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Romeo und Julia

Ballett in drei Akten von Ben Van Cauwenbergh
Musik von Sergej Prokofjew

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Aalto-Theater Essen am 1. November 2014




Theater Essen
(Homepage)
Plädoyer für Romeos Unschuld

Von Stefan Schmöe / Fotos von Bettina Stöß

Vergrößerung in neuem Fenster Julia (gelangweilt) mit Amme

Es spricht für die künstlerische Vielfalt der Rhein-Ruhr-Region, dass man auf engem Raum eine Reihe von Ballett-Compagnien völlig unterschiedlicher Ausrichtung erleben kann: In Nachbarschaft von Martin Schläpfers in Düsseldorf und Duisburg beheimatetem "Ballett am Rhein", in der Tradition von Georges Balanchine und Hans van Manen stehend, legt das "Aalto-Ballett" in Essen einen Schwerpunkt auf die Pflege der großen Handlungsballette. Mit Prokofjews Romeo und Julia trifft man dort offenbar ziemlich gut den Publikumsgeschmack, jedenfalls sind eine Reihe der Vorstellungen bereits im Vorfeld der Premiere als "ausverkauft" gekennzeichnet. Die Choreographie besorgt der Chef Ben Van Cauwenbergh persönlich. Und wer Romeo und Julia erwartet, bekommt hier auch genau das vorgesetzt: Keine vorsichtige Neudeutung (wie das, ein Theater weiter östlich in Gelsenkirchen, Bridget Breiner mit Schwanensee gewagt hat), sondern eine ganz konventionell die schaurig-schöne Liebesgeschichte nacherzählende Choreographie.

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Nächtliches Rendezvous mit Balkon: Romeo und Julia

Nicht einmal mit dem moralischen Konflikt, dass dieser Romeo ja zwischendurch Julias Vetter Tybalt tötet, will Van Cauwenbergh sein Publikum allzu sehr belasten. Nicht nur, dass der fiese und hinterhältige Tybalt ihm das Duell geradezu aufzwingt, nein, der tödliche Stich ist ein Abwehrreflex in höchster Lebensgefahr, Notwehr also, und eigentlich ersticht Tybalt sich aus Versehen selbst. So viel Parteinahme für Romeo wäre gar nicht nötig, macht die Figur sogar ein wenig langweilig in ihrer unbescholtenen Reinheit. Denn die Szene zuvor, in der Tybalt Romeos Freund Mercutio getötet hat - und alle sehr, sehr lange glauben, Mercutio spiele den eigenen Tod nur aus Blödsinn vor - das ist der spannendste Moment des Abends, auch weil hier der jugendliche Übermut und das Existentielle des Todes unvermittelt aufeinander treffen. Das könnte plausibel eine Dynamik des Tötens in Gang setzen, aber Van Cauwenbergh nimmt die Idee sofort zurück, und im Grunde interessiert ihn wohl sowieso einzig die Liebesgeschichte, weil die sich so anrührend tanzen lässt. Der Konflikt drumherum ist Zierrat.

Vergrößerung in neuem Fenster Zweikampf: Tybalt und Mercutio

In den ersten Minuten sieht es ganz kurz so aus, als wolle die Choreographie einen Bogen zur Gegenwart schlagen: Da deuten die rivalisierenden Gruppen die Körpersprache von Jugendlichen unserer Zeit an (wobei es tänzerisch an der letzten Präzision fehlt, um das plausibel in den klassischen Tanz zu integrieren). Im weiteren Verlauf ist davon fast nichts mehr zu spüren. Den insgesamt recht beliebig gehaltenen Ensembles fehlt es an Aggressivität, oft sieht das mehr nach konkurrierenden Volkstanzgrüppchen denn nach rivalisierenden Familienclans. Besser sind Van Cauwenbergh die Soli gelungen. Breno Bittencourt tanzt einen sehr attraktiven Romeo zwischen jugendlicher Unbekümmertheit und romantischem Träumer; Yanelis Rodriguez ist eine sehr zarte und zerbrechliche, auch sehr junge Julia, zu Beginn ein wenig akademisch im Ausdruck, aber zunehmend freier. Beinahe läuft ihr Adeline Pastor, die eigentliche Primaballerina, in der Rolle der Amme den Rang ab - zwar ist die kokett-komödiantisch angelegte Partie fast ein wenig überreizt, aber es macht schon viel Spaß, der Tänzerin mit ihrer großen Bühnenpräsenz zuzusehen. Herausragend ist Wataru Shimizu als agiler, wohl auch nicht ungefährlicher und dadurch vielschichtiger Mercutio, der sich dadurch von den solide, aber mehr eindimensional getanzten Tybalt (Armen Hakobyan) und Benvolio (Vlacheslav Tyutyukin) abhebt. Nwarin Gad ist ein hübsch geschniegelter Paris, Anna Khamzina eine allzu pathetisch leidende Lady Capulet, Nour Eldesouki ein drahtig-boshafter Lord Capulet. Ein wenig rätselhaft bleibt die Darstellung des Pater Lorenzo, den Dennis Untila im langen, wehenden Mantel bei Van Cauwenberghs intensiv gepflegter Liebe zur Pirouette mehr wie einen Derwisch denn wie einen katholischen Priester aussehen lässt.

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Julia, Romeo und Pater Lorenzo

Der pas de deux unterm nächtlichen Balkon dürfte noch ein wenig mehr Zauber entwickeln - Ausstatter Thomas Mika lässt dazu Vollmond und Baum vom Schnürboden herunter schweben, die wie viele andere angedeutete Bühnenbildelemente mehr zweckmäßig als wirklich schön geraten sind. In den konventionellen, aber hübschen Kostümen gelingt es Van Cauwenberghs aber insgesamt gut, mit dem klassischen Tanzvokabular anekdotenreich und ohne falsche Musealität die Geschichte zu erzählen. Die Abgründe bleibt er dabei schuldig, und das ist auf der musikalischen Seite nicht anders. Die Essener Philharmoniker, an guten Tagen ein Spitzenorchester, leisten sich an diesem Abend manche Ungenauigkeit und bewegen sich eher in der Mittelklasse. Yannis Pouspourakis dirigiert recht pauschal, geht selten über ein gediegenes Mezzoforte hinaus und hat seine Stärken bei den fein ziselierten leisen Stellen. Prokofjews schillernde Partitur bräuchte aber als Gegenpol dazu in den tragischen Momenten mehr Wucht.


FAZIT

Ben Van Cauwenberghs konventionelle Choreographie ist hübsch anzusehen, bleibt aber an der Oberfläche.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Yannis Pouspourikas

Choreographie
Ben Van Cauwenbergh

Bühne und Kostüme
Thomas Mika

Licht
Kees Tjeebes



Essener Philharmoniker


Tänzerinnen und Tänzer

Romeo
Breno Bittencourt

Julia
Yanelis Rodriguez Ferrer

Mercutio
Wataru Shimizu

Tybalt
Armen Hakobyan

Amme
Adeline Pastor

Benvolio
Viacheslav Tyutyukin

Lady Capulet
Anna Khamzina

Lord Capulet
Nour Eldesouki

Paris
Nwarin Gad

Pater Lorenzo
Denis Untila






Weitere Informationen
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Theater Essen
(Homepage)




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