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Musiktheater
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Tosca

Musikdrama in drei Akten
Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica
Musik von Giacomo Puccini


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden 30 Minuten  (eine Pause)

Premiere in der Staatsoper Hannover am 2. Oktober  2014

 

 

 



Staatsoper Hannover
(Homepage)

Mit aller Gewalt

Von Bernd Stopka / Fotos von Thomas M. Jauk und Jörg Landsberg

Mit Giacomo Puccinis Tosca, einer der beliebtesten und meistgespielten Opern des Repertoires, eröffnete die Staatsoper Hannover die neue Spielzeit. Diese geradezu archetypische Vertreterin ihres Genres bildet gerade wegen ihrer Bekanntheit und Beliebtheit eine ganz besondere Herausforderung – szenisch ebenso wie musikalisch.

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Brian Davis (Scarpia), Brigitte Hahn (Tosca)

Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka haben als Regieteam gemeinsam Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme erarbeitet. Dabei interpretieren sie das Werk fast ausschließlich als Freiheitskämpfer-Drama und haben es in einer militärisch-faschistischen Unrechtsdiktatur der Neuzeit angesiedelt. Cavaradossi ist ein als Maler getarnter geheimer Widerstandskämpfer, der in einer Gruft die Inschriften der Gräberwand erneuert und (für Toscas Eifersucht dann doch notwendigerweise) eine Mappe mit Zeichnungen dabei hat. Eine Reihe gefälschter Pässe tauscht er mit der Marchesa Attavanti aus. In der Gruft ruhen Freiheitshelden von Nelson Mandela bis Sitting Bull, von Bertha von Suttner bis Gandhi und de Gaulle. In einer noch freien Gruft versteckt sich Angelotti, der das nächste Opfer sein wird. Von einer Schlüsselwand am linken Proszenium nimmt er den Schlüssel zu einem der Briefkästen an der rechten Proszeniumsseite. Der Mesner ist ein Spitzel, der im zweiten Akt als Sciarrone auftritt.

Die Gruft umfasst nur das untere Drittel der Bühne, was einen höchst beklemmenden Eindruck macht. Passkontrollen, Verhaftungen, willkürliche Gewalt beherrschen die Chorszene – bis sich auch die unterdrückten Menschen als uniformierte Geheimdienstler enttarnen und quasi das „Te Deum“ des Staatssicherheitsdienstes, der Gestapo oder entsprechender Spitzelorganisationen singen. Im Hintergrund steht eine hohe Wand mit  Türen, dahinter eine Bilderwand mit Fotos von Kämpfern und Kämpferinnen für Freiheit und Gerechtigkeit. Ein Panzerkanonenrohr ragt hell beleuchtet in den Raum.

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Rafael Rojas (Cavaradossi), Brigitte Hahn (Tosca), Brian Davis (Scarpia)

Eine im Winkel aufgestellte Wand aus Türen, die als szenisches Leitmotiv von nun an das Bühnenbild beherrscht, beherbergt Scarpias heruntergekommenes Büro, das man sich nur schwer im Palazzo Farnese vorstellen kann. Dennoch könnte das Bild Eindruck machen – würden nicht in  geöffneten Türen Sekretärinnen sichtbar werden und so die intime Situation zwischen Tosca und Scarpia stören, genauso wie die mit Waffengewalt erzwungene Demonstration vor dem Haus. Scarpia ist ein rücksichtsloser, brutaler Mensch, der vor dem Treffen mit Tosca die Marcesa Attavanti vergewaltigt. Er ist kühl und berechnend, ohne jeden (falschen) verführerischen Charme Tosca gegenüber. Das Sichtbarmachen  der Gefangenen und der Folterung Cavaradossis im Untergeschoß lenkt die Aufmerksamkeit in diese eine Richtung, Tosca und Scarpia werden da zur Hintergrundhandlung. Dass Tosca sich vor Zahlung des Kaufpreises am gammeligen Waschbecken frisch machen will und dabei Scarpias Rasiermesser entdeckt, gehört zu den vielen Details, die innerhalb des Konzeptes logisch und folgerichtig sind und die einen Ideenreichtum deutlich machen, den man sich anders angewandt wünscht. Dass Tosca Scarpia betrauert, wirkt befremdlich, ihre Verwirrung und ihre zum Teil unkoordinierten Handlungen in dieser Situation sehr realistisch.

Die Marchesa Attavanti beweint zu Beginn des dritten Aktes, die Partie des Hirten singend, ihren toten Bruder, dessen Leiche sogleich aus ihren Armen gerissen wird. Das Szenenbild ist das gleiche wie im zweiten Akt. Cavardossi liegt in der Folterkammer, aus den Zellen links und rechts von ihm werden weitere Gefangene zusammen mit ihm erschossen. Tosca stürmt durch das Gebäude auf das Dach, lässt ihren schwarzen Schleier herabschweben und wird dann von einem Schergen erschossen.

