Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Ein Käfig voller Narren
(La Cage aux Folles)

Musical in zwei Akten
Buch von Harvey Fierstein nach dem Stück La Cage aux Folles von Jean Poiret
Deutsch von Erika Gesell und Christian Severin
Musik und Gesangstexte von Jerry Herman

in deutscher Sprache 

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Bonn am 4. September 2014


Homepage

Theater Bonn
(Homepage)

Müder Käfig zum Spielzeitbeginn

Von Thomas Molke / Fotos von Thilo Beu

Nachdem sich John Dew zum Ende der letzten Spielzeit nach 10 Jahren Intendanz vom Staatstheater Darmstadt verabschiedet hat, ist er nun keineswegs in den wohlverdienten Ruhestand getreten, sondern nach Nordrhein Westfalen zurückgekehrt, wo er bereits in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts am Theater Krefeld und Mönchengladbach mit seinen Wagner-Inszenierungen, als Oberspielleiter in Bielefeld mit zahlreichen Wiederentdeckungen von im Dritten Reich verfemten Komponisten und schließlich als Intendant des Theaters Dortmund bis 2001 mit selten gespielten Werken des französischen Repertoires überregionale Aufmerksamkeit erlangte. Jetzt führt ihn sein Weg nach Bonn, und er eröffnet dort die Spielzeit mit einem Musical, das mit seinen eingängigen Melodien eigentlich schon ein Garant für gute Unterhaltung ist. Dennoch oder vielleicht wegen (?) dieser hochgesteckten Erwartungen kommt die Inszenierung zumindest bis zur Pause doch recht schleppend daher, und der Funke zum Publikum scheint, wenn überhaupt, erst relativ spät überzuspringen. Dabei wirkt die Inszenierung allerdings auch ein bisschen wie eine Mogelpackung, denn was als Premiere hier in Bonn verkauft wird, ist eigentlich die Übernahme einer Inszenierung, die Dew in Darmstadt schon im September 2012 herausgebracht hat. Dagegen ist zwar nichts einzuwenden, aber ein Hinweis im Programmheft wäre da schon angebracht gewesen.

Bild zum Vergrößern

Georges (Mark Weigel, links) und Albin (Dirk Weiler, rechts) in ihrem trauten Heim

Woran liegt es nun, dass die Inszenierung hier in Bonn zumindest bis zur Pause nicht recht überzeugen kann? Sicherlich nicht am bombastischen Bühnenbild von Heinz Balthes, der für den Nachtclub "La Cage aux Folles" glamouröse Bilder entwirft und mit viel Glitter eine faszinierende Show-Welt mit leicht verruchten Hauch zeichnet. Auch sein grandioses Schlussbild mit der sich spiegelnden Show-Treppe und den Statuen, die Lichtfontänen wie das Wasser eines Springbrunnens über die Bühne fluten lassen, bietet neben den glitzernden Kostümen von José-Manuel Vázquez großartige Unterhaltung fürs Auge. Da werden die Cagelles in fantasievolle Blumenkostüme gesteckt und formen in einer wunderschönen Choreographie von Julio Viera Medina mit rosafarbenen Federfächern ein anmutiges Herz um Zaza und Georges. Auch die Wohnung von Georges und Albin wird von Balthes sehr liebevoll ausgestattet und mutiert von zahlreichen antiken Repliken zu einem an ein Kloster erinnernden Raum, in dem Georges' Sohn Jean-Michel den Traditionalisten Dindon mit einer überdimensionalen Maria-Ikone, die an der linken Bühnenwand thront, und dem Bild des Heiligen Sebastian überzeugen will, dass er für Dindons Tochter Anne eine gute Partie ist.

Bild zum Vergrößern

Georges (Mark Weigel, rechts) beruhigt Albin (Dirk Weiler, links) vor seinem Auftritt als Jean-Michels "Onkel" vor den Dindons.

Doch einige Regie-Entscheidungen Dews lassen sich auch in dieser wunderbaren Kulisse nicht retten. So streicht Dew nicht nur die Figur des Jakob, der sonst als exaltierte Zofe bei Georges und Albin für komische Momente sorgt, sondern verzichtet auch darauf, die einzelnen Cagelles zu individualisieren. Natürlich kann man geteilter Meinung darüber sein, ob die Vorstellung der Cagelles mit ihren "Vorlieben" und "Eigenheiten" für die eigentliche Handlung von Bedeutung ist, aber wenn man schon beispielsweise Phaedra nicht als Schlange einführt, ist nicht nachzuvollziehen, wieso der entsprechende Tänzer ständig mit seiner Zunge wie eine Schlange züngeln muss. Dew konzentriert seine Inszenierung auf Albin / Zaza und scheint sich nur für seinen Charakter zu interessieren. Das Problem dabei ist nur, dass Dirk Weiler in der Partie des Albin zumindest bis zur Pause diese Fokussierung nicht überzeugend umsetzen kann. Eine regelrechte Enttäuschung ist die musikalische Nummer "Mascara", in der Albin seinen Ehefrust mit Georges dahingehend kompensiert, dass er sich in Zaza verwandelt. Auf den wichtigsten Aspekt in diesem Lied, die Schminke, wird in der Choreographie völlig verzichtet. Stattdessen schwirren die Cagelles wie aufgescheuchte Sekretärinnen um Albin herum und kleiden ihn lediglich ein. Die Faszination, die von Zaza als Höhepunkt des Nachtclubs ausgehen soll, bleibt dabei vollkommen auf der Strecke. Stattdessen bewegt sich Weiler mit tiefer Melancholie durch den ersten Akt und kann auch in der Kommunikation mit dem Publikum keine Stimmung aufkommen lassen. Die Witze bleiben schal, und das Publikum geht nicht auf Zazas Spiel ein.

