Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
Aufführungsdauer: ca. 2
Stunden 30 Minuten
(eine Pause) Premiere in der Staatsoper Hannover am 2. Oktober
2014
Mit Giacomo Puccinis Tosca,
einer der beliebtesten und meistgespielten Opern des Repertoires,
eröffnete die
Staatsoper Hannover die neue Spielzeit. Diese geradezu archetypische
Vertreterin
ihres Genres bildet gerade wegen ihrer Bekanntheit und Beliebtheit eine
ganz besondere
Herausforderung – szenisch ebenso wie musikalisch.
Brian Davis (Scarpia),
Brigitte Hahn (Tosca)
Alexandra
Szemerédy und Magdolna Parditka haben als
Regieteam gemeinsam Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme
erarbeitet. Dabei interpretieren
sie das Werk fast ausschließlich als Freiheitskämpfer-Drama
und haben es in
einer militärisch-faschistischen Unrechtsdiktatur der Neuzeit
angesiedelt.
Cavaradossi ist ein als Maler getarnter geheimer
Widerstandskämpfer, der in
einer Gruft die Inschriften der Gräberwand erneuert und (für
Toscas Eifersucht
dann doch notwendigerweise) eine Mappe mit Zeichnungen dabei hat. Eine
Reihe
gefälschter Pässe tauscht er mit der Marchesa Attavanti aus.
In der Gruft ruhen
Freiheitshelden von Nelson Mandela bis Sitting Bull, von Bertha von
Suttner bis
Gandhi und de Gaulle. In einer noch freien Gruft versteckt sich
Angelotti, der
das nächste Opfer sein wird. Von einer Schlüsselwand am
linken Proszenium nimmt
er den Schlüssel zu einem der Briefkästen an der rechten
Proszeniumsseite. Der
Mesner ist ein Spitzel, der im zweiten Akt als Sciarrone auftritt.
Die Gruft
umfasst nur das untere Drittel der Bühne, was
einen höchst beklemmenden Eindruck macht. Passkontrollen,
Verhaftungen,
willkürliche Gewalt beherrschen die Chorszene – bis sich auch die
unterdrückten
Menschen als uniformierte Geheimdienstler enttarnen und quasi das „Te
Deum“ des
Staatssicherheitsdienstes, der Gestapo oder entsprechender
Spitzelorganisationen singen. Im Hintergrund steht eine hohe Wand
mit Türen, dahinter eine Bilderwand
mit Fotos von Kämpfern und
Kämpferinnen für Freiheit und Gerechtigkeit. Ein
Panzerkanonenrohr ragt hell
beleuchtet in den Raum.
Eine im Winkel
aufgestellte Wand aus Türen, die als szenisches Leitmotiv
von nun an
das Bühnenbild beherrscht, beherbergt
Scarpias heruntergekommenes Büro, das man sich nur schwer im
Palazzo Farnese
vorstellen kann. Dennoch könnte das Bild Eindruck machen –
würden nicht in geöffneten
Türen Sekretärinnen sichtbar werden
und so die intime Situation zwischen Tosca und Scarpia stören,
genauso wie die
mit Waffengewalt erzwungene Demonstration vor dem Haus. Scarpia ist ein
rücksichtsloser, brutaler Mensch, der vor dem Treffen mit Tosca
die Marcesa
Attavanti vergewaltigt. Er ist kühl und berechnend, ohne jeden
(falschen)
verführerischen Charme Tosca gegenüber. Das Sichtbarmachen der Gefangenen und der Folterung Cavaradossis
im Untergeschoß lenkt die Aufmerksamkeit in diese eine Richtung,
Tosca und
Scarpia werden da zur Hintergrundhandlung. Dass Tosca sich vor Zahlung
des
Kaufpreises am gammeligen Waschbecken frisch machen will und dabei
Scarpias
Rasiermesser entdeckt, gehört zu den vielen Details, die innerhalb
des
Konzeptes logisch und folgerichtig sind und die einen Ideenreichtum
deutlich
machen, den man sich anders angewandt wünscht. Dass Tosca Scarpia
betrauert,
wirkt befremdlich, ihre Verwirrung und ihre zum Teil unkoordinierten
Handlungen
in dieser Situation sehr realistisch.
Die Marchesa Attavanti
beweint zu Beginn des dritten Aktes,
die Partie des Hirten singend, ihren toten Bruder, dessen Leiche
sogleich aus
ihren Armen gerissen wird. Das Szenenbild ist das gleiche wie im
zweiten Akt.
Cavardossi liegt in der Folterkammer, aus den Zellen links und rechts
von ihm
werden weitere Gefangene zusammen mit ihm erschossen. Tosca stürmt
durch das
Gebäude auf das Dach, lässt ihren schwarzen Schleier
herabschweben und
wird dann von einem Schergen erschossen.
