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Thebans

Oper in drei Akten
Libretto von Frank McGuinness
Musik von Julian Anderson


in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Koproduktion mit der English National Opera, London

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (zwei Pausen)

Premiere im Opernhaus Bonn am 3. Mai 2015
(rezensierte Aufführung: 10. Mai 2015)


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Theater Bonn
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Erhöhte Katastrophendichte

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu


Da wollen Komponist Julian Anderson und Librettist Frank McGuinness eines der ganz großen Monumente der abendländischen Kultur stemmen: Die Theben-Trilogie des Sophokles, drei ausgewachsene Tragödien von archetypischer Wucht: Den König Oedipus, den Oedipus in Kolonos (worin es um den Tod des Oedipus geht) und schließlich noch die Antigone. Und das alles komprimiert auf einen (nicht einmal besonders langen) Opernabend. Der Grundgedanke mag gewesen sein, einen Tryptichon aus drei inhaltlichen verbundenen,aber eigenständigen Dramen zu erstellen (Sophokles schrieb die drei Stücke voneinander über einen Zeitraum von etwa 40 Jahren,beginnend mit der – inhaltlich den Schlusspunkt bildenden - Antigone). Auch Anderson und McGuinness weichen von der chronologischen "richtigen" Reihenfolge ab, beginnen zwar korrekt mit dem König Oedipus, mit „Vergangenheit“ überschrieben, setzen die Oper aber mit der Antigone fort („Zukunft“) und schließen mit mit dem Weltabschiedsstück Oedipus in Kolonos („Gegenwart “). Klingt hübsch, erweist sich aber als ziemlich beliebig, jedenfalls ist in Pierre Audis Uraufführungsinszenierung, von der English National Opera London nun nach Bonn übernommen nicht viel vom Zeitenwechsel zu spüren. Und formal ist dem Dreiteiler ein wenig die Symmetrie abhanden gekommen: Der erste Akt (König Oedipus) dauert mit rund einer Stunde Spieldauer rund doppelt so lange wie die beiden folgenden.

Szenenfoto

Theben, zeitlos: Oben Oedipus und Iocaste

Das liegt natürlich (auch) daran, dass es gerade im ersten Teil viel, viel Text zu transportieren gilt. Irgendwie muss ja die komplizierte Vorgeschichte erzählt werden. Die Inhaltsangabe der kompletten Oper umfasst im Programmheft formidable fünfeinhalb Seiten, davon zweieinhalb für den ersten Akt; hier die extrem geraffte Variante: König Oedipus erfährt, dass er unwissend seinen Vater Laios getötet und seine Iokaste Mutter geheiratet hat, worauf sich Iokaste umbringt und Oedipus sich die Augen aussticht; Iokastes Bruder Kreon übernimmt die Macht. Anderson lässt die Musik aus dem Geräuschhaften entstehen, schwenkt aber schnell in eine Chorklage über die düsteren Zustände in Theben (eine Seuche grassiert) um. Thebans ist eine große Choroper geworden (und der Chor der Bonner Oper singt eindrucksvoll klangprächtig), wobei da schon der Eindruck entsteht, dass Dramatik regelmäßig durch die Kombination aus zugespitzt dissonanter Harmonik und bis ins Fortissimo gesteigerter Lautstärke erzeugt wird. Ansonsten gibt die Musik jeder Figur einen Klangraum, was eher den Text doppelt und die Akteure musikalisch koloriert als Verbindungen schafft. Die Komposition fokussiert fast immer den gerade Singenden und schaut selten voraus oder zurück. Zwar verweigert Anderson postromantisches Sentiment, besonders modernistisch ist die etwas spröde, häufig ihren Charakter wechselnde Musik aber auch nicht.

Szenenfoto

Nach der Erkenntnis, den eigenen BVater getötet und die Mutter geheiratet zu haben, sticht Oedipus sich die Augen aus.