Bild zum Vergrößern

Albin (Dirk Weiler, rechts) gibt bei Jaqueline (Inken Lorenzen, 2. von links) vor den Dindons eine Kostprobe seines musikalischen Talentes (von links: Georges (Mark Weigel), Jean-Michel (Angelo Canonico), Anne (Léonie Thoms), Edouard Dindon (Franz Nagler) und Marie Dindon (Barbara Teuber)).

Nach der Pause nimmt die Inszenierung dann allerdings ein bisschen Fahrt auf. Wenn Albin als "Onkel Alfons" für den Besuch von Annes Eltern männliches Verhalten beigebracht werden soll, spielt sich Weiler endlich frei, und seine anfängliche Melancholie weicht einer Komik, die dann in einem herrlichen Auftritt als Jean-Michels Mutter gipfelt. Für den Ausflug in das vornehme Restaurant "Chez Jaqueline" hat Balthes zwar nur einen einzigen festlichen Tisch aufbauen lassen, der sich aber vor einer großartigen Videoprojektion mit Blick auf einen Hafen an der Riviera durchaus mondän ausnimmt. Dennoch fehlt bei Zazas anschließendem musikalischen Vortrag "Die schönste Zeit" der Chor der Gäste, die ja eigentlich alle in den Gesang mit einstimmen sollen. Wenn das Lied nur von den Dindons, Georges, Jean-Michel und Jaqueline begleitet wird, wirkt die Tatsache, dass sich Zaza am Ende vergisst und die Perücke vom Kopf reißt, schon beinahe unglaubwürdig.

Bild zum Vergrößern

Finale mit Herz: (im Herz: Zaza (Dirk Weiler) und Georges (Mark Weigel) mit den Cagelles, links: Edouard Dindon (Franz Nagler), Marie Dindon (Barbara Teuber) mit den Cagelles, rechts: Anne (Léonie Thoms), Jean-Michel (Angelo Canonico) mit den Cagelles)

Die musikalische Gestaltung des Abends hat Licht- und Schattenseiten. Beim ersten Auftritt der Cagelles wird nicht nachvollziehbar, warum die sechs Männerstimmen von den weiblichen Cagelles aus dem Off unterstützt werden. Die weiblichen Stimmen wirken gerade mit Blick auf den gesungenen Text und die Szenerie der Transvestiten eigentlich falsch, selbst wenn Dew sie später in Glitzer-Anzügen auftreten lässt, was vielleicht eine Verkleidung der Frauen als Männer andeuten soll. Léonie Thoms macht optisch und tänzerisch als Anne zwar eine sehr gute Figur, überzeugt stimmlich allerdings nicht. Franz Nagler, der die Partie des Edouard Dindon bereits in Darmstadt interpretiert hat, zeichnet Annes Vater als unsympathischen Moralisten und begeistert mit großartiger Diktion und Mimik. Ihm zur Seite steht Barbara Teuber als wunderbar verhuschte Ehefrau Marie Dindon, die sich im Finale im Cagelle-Kostüm ein wenig von der Übermacht ihres Mannes befreien kann. Mark Weigel überzeugt als Georges mit sauberem Gesang und herrlichem Spiel, auch wenn er als Vater des 24-jährigen Jean-Michel beinahe schon zu jugendlich wirkt. Jürgen Grimm lässt mit der Band La Cage 2014/15 einen flotten Sound aus dem Orchestergraben erklingen, so dass der Teil nach der Pause das Publikum dann doch mit den Schwächen des ersten Aktes aussöhnt und es am Ende für alle Beteiligten großen Applaus gibt.

FAZIT

John Dews Inszenierung wirkt ein bisschen in die Jahre gekommen und kann eigentlich erst nach der Pause überzeugen.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Jürgen Grimm /
Christopher Sprenger

Inszenierung
John Dew

Choreographie
Julio Viera Medina

Bühnenbild
Heinz Balthes

Kostüme
José-Manuel Vázquez

Licht
Max Karbe

 

Band La Cage 2014/15
Meta Hüper (Violine)
Marcus Bartelt (Altsaxophon,
Flöte, Klarinette)
Martin Reuthner (Trompete)
Heinz Hox (Keyboard)
Christian Samosny (Keyboard)
Marcus Schinkel (Keyboard)
Rainer Wind (Bass)
Andy Pilger (Drums)
Stephan Schott (Percussion)


Solisten

Georges
Mark Weigel

Albin und Zaza
Dirk Weiler

Jean-Michel
Angelo Canonico

Anne
Léonie Thoms

Edouard Dindon
Franz Nagler

Marie Dindon
Barbara Teuber

Jaqueline
Inken Lorenzen

Cagelles
Sara Blasco Gutiérrez
Rachel Colley
Eveline Gorter
Marleen Jakob
Lisenka Kirkcaldy
Rebecca Sophia Meyer
David Hernandez
Fausto Israel
Marcelo Marinho
Jan-Werner Schäfer
Michael Schnizler
Markus Wegner

Telegrammbote
Johannes Ipfelkofer


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Bonn
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2014 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -