolpings Traum

Musical von Christoph Jilo und Dennis Martin
Eine Produktion von Spotlight Musicalproduktion


Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Aufführungsserien vom 2. - 11. 8. 2013 in Fulda und 15.8. - 1.9.2013 in Wuppertal
rezensierte Aufführung: 29. August 2013 im Opernhaus Wuppertal

Logo: Kolpings Traum

Das Musical - Kolpings Traum
(Homepage)

Ein sanfter Zauderer, der niemandem weh tun möchte

Von Stefan Schmöe / Fotos Copyright © 2013 spotlight Musicalproduktion GmbH

Einen Musicalhelden stellt man sich gewöhnlich anders vor als diesen Adolph Kolping. Ein theaterwirksamer Revolutionär mit heroischem Schicksal ist der Schusterlehrling, der Dank einer reichen Gönnerin auf dem zweiten Bildungsweg Priester wurde, nicht gewesen. Sensibilisiert für die sozialen Missstände, der Schattenseite der industriellen Revolution, engagierte sich Kolping für die durch Arbeitslosigkeit oder Ausbeutung verarmte Arbeiterschaft. In Elberfeld, heute Stadtteil von Wuppertal, wurde er in die Leitung des 1846 von Johann Gregor Breuer gegründeten katholischen „Gesellenvereins“ gewählt, der seinen Mitgliedern soziale Unterstützung, Gesundheitsfürsorge und Bildung versprach. Kolping erkannte die Bedeutung der Einrichtung, lies sich in das größere Köln versetzen, um dort einen entsprechenden Verein zu gründen Die expandierende Struktur erforderte schnell einen Dachverband, dessen Vorsitzender Kolping wurde – der Vorläufer des heutigen Kolpingwerks, einem der größten Sozialwerke der katholischen Kirche. Adolph Kolping – ein katholischer Sozialreformer im Geiste des deutschen Vereinswesens. Das soll eine Musicalfigur sein?

Foto kommt später Kolping mit seinem Freund und zeitweiligen Widersacher Karl Wagner

Soll er, hat sich die in Fulda beheimatete spotlight Musicalproduktion auf eine Anregung des Kolpingwerks hin gedacht, und Kolpings Traum produziert. In Fulda ist das Stück mit großem Erfolg gelaufen. Thematisch ist es natürlich eine sinnvolle Entscheidung, auch an Kolpings Wirkungsstätte im heutigen Wuppertal zu spielen. Das Theater aber während der spielfreien Zeit in den Sommerferien für einen vermeintlich spröden Stoff anzumieten, erscheint in der konfessionell buntgescheckten Stadt mit historisch gepflegtem Hang zu sektiererischen Ausgliederungen trotzdem geradezu verwegen. Der Mut scheint sich indes gelohnt zu haben: Eine Auslastung von mehr als 95% (davon können die krisengeschüttelten Wuppertaler Bühnen nur träumen, legen aber immerhin mit Evita in ein paar Wochen musicaltechnisch nach) einschließlich einer Zusatzvorstellung dokumentiert den Erfolg ebenso wie stehende Ovationen nicht nur nach der hier besprochenen Aufführung. Kolpings Traum trifft offenbar den Nerv der meisten Besucher.

Foto kommt später

Tanz im Zeichen der Industrialisierung: Ensemble

Ob man da im Wesentlichen aus den katholischen Milieus mit entsprechender Kolping-Verehrung schöpft? Dieser Bühnen-Kolping, ein dauerzaudernder Schöngeist, ist nämlich so fleischlos geraten, dass man schon Plan dahinter vermuten kann: Nur nicht am Denkmal kratzen, immer schön die Projektionsfläche sauber halten. Maximilian Mann, stimmlich an den wenigen dramatischen Stellen eher zuhause als in den introvertiert-lyrischen Phrasen, singt und spielt ihn dazu arg weinerlich. Ohnehin wird er von Christoph Jilo (Text, Buch und Regie) und Dennis Martin (Text, Komposition) weitgehend als Stichwortgeber für die anderen Figuren verwendet, die in einer revuehaften Folge von Einzelszenen die dramatische Handlung voran treiben. Da ist als heimliche Hauptfigur Kolpings Gesellenfreund Karl Wagner, der zupackend beider Karriere in die Hand nimmt, vom Frauenheld zum Familienvater, Aufrührer, Räuber, Attentäter und Barrikadenkämpfer wird (Dennis Henschel singt und spielt das überzeugend aus). Psychologische Feinarbeit wird man genrebedingt nicht erwarten dürfen, aber es gelingt den Machern des Stücks recht gut, an dieser schillernden Figur die Spannung aufrecht zu erhalten. Übrigens ohne Orchester: Das kommt, im vorgeblich symphonischen Gewand fürchterlich synthetisch zusammengefriemelt, aus der Konserve.

