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Die Zirkusprinzessin

Operette in drei Akten
Libretto von Julius Brammer und Alfred Grünwald
Neue Textfassung von Josef E. Köpplinger
Musik von Emmerich Kálmán


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere der Kooproduktion mit dem
Staatstheater am Gärtnerplatz München
am 8. November 2014 im Theater Duisburg


Homepage

Rheinoper
(Homepage)
Operettenglück mit Schönheitsfehlern

Von Thomas Tillmann / Fotos von Hans Jörg Michel


Die Rheinoper und die Operette - das ist keine Erfolgsgeschichte in den letzten 25 Jahren, die der Rezensent überblickt. Da ist es keine schlechte Idee, eine bereits erfolgreiche Produktion auszuleihen oder einzukaufen, namentlich jene des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München, die dort allerdings wegen der Umbauarbeiten des Traditionshauses gar nicht gespielt wurde: Intendant Josef Köpplinger hatte aus der Not eine Tugend gemacht und Emmerich Kálmáns Die Zirkusprinzessin im Münchner Zirkus Krone zur Aufführung gebracht - keine allzu fern liegende Idee angesichts des Milieus, in dem die Librettisten das Werk ansiedeln.

Und hier liegt das erste Problem bei der Übernahme nach Duisburg: In München nahmen die Zuschauer rund um die Manegen-Spielfläche Platz und waren ganz nah dran am Geschehen, hier sitzen sie viele Meter entfernt und werden zwei Akte lang Zeuge einer Backstage-Story und hören von Mister Xs waghalsigen Sprüngen und Mabel Gibsons nicht gerade umwerfender Hundedressur. Alle Szenen spielen sich in dem Zirkusrund ab, über dem sich bunte Lichterketten auftun, im hinteren Teil sieht man noch den Eingang zur eigentlichen Manege, über dem die Zirkuskapelle thront, ansonsten ist die Bühne von Rainer Sinell den Gegebenheiten am Erstaufführungsort entsprechend leer. Immerhin, Köpplinger gelingt es im Verbund mit seinem Beleuchter Michael Heidinger, auch die intimeren Szenen einfühlsam zu präsentieren, und die Auflösung der Intrige am Ende des zweiten Aktes spannend und nachvollziehbar zu inszenieren, indem er das frisch vermählte Paar vor den Augen der neugierigen Meute auf einem Tisch platziert. Ermüdend fand ich dagegen den Einsatz der als Clowns maskierten Tänzerinnen und Tänzer, die bereits fünfzehn Minuten vor Vorstellungsbeginn im Foyer ihres Amtes walteten, das Publikum begrüßten und mit Glitzerkonfetti dekorierten. Schlimmer war, dass sie in jeder einzelnen Szene des Abends präsent waren, das Geschehen kommentierten, um die Solistinnen und Solisten herumtanzten (Choreografie: Karl Alfred Schreiner) und diese daran hinderten, sich frei zu bewegen und selbst ein paar Tanzschritte zu wagen. Das war ein paar Mal ganz hübsch und stimmungsvoll, nutzte sich aber erschreckend schnell ab.

Szenenfoto

Fürstin Palinska (Ramona Noack) ist fasziniert von der bunten Welt des Zirkus.

Das Publikum mochte anders als der Rezensent auch den Einfall, statt der Mädels im Trikot plumpe Puppen in Tütüs von den - natürlich! - Clowns in die Luft werfen zu lassen, während man Mabel Gibsons Hunde beispielsweise nicht zu Gesicht bekam. Wien-Atmosphäre schafften geschickt die beleuchteten, verschiebbaren Miniatur-Sehenswürdigkeiten und ein paar Kaffeehaustische; von den deutlichen Längen des dritten Aktes indes konnten auch sie nicht ablenken, hier hätte beherzter nicht nur entstaubt, sondern auch gekürzt werden müssen, es hätte auch nicht noch eine vierte Reprise einzelner Musiknummern in neuer Besetzung sein müssen, und das pralle Spektakel endete dann auch ziemlich abrupt und belanglos. Und so ging man doch mit dem Gefühl nach Hause, dass drei Stunden Operette vielleicht doch etwas viel des Guten sind.

Problematisch finde ich angesichts der permanenten Klagen über Finanznot und hohe Personalkosten die Entscheidung, an einem Haus mit einem großen eigenen Ensemble eine solche Schar von Gästen zu verpflichten, denen man in der Mehrheit zwar gern zusieht und zuhört, die ihre Arbeit aber sicher nicht für eine warme Mahlzeit tun, ein Umstand, der zudem bedeutet, dass die Produktion nicht wirklich ins Repertoire der Rheinoper überführt werden, sondern nur in Serien gespielt werden kann, für die dann wieder alle oder wenigstens eine Mehrzahl der Gäste zur Verfügung stehen müssen. Die beiden einzigen Rheinopernkünstler neben Frau Noack waren Wolfgang Schmidt als dauercholerischer Prinz Wladimir, immer gut verständlich, leider auch bei den nicht eben wenigen Versprechern, und Norbert Kaulhausen, Leiter der Statistierie am Theater Duisburg seit Ewigkeiten, und diesmal nun in der Minirolle des Billeteurs Fedja dabei.

