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Ariadne auf Naxos

Oper in einem Aufzug nebst einem Vorspiel
Text von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 25' (eine Pause)

Premiere an der Staatsoper Unter den Linden im Schillertheater am 14. Juni 2015


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Staatsoper Berlin
(Homepage)
Der Tod bringt die Unsterblichkeit

Von Roberto Becker / Fotos von Monika Rittershaus

In Berlin gibt es jetzt an der Staatsoper im Schillertheater die gängige Variante von Ariadne auf Naxos. Also jene, bei der nur der Haushofmeister als Sprechrolle vom eigentlich mal der Oper vorgeschalteten Schauspiel übrig geblieben ist. Einem Regisseur wie Hans Neuenfels (74) wäre da sicherlich eine originelle Kombination eingefallen. Aber auch bei der Opernversion kann er zwei seiner schon oft angewendeten Regieideen einsetzen. Die eine heißt Elisabeth Trissenaar, ist Neuenfels’ Ehefrau und Schauspielerin, also der Haushofmeister; ein gefeierter Gewinn für ein auch sonst exzellentes Ensemble.

Die andere Idee ist eine von seinen hinzu erfundenen Figuren, die durch die Geschichten, die Neuenfels erzählt, geistern und ganz eigene Assoziationsräume öffnen. Diesmal ist es ein Puppenspieler, mit der Aufschrift das Schicksal auf dem T-Shirt und zwei Köpfen (von Ariadne und Theseus an den Händen) mit denen er u.a. den Monolog der Ariadne illustriert.

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Der Haushofmeister gibt bekannt, was sein Chef von den Künstlern fordert.

Vor 15 Jahren ließ Neuenfels einen jungen Mann durch seinen< i>Nabucco an der Deutschen Oper geistern, der erst über die Oper staunte, und dann in ihre Brisanz verwickelt wurde. Damals schlug dem Regisseur bei der Premiere eine erschreckende Welle von Hass entgegen. Diesmal war es einhelliger Jubel. Dass der notorische Provokateur des westdeutschen Teils des sogenannten Regietheaters (wie sein Kollege Peter Konwitschny, der für die ostdeutsche Variante ambitionierten Musiktheaters steht) bei Premieren mittlerweile allgemeine Anerkennung genießt, deutet auf ihren Status als Altmeister hin, den beide mittlerweile haben. Vielleicht auch auf mehr Offenheit beim Publikum, das aber vor allem goutiert, wenn einer ganz offensichtlich seine Mittel beherrscht und etwas zu sagen hat.

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Der Komponist und Zerbinetta

Neuenfels’ Ariadne ist in dieser Hinsicht exemplarisch! Man hat das Gefühl, dass es genauso sein muss, wie man es sieht. Auch ohne das Interieur eines Neureichen auf der nahezu abstrakten Bühne von Katrin Lea Tag. Die ist vor allem weiß und leer, kommt mit ein paar Vorhängen und verschiebbaren Wänden aus. Eigentlich ist sie das unbeschriebene Blatt, dass von der Regie gefüllt wird. Mit einer Personenregie, die die szenische Komik und die Tragik, also das Geschehen auf der ersten Handlungsebene und die Bedeutung dahinter, minutiös aus der Musik heraus entwickelt. Sie bleibt in jedem Moment ganz dicht bei Strauss und Hofmannsthal und verdeutlicht, ohne die Geschichte für eigene Befindlichkeiten zu okkupieren.

Wobei das nicht ganz stimmt, denn was die Haushofmeisterin Trissenaar hier an hochnäsiger Parvenü-Arroganz von ihrem stinkreichen Dienstherrn und Kunstliebhaber an die beiden Künstlertruppen weiterreicht, das ist eine Geschichte des Umgangs mit Künstlern über die Zeiten hinweg. Also nicht nur die im Hause eines der reichsten Männer von Wien, sondern auch die in einem der reichsten Länder der Welt. Unwillkürlich kommt einem da in den Sinn, was die neue Vorsitzende des Bühnenvereins gerade über die unhaltbaren Niedriglohnzustände für Hochkulturproduzenten im Deutschland von heute in der Süddeutschen Zeitung zu Protokoll gegeben hat. Der Geldautomat, der einmal im Hintergrund auftaucht, reicht für diesen Link in die Gegenwart, als Menetekel an der Wand, völlig.