Foto kommt später Die weibliche Hauptfigur: Susanne, Karls Geliebte und Ehefrau, mit Kind

Bei Karl ist auch die für ein Musical unbedingt erforderliche Liebesgeschichte angesiedelt, die dem katholischen Priester Kolping verwehrt bleiben muss. Sabrina Weckerlin, hervorragend bei Stimme, ist mit der leider ziemlich brav geratene Susanna, die offensichtlich in erster Linie katholisch-konservativen Familienbildern entsprechen muss, hoffnungslos unterfordert – was noch mehr für die hinreißend und mit großem jugendlichen Schwung singende Tina Haas als Fabrikantengattin Frieda Karcher, Kolpings Geldgeberin (und platonische Liebhaberin), gilt. Deren Gatte Wilhelm ist ein abgrundtief böser Erzkapitalist (worüber Claus Dam mit jovialem Charme hinweg spielt). Léon van Leeuwenberg leitet als alter allzu altersmilder Kolping, der seine Biographie Revue passieren lässt, wie ein Conferencier durch das Geschehen. Das ist als bunte Szenenfolge handwerklich ordentlich gearbeitet mit nicht unbedingt origineller, aber durchaus abwechslungsreicher und zündender Musik und ist ohne überflüssigen Schnickschnack geradlinig und solide als gutes Unterhaltungstheater inszeniert.

Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiter, ein besonders schauriger Kapitalist (Motto: Geld regiert die Welt“), ein im Elend ohne das Geld für Gesundheitsfürsorge gestorbenes Kind - eigentlich schreit die Handlung nach Revolution. Was hätte Verdi, im gleichen Jahr wie Kolping geboren, daraus gemacht? Hier wird's dagegen katholisch handzahm. Wenn Karl auf den Barrikaden der 1848er-Revolution erschossen wird und dieses Ereignis für Kolping zum (soundsovielsten) Erweckungserlebnis wird (so gehört sich's schließlich für's Theater), dann gipfelt das – in ein bisschen zivilem Ungehorsam und dem Schlusschor „Gib' der Welt ein besseres Gesicht“. Die zentrale Botschaft des Abends wird am Ende ganz offen formuliert: „Spendet Geld für das Kolping-Werk!“ (kann man gleich im Klingelbeutel am Ausgang erledigen). Als eine zentrale Figur der katholischen Soziallehre hat Kolping zu Recht seinen Platz in der Geschichte. Das Theater aber hat andere Helden verdient.


FAZIT

Notfalls auch ökumenisch kirchentagstauglich: Ziemlich geschickt manövrieren die Macher von Kolpings Traum das Stück zwischen konservativen Wertevorstellungen (Familie! Anstand! Ordnung!) und genretypischen Klischees (Erotik! Leidenschaft! Revolution!) hindurch, ohne nennenswert anzuecken, und gewinnen dem Stoff trotzdem akzebtable Unterhaltungsqualitäten ab.



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Produktionsteam

Text, Komposition
Dennis Martin

Produktionsleitung
Peter Scholz

Text, Buch & Regie
Christoph Jilo

Choreographie & Co-Regie
Doris Marlis

Kostüme
Ute Carow

Lichtdesign
Rüdiger Benz

Chorleitung
Andreas Pabst



Solisten

Adolph Kolping
Maximilian Mann

Karl Wagner
Dennis Henschel

Susanne Beck
Sabrina Weckerlin

Karcher
Claus Dam

Frieda
Tina Haas

Breuer
Dietmar Ziegler

Carnap
Olaf Meyer

Alter Kolping
Léon van Leeuwenberg

Chor, Tänzer
Jenny Schlensker
Yasuko Kayamori
Tina Haas
Linda Stark
Tamina Ciskowski
Karolin Konert
Dietmar Ziegler
Sascha Kurth
Lars Rindelaub
Robert Schmelcher
Olaf Meyer
Kristian Lucas
Guido Breidenbach
Katharina Brehl
Kristin Heil
Jörg Alt
Torsten Paul

Kinder
Elena Baumgardt
Maja Reineke


Weitere Informationen
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