Die
künstlerisch feinsinnige Seite vernachlässigt das
Regieteam fast gänzlich beim Fokussieren der
freiheitskämpferischen Elemente. Dabei
machen sie alles, was sie zeigen wollen, deutlicher als deutlich und
überfrachten das Ganze bis zur ermüdenden Überzeichnung.
Wie so oft wird durch
intensive Beleuchtung eines Teilaspekts lediglich eine
Überbetonung desselben
erreicht und Feinheiten werden überdeckt. Der Konflikt der
Künstler, die in die
Grausamkeiten der faschistischen Politik geraten, ist nur noch
rudimentär
vorhanden. Damit ist dieses Werk eines seiner elementarsten Konflikte
beraubt. Und
wenn im zweiten Akt die (Elektro-)Folterung Cavaradossis in einem
Kellerraum
tatsächlich gezeigt wird, gerät die Auseinandersetzung
Tosca/Scarpia nicht nur
optisch in den Hintergrund. Höchst beklemmend spannungsgeladen hat
Puccini die
Grausamkeit der Folterung Cavaradossis komponiert und in den Kontrast
zum perfiden
Geschehen zwischen Scarpia und Tosca in Musik gesetzt. Das kann – wenn
es denn
musikalisch entsprechend umgesetzt wird – erschütternder sein, als
jede
realistische Bebilderung. Und eben das ist doch eine der wesentlichen
und
einzigartigen Wirkungen, die Oper erzielen kann. Und das Publikum ist
sehr wohl
in der Lage das zu spüren und zu erleben, wenn man es denn
lässt und es nicht
mit optischen Zaunlatten und Holzhämmern bearbeitet.
Brigitte Hahn singt die Tosca mit
samtig-dunklem Timbre hochkonzentriert
und gestaltet jeden Ton überlegt aus – immer höchst
kontrolliert. Die innere
Zerrissenheit und die tobenden Leidenschaften
der
in die Politik geratenen Diva vermisst man dabei jedoch ebenso wie
strahlende Töne. Die Charakterisierung Cavaradossis als
Freiheitskämpfer, der sich
als Künstler tarnt, unterstützt Rafael Rojas, indem er seinen
sehr individuell
klingenden Tenor eher ungestüm wild stürmen lässt und
nur gelegentlich den
feinsinnigen Maler mimt. Brian Davis bleibt dagegen mit
darstellerischer Intensität,
hoher Stimmkultur und ausgesprochen klangvollem Bariton der Partie des
Scarpia
nichts schuldig. Die kleineren Rollen sind adäquat besetzt, wobei
Daniel Eggert
als Mesner und Sciarrone sowie Stella Motina als Marchesa Attavanti
(hier mit der
Gesangspartie des Hirten) beste Eindrücke hinterlassen, ebenso der
gut
einstudierte Chor und Kinderchor.
Mark Rohdes Dirigat hinterlässt einen
zwiespältigen
Eindruck. Einerseits lässt er wohlüberlegte Details
hören, wie die fehlende
(Applaus-)Zäsur nach Toscas Arie, die dieser den
Charakter des Bravourstücks nimmt und die damit nicht den
musikalischen Fluss unterbricht, andererseits
ist es eben dieser Fluss, der große Bogen, der immer wieder
fehlt. Auch lassen plakative Knalleffekte den Besucher
immer wieder zusammenzucken und die oben beschriebene,
wenig
überzeugende musikalische Ausdeutung der Dramatik im zweiten Akt bestärkt den Eindruck, dass ein
großes Ganzes nicht
entstanden ist.
Eine
überzogene Regie, die zum
Teil durchaus ansprechende Bilder mit Plakativität
überzeichnet. Das Dirigat
schließt sich dieser Interpretationsweise an. In den Hauptpartien
kann nur
Brian Davis als Scarpia überzeugen. Musikalische
Leitung
Inszenierung,
Bühne,
Kostüme Licht Chor Dramaturgie
Niedersächsisches Chor, Extrachor und Statisterie der
Solisten Floria Tosca Mario Cavaradossi Baron Scarpia Cesare Angelotti Der Mesner/Sciarrone Spoletta Ein Schließer Ein Hirte/ Weitere
Informationen
Tosca
Musikdrama in drei Akten
Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica
Musik von Giacomo Puccini
in
italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Staatsoper Hannover
(Homepage)
Mit aller
Gewalt
Von
Bernd
Stopka / Fotos von Thomas M. Jauk und Jörg Landsberg
Ihre
Meinung
?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
Produktionsteam
Mark Rohde
Alexandra Szemerédy
Magdolna Parditka
Susanne Reinhardt
Dan Ratiu
Klaus Angermann
Staatsorchester Hannover
Kinderchor der
Staatsoper Hannover
Staatsoper Hannover
Brigitte Hahn
Rafael Rojas
Brian Davis
Michael Dries
Daniel Eggert
Ivan Turšić
Faris Schulz
Marchesa
Attavanti
Stella Motina
erhalten Sie von der
Staatsoper
Hannover
(Homepage)
© 2014 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de
- Fine -