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Zerbinetta versucht, Ariadne aufzumuntern

Einem dosiert doppeldeutigen Coup kommt das Ende des ersten Teils nahe, wenn hinter der schönen Zerbinetta mit gewaltigem Getöse lauter Trümmer auf die Bühne plauzen. In der Pause kann man überlegen, ob es die Trümmer der Kultur sind oder nur die Dekoration für die wüste einsame Insel, die sich der junge Komponist für sein Hohelied auf die Liebe ausgedacht hat. Die für seine Ariadne die Liebe zu dem Einen ist. Hier gesellt sich dann doch zum souveränen Erzähler der Hinterfrager Neuenfels. Bei ihm sind die beiden Frauen einerseits aus Fleisch und Blut - soll heißen, jede auf ihre Weise sinnlich und attraktiv. Andererseits verkörpern sie zwei Möglichkeiten, wie man mit dem Geheimnis der Liebe umgehen kann. Ariadne schreibt ihren Glaubenssatz „Die Liebe ist einzigartig“ an die Wand - und hält sich bei Neuenfels mit bitterer Konsequenz daran. Der nimmt nämlich die Bemerkung des Komponisten „Sie stirbt wirklich“ todernst: Ariadne bringt sich selbst um. Sie glaubt Bacchus nicht, dass er eine Lebensalternative für sie ist und bleibt dabei, ihn für den Gott des Todes zu halten. Auch die lebenslustige Zerbinetta mit ihrem Grundsatz „Die Liebe hat unzählige Gesichter“ war nicht zu ihr durchgedrungen. Am Ende ist Bacchus im wahrsten Sinne des Wortes ausgestiegen. Hinab in den Graben. Wenn Ariadne tot am Boden liegt, dann kommt der Komponist noch einmal auf die Bühne und legt sich neben sie. Gut dialektisch also die Unsterblichkeit durch den Tod? Bleibt die Frage, ob es Zerbinetta tatsächlich gelungen ist, wenigstens dem Komponisten einen anderen Blick auf die Kunst und die Liebe zu ermöglichen. Vielleicht ist dieses Ende seiner Oper auch der Abschied vom Glauben der Jugend an die eine große Liebe.

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Das tragische Ende: Ariadne ist tot und Bacchus ausgestiegen

Diese Inszenierung ist auch deshalb so nachhaltig angenehm, weil sie das Stück eben nicht einfach auf dem kurzen Weg nur in die Eindeutigkeit einer handfeste Komödie entlässt. Aber auch davon gibt es eine fein abgewogene Dosis. Selbst wenn sich die Männer aus Zerbinettas Truppe schwarze Gummi-Phalli umschnallen und damit herum wedeln, wirkt das nicht aufgesetzt. Zumal da gerade anzüglich von Bocksprüngen gesungen wird. Ähnlich wird die Ankunft von Bacchus angekündigt. Mit einer kleinen Prozession, bei der Priester und mythische Satyrgestalten friedlich vereint, eine kleine Hermes-Statue hereintragen. Daneben verweisen die Kostüme zwar auf die Entstehungszeit des Werkes, stören aber nicht den exemplarischen Zugang.

Musikalisch bietet die Staatskapelle unter der Leitung von Ingo Metzmacher einen zuförderst durchsichtig nachdenklichen, dann aber auch wieder opulenten Straussklang. Immer darauf bedacht, die vokale Prachtentfaltung der Sänger zu stützen. Natürlich räumt Brenda Rae als Zerbinetta mit ihren Koloraturen ab. Die kommen so natürlich, dass es eine wahre Freude ist. Camilla Nylund ist eine klare und von der Todessehnsucht umwölkte Ariadne. Roberto Saccá, ganz im Vollbesitz seiner vokale Möglichkeiten, ein prachtvoller Bacchus. Aber auch Roman Trekel überzeugt als Musiklehrer genauso wie Marina Prudenskaya als Komponist. Alle kleineren Rollen sind sorgfältig besetzt.

FAZIT

Zum Ende der Spielzeit gelingt der Staatsoper ihre überzeugendste Neuproduktion der Spielzeit. Musikalische Qualität und szenische Souveränität sind auf eine Weise vereint, wie es für dieses Haus immer sein sollte und in diesem Falle wirklich ist.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Ingo Metzmacher

Inszenierung
Hans Neuenfels

Bühnenbild
Katrin Lea Tag

Kostüme
Andrea Schmidt-Futterer

Licht
Stefan Bolliger

Dramaturgie
Yvonne Gebauer


Staatsopernchor Berlin

Staatskapelle Berlin


Solisten

Der Haushofmeister
Elisabeth Trissenaar

Der Musiklehrer
Roman Trekel

Der Komponist
Marina Prudenskaya

Primadonna / Ariadne
Camilla Nylund

Tenor / Bacchus
Roberto Saccà

Zerbinetta
Brenda Rae

Harlekin
Gyula Orendt

Scaramuccio
Stephen Chambers

Truffaldin
Grigory Shkarupa

Brighella
Jonathan Winell

Najade
Evelin Novak

Dryade
Annika Schlicht

Echo
Sónia Grané

Der Offizier
Patrick Vogel

Der Perückenmacher
Maximilian Krummen

Lakai
Arttu Kataja

Tanzmeister&xnbsp;
Florian Hoffmann

Puppenspieler
Jarnoth



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoper Unter den Linden Berlin
(Homepage)



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