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Im Farngestrüpp verheddert
Von Joachim Lange / Fotos von Bernd Uhlig Wenn Andrea Breth Oper inszeniert, dann sind die Erwartungen hoch. An die Präzision der Personenführung und die psychologische Tiefenlotung. Und wenn wie im Falle von Verdis Macbeth ein Shakespeare-Stoff auf dem Programm steht, dann kommen die Bilder und die Faszination ihrer Hamlet-Exerzitien am Burgtheater noch hinzu. Doch diesmal verblüfft, ja irritiert sie mit eine Szenenfolge im Holzschnitt-Format. Mit erheblichen musikalischen Kollateralschäden. Die Kunstpausen bei jedem Szenenwechsel ließen Marc Albrecht nämlich kaum eine Chance, am Pult des Nederlandse Philharmonisch Orkest der transparenten Beredsamkeit des Grausens auch noch den Spannungsbogen der Tragödie respektive des Politthrillers hinzuzufügen. Richtig packend war das, was aus dem Graben kam, immer nur dann, wenn der Vorhang geschlossen war. Macbeth, Banco und die Hexen im Farnwald
Beim ersten Bild hat Martin Zehetgruber einen dichten Farnwald-Hügel für die Hexen vor nächtliches Dunkel gesetzt, und da macht noch die atmosphärische Opulenz Eindruck. Wie sie da im frischen Grün und hinter geheimnisvollen Bücherbergen dem ehrgeizigen Macbeth und seinem Freund Banco ihre inneren Wünsche bewusst machen. Dass dieser Farnwald als metaphorisches Unterholz der Obsessionen meist auch durch die Panorama-Verglasung der kühlen Innenräume der Macht sichtbar bleibt, ergibt Sinn. Dass die Hexen bei dem Besuch, den ihnen Macbeth als König für die zweite Prophezeiungsrunde abstattet, gleich zwei Etagen bevölkern, hat sogar Witz. Oben putzen sie wie bessesen in dem hermetisch abgepolsterten Lebensraum der Lady. Darunter haben sie sich in den Archiven der Macht vergraben und blättern in den Akten. Herrschaftswissen als Hexerei. Das Bankett: Eine Tafel voller Fleisch
Doch die Wucht dieses Bildes entschärft sich selbst. Die Machtbesessenheit der Lady Macbeth auf ihre traumatisch entbehrte Mutterschaft zu reduzieren (für die ein leeres Kinderbett und der weiße Riesen-Teddy überdeutlich stehen), das ist für eine Regisseurin dieses Formats allzu simpel. Diktatorenehrgeiz versus Familienpflichten ist sogar fast schon sexistisch. Klar, dass der Teddy dann auch noch brennen muss, wenn die Katastrophe näher rückt und die Lady im leeren Kinderbett landet, wenn der Wahnsinn bei ihr triumphiert. Bei der Bankettszene wird die üppige Tafel zwar mit Bergen von rohem Fleisch dekoriert, aber die Festgesellschaft bleibt auch dann Staffage, wenn der ermordete Banco, im grünen, nur für Macbeth sichtbaren Licht in Uniform und unversehrt über die Bühne stolziert. Obendrein benimmt sich auch noch die Lady daneben, obwohl die ja eigentlich die peinliche Situation rettet. Die tote Lady im Kinderbett, Macbeth mit der Dame der Lady
Neben etlichen kleineren Ungereimtheiten setzt Andrea Breth die explizit politischste Szene der ganzen Oper, den Patria-opressa-Chor, regelrecht in den Sand bzw. ins Farngestrüpp mit Kitschblüten. Dieser Chor macht immer noch ohne Handlunsgaktionismus, selbst, wenn er nur die Rampe platziert wird, den größten Eindruck. Hier kämpft er sich durchs Gestrüpp, hier fällt Macduffs Sohn tot dem Vater in die Arme, während die Tochter unbeachtet entschwindet. Hier schreitet eine Gestalt mit lichterloh brennendem Arm wie das gepeinigte Vaterland von dannen. Während Malcolm in Begleitung von zwei Schwerbewaffneten auftaucht, die ihre Maschinenpistolen auch dann noch auf die „eigenen“ Leute richten, wenn der gemeinsame Kampf gegen Macbeth längst beschlossene Sache ist. Es ist sowieso ein Phänomen, dass die Attrappen automatischer Waffen auf der Opernbühne von den Regisseuren immer wieder mit Vorliebe auf die eigenen Vorgesetzten und Leute gerichtet werden. Am Ende hat dann Malcolm die Krone auf dem Kopf und steigt mit dicker Zigarre ins Kinderbett zur toten Lady. Alles klar? Leider ja, denn diese Breth-Inszenierung kann man sich nicht schön oder spannend reden. Da hilft alles nix. Der Macbeth von Scott Hendricks ist solide, Wookyung Kim räumt mit der Macduff-Arie ab. Wenigstens er. Dass die vorgesehene Lady, Nadia Michael, durch Amarilli Nizza ersetzt werden musste, ist Künstlerpech. Man kann sich zwar auf Verdis Forderung berufen, dass es für diese Rolle ausdrücklich keiner schönen Stimme bedarf, aber damit ist nicht jede Enge und jedes Flackern zu rechtfertigen. So kann denn auch die vokale Ausstattung und Marc Albrechts offenkundiges Verdi-Feeling am szenischen und musikalischen Zerfallen dieses Macbeth nichts ändern. Der Beifall des an sich toleranten Amsterdamer Publikums hielt sich in Grenzen, Andrea Breth kassierte sogar etliche Buhs.
In Amsterdam erfüllte Andrea Breth bei ihrer Bebilderung die hohen Erwartungen, die man an Arbeiten dieser Regisseurin haben darf, diesmal nicht . Auch die überzeugende Qualität, die Marc Albrecht im Graben bot, konnte sich durch dauernde Umbaukunstpausen nicht voll entfalten. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Choreinstudierung
Dramaturgie
Solisten
Macbeth
Banco
Lady Macbeth
Dame der Lady Macbeth
Macduff
Malcolm
Arzt/ Diener von Macbeth
Sicario
Apparizioni
(Chorschule Utrecht)
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