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Roxy und ihr Wunderteam

Operette in zwei Teilen
Text von Alfred Grünwald, Gesangstexte von Alfred Grünwald und Hans Weigel
Musik von Paul Abraham (bühnenpraktische Rekonstruktion der Musik von Henning Hagedorn und Matthias Grimminger)

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 29. November 2014




Theater Dortmund
(Homepage)
Liebe und Fußball

Von Thomas Molke / Fotos von Thomas Jauk (Stage Pictures)

Paul Abraham gehört zu den Operettenkomponisten, deren Werke im Repertoire eher ein Schattendasein führen. Seinem kometenhaften Aufstieg Anfang der 30er Jahre mit den auch heute noch bekannteren Operetten Viktoria und ihr Husar und Die Blume von Hawaii wurde aufgrund seiner jüdischen Wurzeln durch die Nationalsozialisten sehr bald ein Ende gesetzt. In dieser Spielzeit haben sich die benachbarten Theater in Dortmund und Hagen nicht nur beide für ein Werk Abrahams entschieden, sondern haben die Premiere auch (leider!) zum gleichen Termin angesetzt, so dass sich den Operettenfans der Gegend nun die schwierige Frage stellte, mit welcher der beiden Operette man denn nun beginnen solle. Wer sich für das unbekanntere Werk entschieden hat, wird wohl Dortmund den Vorzug gegeben haben, da Roxy und ihr Wunderteam eine echte Ausgrabung ist, die nach ihrer erfolgreichen Premiere 1937 am Theater an der Wien mit insgesamt 75 Vorstellungen nie wieder im deutschsprachigen Raum auf der Bühne zu erleben war. Auch die Originalpartitur ist verschollen, so dass die beiden Abraham-Spezialisten Henning Hagedorn und Matthias Grimminger aus der ungarischen Fassung 3:1 a szerelem javára (3:1 für die Liebe), die im Budapester Király Szinhaz am 18.12.1936 ihre Uraufführung erlebte, und dem Film Die entführte Braut, der Ende 1937 in Wien in die Kinos kam und einige weitere Musiknummern enthielt, das Werk rekonstruiert haben. Herausgekommen ist dabei eine Operette, die musikalisch repertoiretauglich ist und der man weitere Inszenierungen wünscht.

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Braut auf der Flucht: Roxy (Emily Newton) bittet Gjurka Karoly (Lucian Krasznec) um Hilfe.

Die Handlung spielt zunächst in London und wechselt dann nach Ungarn an den Plattensee. Die ungarische Nationalmannschaft hat in London haushoch gegen die schottische Fußballmannschaft verloren, so dass der Manager, Baron Szatmary, ein strenges Training auf seinem Landgut am Plattensee anordnet. Dabei fordert er absoluten Verzicht auf Frauen und Alkohol. Da er sich selbst mit seiner Geliebten in Venedig treffen will, überträgt er die Leitung dem pflichtbewussten Mannschaftskapitän Gjurka Karoly. Doch dessen Pläne werden von der schönen Roxy, der Nichte des schottischen Mixedpickles-Produzenten Sam Cheswick, gekreuzt, die ihn auf der Flucht vor ihrem Bräutigam, dem Automaten-Hersteller Bobby, um Hilfe bittet. Auf Drängen der Mannschaft bleibt Gjurka nichts anderes übrig, als Roxy mit nach Ungarn zu nehmen, wo auf dem Landgut aber auch noch Szatmarys Verlobte, Aranka von Tötössy, mit ihren Pensionatsschülerinnen auf die Fußball-Elf wartet. Den Anweisungen des Managers Folge zu leisten, scheint also nahezu unmöglich, allerdings auch keineswegs erstrebenswert. Nachdem sich Gjurka nämlich nach zahlreichen Verwicklungen seine Liebe zu Roxy eingestanden und sie erneut kurz vor der Hochzeit vor ihrem Bräutigam Bobby zur Flucht animiert hat, gelingt es der Elf, das entscheidende Rückspiel gegen die Schotten 3:1 zu gewinnen und zum ungarischen Wunderteam aufzusteigen.

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Sam Cheswick (Hannes Brock) tröstet den frustrierten Bobby (Fritz Steinbacher).