Szenenfoto

Der geheimnisvolle Mister X (Carsten Süss) ist die Attraktion des Zirkus.

Auf Corby Welch wollte man nach seinem nicht allzu glücklichen Edwin vermutlich nicht mehr zurückgreifen und engagierte mit Carsten Süss einen erfahrenen, soliden, wenn auch weder vokal noch darstellerisch außerordentlich charismatischen Operettentenor, der die längste Zeit freilich trefflich sang, auch wenn seiner Stimme der letzte Glanz, ihrem Besitzer die letzte gestalterische Raffinesse fehlt und Pianotöne die harte Arbeit erkennen ließen, vielleicht ein Nebeneffekt seiner nicht wenigen Engagements im Fach des jugendlichen Heldentenors an anderen Häusern. Franz Wyzner und Gisela Ehrensperger sind wie schon in München rührend in den wenigen, kurzen Szenen, aber warum nicht Cornelia Berger und Peter Nikolaus Kante als in die Jahre gekommenes Zirkusdirektorenpaar besetzen, die vor zwei Jahren als Fürst und Fürstin von und zu Lippert-Weylersheim reüssierten, ganz abgesehen davon, dass die Wanja vom Regisseur dazu erfunden wurde und im Original nicht einmal vorkommt? Auch Sigrid Hauser brachte natürlich eine wunderbar authentische Wiener Note in den dritten Akt, aber ist die Rolle der Carla Schlumberger wirklich so zentral, dass man nicht auch einer mutigen Choristin einen Traum hätte erfüllen können, wie man es an kleineren Häusern getan hätte? Natürlich war Boris Eder ein sympathischer, herrlich spielender und gut singender Toni, aber sollte ein so großes Haus nicht einen eigenen Buffo beschäftigen? Und auch Wolfgang Reinbacher, jahrzehntelanges Mitglied des Düsseldorfer Schauspielhauses, war selbstverständlich ein sehr präsenter Oberkellner Pelikan, der klugerweise nicht im Ansatz versuchte, Hans Moser zu parodieren, der die Uraufführung spielte, aber auch hier hätte es vermutlich kostengünstigere Alternativen gegeben, gar nicht zu reden von den Gästen für solche Nebenfiguren wie Saskusin, Petrowitsch oder Brusowsky, die ja nicht viel mehr können müssen als eine Uniform tragen und ein paar Sätze sprechen.

Szenenfoto

Langsam wird Zirkusdirektor Stanislawski (Franz Wyzner) und seiner Frau Wanja (Gisela Ehrensperger) die Leitung des Betriebes zu viel.

Eine weitere Hypothek war die Besetzung der Titelpartie mit Ramona Noack, die zwar eine ungeheuer sympathische, gute Laune und Quirligkeit ausstrahlende Künstlerin mit luftigem, flinken Sopran ist, aber nun wirklich keine faszinierende Operettendiva, optisch nicht, darstellerisch nicht, aber vor allem vokal nicht, die Stimme ist nicht größer und schöner geworden, sie neigt unter Fortedruck zu einem unangenehm gespreizten, klingelnden Ton, sie hat nicht die nötige Kraft für die langen Phrasen, sie hat zu wenig Gehalt in der durchaus geforderten Mittellage und wenig unterschiedliche Farben, keinen wirklich individuellen, faszinierenden Ton, der sie zum Mittelpunkt der Aufführung machen würde, da nützen ein paar interpolierte piepsige Spitzentöne gar nichts (was man damit herausreißen kann, hat Ingeborg Hallstein in der Fernsehfassung bewiesen, aber ihre Acuti waren dann auch wirklich sensationell). Ramona Noack ist und bleibt eine ideale Soubrette und wäre eine echte Alternative zu der reizenden Susanne Grosssteiner gewesen, die alles aus der Mabel Gibson machte und der Kollegin so ungewollt die Show stahl. Pech hatte die Erstgenannte (und ich habe mir das von meiner sehr elegant gekleideten Sitznachbarin bestätigen lassen) auch mit den drei sehr dunklen Kleidern von Marie-Luise Walek, dessen erstes durch ein Stück am Rücken herabbaumelnder Federboa nicht gewann, ebenso wie die Kunstfellboa zum zweiten ausgesprochen billig aussah, während das dritte den bekannten Grundsatz "Schwarz und blau trägt Bauers Frau" Lügen strafte. Das mögen Details sein, sie verstärkten aber den Eindruck, dass hier nicht sauber darauf geachtet wurde, dass Fürstin Palinska eben nicht von Anfang an ins Zirkusmilieu gehört, sondern nur als Beobachterin von außen von ihm fasziniert ist, sie ist laut Libretto eine Hochadlige, die die Verheiratung mit einem Artisten bis auf die Knochen beleidigt, und das müsste sich auch an besonders edlen Kostümen ablesen lassen.