Regisseur Pierre Audi greift das szenisch auf: Nur wer gerade singt, bewegt sich, die anderen sind in der Regel starr. Falsch ist das nicht, auch nicht die ein wenig vordergründig arrangierten Tableaus, in diesem ersten Akt mit der Farbe weiß spielend: Die Kostüme von Christoph Hetzer sind hell, schlagen einen Bogen von der Antike über das Mittelalter bis zur Gegenwart – ganz offensichtlich soll das Theben-Drama zeitlos verstanden werden. Das Bühnenbild von Tom Pye türmt Felsbrocken in Metallgitterboxen auf, wie man das an sich modern gebenden Gartenmauern derzeit häufiger sieht, dazu eine Betontreppe und ein paar Metallgeländer – auch hier keine zeitliche Fixierung, auch kein eigener Interpretationsansatz. Nun ist es zwar ehrenwert, wenn sich die Regie bei einer Uraufführung erst einmal zurück nimmt, aber Thebans bräuchte wohl doch eine übergeordnete Idee. Zu sehr verzettelt sich die Oper im Wortgestrüpp. Das gilt besonders für den ersten Teil: Jeder Satz eine Hiobsbotschaft, eine Katastrophennachricht jagt die nächste – das hätte für 10 Opern gereicht. Für Betroffenheit bleibt keine Zeit. Und auch wenn das recht ordentliche Beethoven Orchester unter der umsichtigen Leitung von Johannes Pell sänger- und textfreundlich zurückgenommen spielt – es ist eben doch gesungener Text (in englischer Sprache) und der regelmäßige Blick auf die Übertitel angesichts des erhöhten Erzähltempos (zu) oft notwendig. So rauscht das Oedipus-Drama mit begrenzter Wirkung vorbei.

Szenenfoto

Eigentlich heißt der zweite Teil ja Antigone, im Zentrum steht aber Kreon

Zweiter Akt, Zukunft, Antigone – behauptet das Stück zumindest. Antigone will bekanntlich ihren getöteten Bruder Polynikes begraben, was Kreon bei Todesstrafe verboten hat. Anderson und McGuinness interessieren sich allerdings weniger für den exemplarischen Konflikt zwischen Gewissen und Gesetz als vielmehr für den fiesen Diktator Kreon, der zwar ganz passend eine martialische und weniger komplexe Musik bekommt als noch im ersten Akt, (Peter Hoare singt das mit metallischem, substanzvollem Tenor großartig), aber deutlich mehr Präsenz als Antigone (Yannick-Muriel Noah mit schönem lyrischem, nicht zu kleinem Sopran). Es ist der schwarze Akt, das Reich Kreons scheint ein faschistoides Regime zu sein. Ein bisschen mehr Raum zur Entfaltung bekommen die Personen schließlich doch, die Oper hält immerhin ab und zu inne. Christian Georg als Kreons Sohn Haemon beeindruckt mit beweglichem Tenor (und bringt sich gemeinsam mit Antigone um, wenn auch ohne auskomponierte Sterbeszene).

Szenenfoto

Kurz vor seinem Tod: Oedipus mit Antigone

Dank der Zeitsprünge trifft man Antigone im dritten Akt (Gegenwart) wieder, und zwar mit ihrem Vater Oedipus im Wald nahe Athen – dem sieht man die Katastrophen deutlich an, mehr als ein paar geknickte Baumstämme sind nicht übrig geblieben. Bariton William Dazeley trumpft als Oedipus noch einmal mächtig auf, wenn er seinen Sohn Polynikes (überzeugend: Giorgios Kanaris) verflucht – sängerisch ist an dieser Produktion nichts auszusetzen. Der Athener König Theseus erscheint als Countertenor (knabenhaft rein: Jakob Huppmann, der in den beiden Akten zuvor schon als Bote glänzte). Oedipus geht ins Licht ab, der etwas abrupte Schluss gehört Antigone. Wären noch Rolf Bromann als Seher Tiresias in Frauenkleidern, aber mit abgründigem Bass, und Anjara I. Bartz als indisponierte, dennoch solide Iocaste zu nennen. Pflichtschuldiger, Dank einiger bewegender Momente vielleicht sogar herzlicher Applaus des Bildungsbürgertums im in dieser zweiten Aufführung nur mäßig gefüllten Opernhaus.


FAZIT

Ist ja alles nicht so falsch, was da szenisch und musikalisch geschieht, und lässt doch ziemlich kalt: Drei Sophokles-Dramen sind wohl doch etwas viel. Thebans findet zwischen Oedipus, Antigone und Kreon keinen eigenen Ansatzpunkt und kein Thema.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Johannes Pell

Inszenierung
Pierre Audi

Bühne
Tom Pye

Kostüme
Christof Hetzer

Video
Lysander Ashton

Licht
Jean Kalman

Chor
Volkmar Olbrich


Chor und Statisterie
des Theater Bonn

Beethoven Orchester Bonn


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Oedipus
William Dazeley

Creon
Peter Hoare

Antigone
Yannick-Muriel Noah

Tiresias
Rolf Broman

Jocasta
Anjara I. Bartz

Messenger, Theseus
Jakob Huppmann

Haemon, Stranger
Christian Georg

Polynices
Giorgos Kanaris

Shepherd
Nicholas Probst

Eteocles
Olaf Reinecke
/ Florian Stenzenberger



Weitere
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