Dass diese Fußballoperette ausgerechnet in Dortmund ausgegraben wird, verwundert nicht, da diese Stadt mit dem BVB eine ganz besondere Beziehung zu diesem Sport hat. Welche Parallelen sich aber gerade im Moment ergeben, dürfte allerdings selbst von den Programmgestaltern keineswegs vorhersehbar gewesen sein. Dass der BVB unter seinem Trainer Jürgen Klopp zunächst zu einem "Wunderteam" aufgestiegen ist, das sich sogar zwei Jahre hintereinander mit der Meisterschale schmücken konnte und auch in der Champions-League international große Erfolge feierte, passt ja noch zum Titel. Die Talfahrt, die der BVB derzeit in der Bundesliga erlebt, entspricht allerdings leider auch genau dem Anfang der Operette, in der die Mannschaft nach einer haushohen Niederlage gegen die Schotten - beim BVB war es am Mittwoch immerhin "nur" ein 0:2 gegen Arsenal London - den Glauben an die eigene Leistungsfähigkeit verliert. Da beweist das Theater Dortmund schon absolute Aktualität, wenn Kammersänger Hannes Brock als Sam Cheswick in seiner Nummer über das Sparen nicht nur - wie in der Operette häufiger zu erleben - auf die aktuelle Politik in Berlin Bezug nimmt, sondern sein Credo als schottischer Sparfuchs umkehrt und der Mannschaft dringend einen zwölften Mann auf dem Platz empfiehlt, damit es in der Tabelle endlich wieder aufwärts geht. So bleibt also zu hoffen, dass sich der BVB genau wie das Wunderteam in der Operette am Ende wieder an die Spitze kämpfen kann, auch wenn die Mittel dafür sicherlich andere sein dürften.

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Roxy (Emily Newton, vorne) und Aranka von Tötössy (Johanna Schoppa, hinten) auf dem Plattensee

Das Regie-Team um Thomas Enzinger verzichtet in der Inszenierung mit Ausnahme der oben erwähnten Nummer auf jedweden Bezug zum BVB und belässt, was die Auswahl der Kostüme betrifft, die Handlung in den 30er Jahren. So erinnern die Fußballer in ihrem Dress an eine längst vergangene Zeit. Das Bühnenbild, für das ebenfalls Toto verantwortlich zeichnet, ist hingegen wesentlich abstrakter gestaltet. Der Vorhang wird durch einen großen braunen Ball mit einer interessanten Musterung ersetzt. Die Halbkreise über der Bühne geben der Aufführung einen gewissen Revue-Charakter. Ein wandelbares Bühnenelement mit zwei Treppen ermöglicht durch Einsatz der Drehbühne schnelle Szenenwechsel. Ob dabei den Begriffen "Spiele" und "Liebe", die sich in den abstrakten Bildern auf dem Bühnenelement erkennen lassen, irgendwelche Bedeutung zukommt, ist fraglich. Sehr schön gelingt die Szene auf dem Plattensee, wenn Gjurka mit einer Luftmatratze mit Rollen über die leere Bühne "schwimmt" und auf Roxy trifft, die mit ihrem Boot über den See "rudert", oder wenn Aranka hinterher als Windsurferin auf ihrem Brett über die Bühne gezogen wird. Beeindruckend wird auch das alles entscheidende Fußballspiel gegen die Schotten am Ende in Szene gesetzt, wenn die Elf vor einer grünen Rückwand in ihren Positionen gegen eine imaginäre schottische Fußballmannschaft antritt.

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Roxy (Emily Newton, Mitte) und ihr Wunderteam (mit Lucian Krasznec als Gjurka rechts von Newton, Jens Janke als Jani Hatschek, vordere Reihe dritter von rechts und Mario Ahlborn, Christian Pienaar, Carl Kaiser, Min Lee, Ian Sidden, Rupert Preißler, Robert Schmelcher, Till Nau, Nico Schweers, Nico Stank und Frank Wöhrmann)

Ramesh Nair hat für die Ensembles überzeugende Choreographien entwickelt. Hervorzuheben sind hier der Stepptanz der Fußballspieler im ersten Teil vor der Abreise an den Plattensee, die Cocktailnummer beim großen Fest in Ungarn und die Nummer der Pensionatsschülerinnen in ihren Schlafsäcken. Wenn Jens Janke als vorlauter Torwart Jani Hatschek seinen Teamkollegen erklärt, wie viel Englisch man benötigt, um die Herzen der jungen Engländerinnen zu erobern, begeistern Janke und die übrigen Darsteller durch eine homogen aufeinander abgestimmte Steppnummer und herrlichen Gesang. Bei der Cocktailnummer im zweiten Teil kommt dann auch noch Emily Newton als Roxy dazu und die Steppeinlagen werden durch das Schütteln der Cocktailbecher rhythmisch unterstützt, wenn es heißt, dass ein Cocktail über alle Sorgen hinwegtrösten kann. Wenn die Pensionatsschülerinnen inklusive Roxy wieder im Pensionat sind und eigentlich schlafen sollen, träumen sie von den Männern und hüpfen dabei mit großer Sprungkraft und präzisem Taktgefühl in ihren Schlafsäcken über die Bühne. Neben diesen choreographischen Höhepunkten gibt es auch noch weitere musikalische Glanzlichter wie beispielsweise die beiden Duette zwischen Kammersänger Hannes Brock und Fritz Steinbacher als Bobby, wenn Brock dem unglücklichen jungen Mann zunächst rät, sich nicht auf die Liebe einzulassen, und anschließend in dem Lachsong den Rat gibt, seine Tränen durch Lachen zu besiegen. Auch für das Herz ist gesorgt, wenn Lucian Krasznec als Gjurka und Emily Newton in einem innigen Duett auf dem Plattensee zueinander finden, oder sich vor der Pause auf ihrer Zugfahrt nach Ungarn gemeinsam mit dem Fußballteam eine "Glückliche Reise" wünschen.