Szenenfoto

Fürst Waldimir (Wolfgang Schmidt) ist seine Rache gelungen: Nach der Heirat mit Mister X (Carsten Süss) lachen alle über Fürstin Palinska, die Zirkusprinzessin (Ramona Noack).

Viel zu selten war die Zirkuskapelle mit ihrem Sologeiger Önder Baloglu im Einsatz, die besser auch einzelne Musiknummern begleitet hätte, in denen das Bühnenpersonal dann nicht so hart gegen die bleiernde Lautstärke und schleppenden Tempi hätte ankämpfen müssen, die aus dem Graben drangen, ähnlich wie bei der Csárdásfürstin, bei der Wolfram Koloseus bereits keine gute Wahl für die Position des musikalischen Leiters war, auch wenn einzelne Mitglieder der Duisburger Philharmoniker schöne Einzelmomente vor allem in den romantischen Nummern beisteuerten. Insgesamt aber fehlte es dem Spiel des Orchesters an Verve, an Pfiff, an Eleganz und Transparenz, und viel zu laut war es auch an vielen Stellen, was zu einem weiteren Schwachpunkt der Vorstellung führt: Man muss sich inzwischen wohl damit abfinden, dass Operette nur noch mit akustischer Verstärkung gegeben werden kann, aber dann sollte man die technischen Möglichkeiten doch auch nutzen und die Stimmen des Bühnenpersonals so laut präsentieren, dass sie nicht an vielen Stellen so kläglich untergehen wie an diesem Abend. Der Hall auf den Microports trug zudem nicht zur Textverständlichkeit bei, die ohnehin für die meisten Sängerinnen und Sänger kein Ziel mehr zu sein scheint, kann der geneigte Zuschauer oder die entsprechende Zuschauerin die Worte doch auch den Übertiteln entnehmen, die übrigens nicht immer mit der auf der Bühne gegebenen Fassung übereinstimmten - eine traurige Entwicklung. Nicht zuletzt mischte sich der Klang nicht optimal mit dem unverstärkten Gesang der Damen und Herren des Chores, die mit den vielen Auf- und Abgängen durchs Parkett (warum eigentlich?) ein wenig überfordert schienen und auf der Bühne vielleicht noch einen Monitor mehr gebraucht hätten, da klapperte es doch immer wieder empfindlich.


FAZIT

Das Publikum liebt Operette, diesem Bedürfnis wird die Rheinoper mit dieser Produktion zweifellos gerecht, es wird viel geklatscht, gelacht und gestaunt an diesem Premierenabend und über vieles hinweggesehen. Auch der Rezensent liebt Operette, und gerade deswegen blieben ihm zentrale Schwächen einer insgesamt nicht verkehrten Produktion nicht verborgen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Wolfram Koloseus

Inszenierung
Josef E. Köpplinger

Bühne
Rainer Sinell

Kostüme
Marie-Luise Walek

Licht
Michael Heidinger

Chor
Gerhard Michalski

Choreografie
Karl Alfred Schreiner

Choreografische Mitarbeit
Fiona Copley

Dramaturgie
David Treffinger

Spielleitung
Ulrike Aberle



Chor der
Deutschen Oper am Rhein

Duisburger
Philharmoniker


Solisten

Fürstin Fedora Palinska
Ramona Noack

Prinz Sergius Wladimir
Wolfgang Schmidt

Rittmeister Graf Saskusin
Joeri Burger

Leutnant von Petrowitsch
Matthias Schlüter

Baron Peter Brusowsky
Adjutant
Tobias Scharfenberger

Zirkusdirektor Stanislawsky
Frany Wyzner

Wanja, dessen Frau
Gisela Ehrensperger

Mister X
Carsten Süss

Miss Mabel Gibson
Susanne Grosssteiner

Carla Schlumberger,
Hotelbesitzerin
Sigrid Hauser

Toni Schlumberger,
ihr Sohn
Boris Eder

Pelikan, Oberkellner
Wolfgang Reinbacher

Maxl, Piccolo
Alexander Wertmann

Fedja, Billeteur
Norbert Kaulhausen

Frantischek, Portier
Udo Bodnik

Offiziere
Primoz Vidovic
Zheng Xu
Roland Steingießer
Karl Thomas Schneider
Romualdas Urbonas

Tänzerinnen und Tänzer
Adriana Avila Pantaleon
Carmen Mar Canas Salvador
Jbid Hatschaduryan
Lea Hladka
Katharina Sim
Yasha Wang
Ayberk Esen
Bernardo Fallas
Alexeider Abad Gonzales
Caludio Pisa
Jonas Tilly
Hayato Yamaguchi




Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Rheinoper
(Homepage)



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