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Der Traum vom vergangenen Ruhm Von
Thomas Molke /
Fotos von Martin Becker Norma Desmond (Brigitte Oelke) lebt in ihrer Erinnerung. Die Geschichte basiert auf der gleichnamigen Verfilmung von Billy Wilder aus dem Jahr 1950. Die ehemalige Stummfilm-Diva Norma Desmond träumt, abgeschottet in ihrer Villa auf dem Sunset Boulevard, von ihrem vergangenen Erfolg. Bestärkt wird sie darin von ihrem Butler Max von Mayerling, der als ihr ehemaliger Ehemann und Regisseur versucht, diese heile Welt aufrecht zu erhalten. Als dann durch eine Verstrickung von Zufällen der arbeitslose Schriftsteller Joe Gillis auf ihrem Anwesen landet, hofft sie, in ihm einen Verleger für ihr verfasstes Drehbuch zu finden, das ihr ein Comeback in Hollywood ermöglichen soll. Joe lässt sich in seiner finanziellen Not auf diesen Deal ein und wird sogar Normas Liebhaber. Allerdings arbeitet er im Stillen an einem ganz anderen Drehbuch, das er gemeinsam mit Betty Schaefer, der jungen und hübschen Verlobten seines Freundes Artie Green, in nächtlichen Sitzungen entwickelt. Als Norma eine Einladung zu den Paramount Studios erhält, glaubt sie, nun endlich wieder ins Filmgeschäft einsteigen zu können. Doch Max erfährt, dass man kein Interesse an Norma, sondern nur an ihrem Wagen habe, den man gerne für einen Filmdreh nutzen wolle. Immer schwieriger wird es für ihn, die Wahrheit vor Norma zu verschweigen. Als diese hinter Joes heimliche Treffen mit Betty kommt, versucht sie, die Beziehung zwischen den beiden zu beenden. Doch Joe ist nicht länger bereit, für Norma eine Scheinwelt aufzubauen, und will sie verlassen. Da erschießt Norma ihn. Als die Reporter und die Polizei am nächsten Tag vor der Villa stehen, um Norma abzuführen, glaubt Norma immer noch an ihr Comeback ins Show-Business und bereitet sich auf ihren großen Auftritt vor. Der Schriftsteller Joe Gillis (Matthias Otte, rechts) lässt sich vom Butler Max (Tom Zahner, links) sein neues Zimmer zeigen. Ulv Jakobsen hat für die zahlreichen Szenenwechsel ein variables Bühnenbild geschaffen, das schnell zwischen Hollywood-Studio und Normas Anwesen wechseln kann. Dabei erhält Normas Villa mit den großen Orgelpfeifen auf der linken Seite und der beeindruckenden Videoprojektion eines Kirchenfensters im Hintergrund etwas Sakrales. Die Treppe, die vor diesem riesigen Fenster herabführt, ermöglicht der Diva jeweils einen bühnenwirksamen Auftritt, der auch noch durch ihre mondäne Garderobe, für die ebenfalls Jakobsen verantwortlich zeichnet, hervorgehoben wird. Unterstützt wird diese Glorifizierung, wenn auch noch Normas Gesicht inmitten des sich drehenden Fensters in der Projektion sichtbar wird. Das Studio hingegen ist wesentlich einfacher gehalten und vermittelt den Glitter und Tand eigentlich nur dann, wenn man sich mitten in einem Dreh befindet. Wenn Norma beispielsweise im zweiten Akt das Studio betritt, sind die Wände mit einem goldenen Tuch verhängt, was Norma noch einmal in ihre ruhmreiche Vergangenheit zurückführt. Als besonders gelungen kann auch die Silvesterparty am Ende des ersten Aktes bezeichnet werden. Der Bühnenboden wird hochgefahren und zeigt Arties Wohnung, wo die Gäste auf relativ engem Raum feiern, während darüber Norma einsam und verlassen durch ihr riesiges Haus irrt. Auf den hohen Säulen in Normas Villa sieht man in Videoprojektionen bisweilen Filmfetzen, die wohl an Normas glorreiche Zeit als Stummfilmstar erinnern sollen. Auch ihre Anfahrt zum Hollywoodstudio am Beginn des zweiten Aktes ist in der Videoprojektion von Konrad Kästner nahezu wie ein alter Stummfilm inszeniert. Während Norma einsam ihren Erinnerungen nachhängt, feiern Arties Freunde (links vorne: Mary (Michaela Duhme) und Sheldrake (Bernard Niemeyer), rechts vorne: Heather (Natascha C. Hill) und Myron (Fabian Kaiser) mit dem Opernchor) ausgelassen Silvester. Mit Brigitte Oelke hat man für die Norma Desmond eine charismatische Sängerdarstellerin verpflichten können, die der Figur mehr als gerecht wird. Oelke besitzt bei jedem Auftritt eine solche Bühnenpräsenz, so dass man sich gut vorstellen kann, wie sie zu Zeiten des Stummfilms mit ausladender Mimik und Gestik das Publikum begeistert hat. Ihre beiden musikalischen Nummern "Nur ein Blick" ("With One Look") und "Träume aus Licht" ("New Ways to Dream") werden musikalisch und szenisch durch Oelkes Interpretation zu Höhepunkten des Abends. Bitterböse gelingt auch die Nummer "Ein bisschen leiden" ("Eternal Youth is Worth a Little Suffering"), in der Michaela Duhme als Ärztin mit den Damen des Opernchors Norma erläutert, was sie alles ertragen müsse, um sich für ihr Comeback in Hollywood bereit zu machen. Wie Oelke mit regungsloser Miene diese sarkastisch anmutenden Empfehlungen erträgt, ist ganz große Schauspielkunst. Auch das Finale des Abends geht unter die Haut. Wenn Norma nach dem Mord an Joe im Salome-Kostüm auftritt und den Tod des Täufers mit ihrem Geliebten Gillis vermengt, wird das von Oelke genauso großartig in Szene gesetzt wie das Schlussbild, in dem Oelke vor dem schwarzen Vorhang als Star posiert, wobei ihr Gesicht auf den Vorhang projiziert wird. Doch auch die anderen Solisten überzeugen sängerisch und darstellerisch, so dass der Abend nicht zu einer One-Woman-Show wird. Matthias Otte, der für den erkrankten Veit Schäfermeier als Joe Gillis eingesprungen ist, gestaltet den Schriftsteller mit großer Stimme und beeindruckt vor allem in dem Song "Sunset Boulevard", in dem er die Vorzüge eines Lebens in Luxus besingt. Mit bewegendem Spiel macht er nachvollziehbar, wieso er sowohl Norma als auch Betty um den Finger zu wickeln versteht. Tom Zahner legt den Butler Max als absolut unnahbar an und gibt die Geheimnisse seiner Vergangenheit, nämlich dass er der ehemalige Regisseur und Ehemann Normas ist und sämtliche Fanpost an sie von ihm gefälscht ist, erst nach und nach preis. Ulrike Figgener überzeugt als Betty Schaefer mit jugendlichem Charme, und auch die kleineren Partien sind ambitioniert besetzt, wobei vor allem die Choreographien von Thomas Klotz vom Ensemble beeindruckend umgesetzt werden. William Ward Murta zaubert mit den Bielefelder Philharmonikern einen eindringlichen Webber-Sound aus dem Graben, der die Melancholie des Stückes unterstreicht und Webbers emotionsgeladene Melodien wunderbar zur Geltung bringt. So gibt es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten, in den sich auch das Regie-Team zu Recht mit einreiht. FAZIT Das Theater Bielefeld beweist auch mit dieser Produktion,
dass es im Bereich des Musicals in NRW in der oberen Riege mitspielt und es
durchaus mit den kommerziellen Musical-Tempeln aufnehmen kann. |
Produktionsteam Musikalische Leitung Inszenierung Bühnenbild und Kostüme Choreographie Choreinstudierung Licht Video Dramaturgie
Bielefelder Opernchor Bielefelder Philharmoniker
Solisten*Premierenbesetzung Norma Desmond Joe Gillis Artie Green Cecil B. De Mille Sheldrake / Ensemble Myron / Ensemble Manfred / Schuldeneintreiber / Ensemble Mary / Ärztin / Ensemble Heather / Astrologin / Johanna / Ensemble Larissa Schuldeneintreiber / Kellner Torwächter Hoeg Eye
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