Darstellerisch lässt der Abend ebenfalls keine Wünsche offen. Emily Newton ist eine bezaubernde Roxy, die auch stimmlich und tänzerisch punktet und mit ihrem quirligen Spiel nachvollziehbar macht, dass sie die Fußball-Elf im Sturm erobert, selbst wenn es bei dem Mannschaftskapitän zwangsläufig etwas länger dauert. Lucian Krasznec gewinnt dem Gjurka Karoly zahlreiche komische Momente ab und beweist dazu fußballerisches Talent. Stimmlich überzeugt er mit tenoralem Schmelz. Fritz Steinbacher gestaltet Roxys Verlobten Bobby als absoluten Loser, der dann am Ende natürlich leer ausgehen muss. Für Hannes Brock ist der Mixedpickles-Produzent Sam Cheswick genauso eine Paraderolle wie Aranka von Tötössy für Johanna Schoppa, die am Ende ihren untreuen Verlobten, den Baron von Szatmary verlässt und mit dem Schotten eine neue Liaison eingeht. Brock glänzt als knauseriger Schotte mit großem Spielwitz und herrlicher Interpretation seiner Gesangsnummern. Schoppa beweist als Leiterin des Mädchenpensionats eine enorme Bühnenpräsenz und Autorität und macht auch in den Choreographien mit ihren Schülerinnen eine sehr gute Figur. Frank Voß gefällt vor allem als Zöllner mit herrlichem Dialekt und großem Spielwitz. Wenn man bei diesem durchweg überzeugenden Ensemble überhaupt jemanden noch gesondert hervorheben will, ist das Jens Janke als Torwart Jani Hatschek, der stimmlich und tänzerisch einen weiteren Glanzpunkt der Aufführung markiert. Philipp Armbruster führt die Dortmunder Philharmoniker beschwingt durch die Melodienvielfalt Abrahams, die ein bisschen Kálman, ein bisschen Jazz und ein bisschen Foxtrott enthält, und rundet den Abend musikalisch wunderbar ab, so dass es für alle Beteiligten am Ende frenetischen Applaus gibt.

FAZIT

Roxy und ihr Wunderteam ist eine Ausgrabung, die aufgrund ihres musikalischen Reichtums nicht direkt wieder in der Versenkung verschwinden sollte und den Bühnen eine gute Vorlage für eine erfolgreiche Operettenproduktion bietet.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Philipp Armbruster

Inszenierung
Thomas Enzinger

Bühne und Kostüme
Toto

Choreographie
Ramesh Nair

Chor
Granville Walker

Licht
Ralph Jürgens

Dramaturgie
Wiebke Hetmanek

 

Opernchor des
Theaters Dortmund

Statisterie des
Theaters Dortmund

Dortmunder Philharmoniker

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Sam Cheswick
Ks. Hannes Brock

Roxy, seine Nichte
Emily Newton

Bobby, ihr Verlobter
Fritz Steinbacher

Gjurka Karoly, Mannschaftskapitän
Lucian Krasznec

Jani Hatschek, Tormann
Jens Janke

Baron Szatmary, Manager/
Reporter / Zöllner
Frank Voß

Aranka von Tötössy, seine Verlobte
Johanna Schoppa

Ilka, Pensionatsschülerin
*Tina Podstawa /
Veronika Enders

Verwalter / Pfarrer
Thomas Günzler

Fußballteam
Mario Ahlborn
Christian Pienaar
Carl Kaiser
Min Lee
Ian Sidden
Rupert Preißler
Robert Schmelcher
Till Nau
Nico Schweers
Nico Stank
Frank Wöhrmann

Pensionatsschülerinnen
Yael de Vries
Veronika Enders
Janina Moser
Maren Kristin Kern
Johanna Mucha
Nicole Eckenigk


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Dortmund
(Homepage)



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