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Rafael Rojas (Cavaradossi)

Die künstlerisch feinsinnige Seite vernachlässigt das Regieteam fast gänzlich beim Fokussieren der freiheitskämpferischen Elemente. Dabei machen sie alles, was sie zeigen wollen, deutlicher als deutlich und überfrachten das Ganze bis zur ermüdenden Überzeichnung. Wie so oft wird durch intensive Beleuchtung eines Teilaspekts lediglich eine Überbetonung desselben erreicht und Feinheiten werden überdeckt. Der Konflikt der Künstler, die in die Grausamkeiten der faschistischen Politik geraten, ist nur noch rudimentär vorhanden. Damit ist dieses Werk eines seiner elementarsten Konflikte beraubt. Und wenn im zweiten Akt die (Elektro-)Folterung Cavaradossis in einem Kellerraum tatsächlich gezeigt wird, gerät die Auseinandersetzung Tosca/Scarpia nicht nur optisch in den Hintergrund. Höchst beklemmend spannungsgeladen hat Puccini die Grausamkeit der Folterung Cavaradossis komponiert und in den Kontrast zum perfiden Geschehen zwischen Scarpia und Tosca in Musik gesetzt. Das kann – wenn es denn musikalisch entsprechend umgesetzt wird – erschütternder sein, als jede realistische Bebilderung. Und eben das ist doch eine der wesentlichen und einzigartigen Wirkungen, die Oper erzielen kann. Und das Publikum ist sehr wohl in der Lage das zu spüren und zu erleben, wenn man es denn lässt und es nicht mit optischen Zaunlatten und Holzhämmern bearbeitet.

Brigitte Hahn singt die Tosca mit samtig-dunklem Timbre hochkonzentriert und gestaltet jeden Ton überlegt aus – immer höchst kontrolliert. Die innere Zerrissenheit und die tobenden  Leidenschaften der in die Politik geratenen Diva vermisst man dabei jedoch ebenso wie strahlende Töne. Die Charakterisierung Cavaradossis als Freiheitskämpfer, der sich als Künstler tarnt, unterstützt Rafael Rojas, indem er seinen sehr individuell klingenden Tenor eher ungestüm wild stürmen lässt und nur gelegentlich den feinsinnigen Maler mimt. Brian Davis bleibt dagegen mit darstellerischer Intensität, hoher Stimmkultur und ausgesprochen klangvollem Bariton der Partie des Scarpia nichts schuldig. Die kleineren Rollen sind adäquat besetzt, wobei Daniel Eggert als Mesner und Sciarrone sowie Stella Motina als Marchesa Attavanti (hier mit der Gesangspartie des Hirten) beste Eindrücke hinterlassen, ebenso der gut einstudierte Chor und Kinderchor.

Mark Rohdes Dirigat hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits lässt er wohlüberlegte Details hören, wie die fehlende (Applaus-)Zäsur nach Toscas Arie, die dieser den Charakter des Bravourstücks nimmt und die damit nicht den musikalischen Fluss unterbricht, andererseits ist es eben dieser Fluss, der große Bogen, der immer wieder fehlt. Auch lassen plakative Knalleffekte den Besucher immer wieder zusammenzucken und die oben  beschriebene, wenig überzeugende musikalische Ausdeutung der Dramatik im zweiten Akt  bestärkt den Eindruck, dass ein großes Ganzes nicht entstanden ist.

FAZIT

Eine überzogene Regie, die zum Teil durchaus ansprechende Bilder mit Plakativität überzeichnet. Das Dirigat schließt sich dieser Interpretationsweise an. In den Hauptpartien kann nur Brian Davis als Scarpia überzeugen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Mark Rohde

Inszenierung, Bühne, Kostüme 
Alexandra Szemerédy
Magdolna Parditka

Licht
Susanne Reinhardt

Chor
Dan Ratiu

Dramaturgie
Klaus Angermann

 

Niedersächsisches
Staatsorchester Hannover

Chor, Extrachor und
Kinderchor der
Staatsoper Hannover

Statisterie der
Staatsoper Hannover

Solisten

Floria Tosca
Brigitte Hahn

Mario Cavaradossi
Rafael Rojas

Baron Scarpia
Brian Davis

Cesare Angelotti
Michael Dries

Der Mesner/Sciarrone
Daniel Eggert

Spoletta
Ivan Turšić

Ein Schließer
Faris Schulz

Ein Hirte/
Marchesa Attavanti
Stella Motina




Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoper Hannover
(Homepage)




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