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Die Macht der StimmenVon Joachim Lange / Fotos: Theater, Oper und Orchester GmbH Halle, © Uwe Köhn
Um Verdi auf den Spielplan zu setzten, braucht man keine Begründung. Die Musik wirkt auf direktem Wege. Im Falle der "Macht des Schicksals" ist es genau das Schicksalsmotiv, das sich schnell festsetzt und das man auch dann noch im Ohr hat, wenn der Spuk auf der Bühne zu Ende ist. Das eher selten gespielte Stück selbst ist eine echte Räuberpistole: Der adlige Vater hat was gegen die Partnerwahl seiner Tochter Leonore. Dass ihr Auserwählter ein exotischer Prinz ist, weiß er nicht. Bei einer Rangelei löst ein Schuss und tötet den Vater. Wie in den einschlägigen europäischen Opernlibretti früherer Jahrhunderte - und in manchen Parallelgesellschaften heute - üblich, geht's ab da nur noch um Rache-Mord. Von dem lässt sich Leonoras Bruder Don Carlo di Vargas nicht mal dadurch abbringen, dass ihm das Objekt seines Hasses das Leben rettet. Am Ende bleibt er zwar auf der Strecke, reißt aber seine Schwester noch mit in den Tod. Das Verhängnis, jene Macht des Schicksals, ist einfach stärker.
Dass man in Halle das Wort "Macht" beim eingeblendeten Titel durch die Vokabel "Wahnsinn" ersetzt, trifft die Sache im Kern also ganz gut. Damit hat Regisseur G.H. Seebach allerdings auch schon sein schärfstes interpretatorisches Geschütz abgefeuert. Ansonsten wird ziemlich geradlinig und schlicht erzählt. Diese krude Story nach dem Libretto von Francesco Maria Piave ist so eine, bei der man am liebsten dazwischen gehen und die Beteiligten zum Reden und Einsehen zwingen würde. Geht aber nicht. Das zelebrierte Verhängnis soll ja die Köpfe und Herzen bewegen. Und das geschieht gerade in dieser düsteren Oper über die emotionale Wucht der Musik. Wobei Verdi das Ganze mit einigen kriegerischen Chornummern (den Opernchor hat Jens Petereit einstudiert, den Extrachor Peter Schedding) aufgemöbelt hat, aus denen sich auch szenisch etwas machen lassen könnte. Wenn man denn den Krieg als Vater des Verhängnisses kenntlich machen will. Hier wird das vor allem durch den klaustrophobischen, verliesartigen Raum von Hartmut Schörghofer deutlich. Künstliches Licht und angehobene Wände sorgen für atmosphärische Effekte. Wirklich erzählt wird die Geschichte nicht, es sind Bilder, die sich ablösen.
Wenn der Regie dann aber einfällt, dass das Ganze auch etwas mit den grausigen Seiten unserer Gegenwart zu tun haben könnte, und plötzlich die grünen Fahnen des Propheten über den Häupter überreichlich mit Blut beschmierter Männer geschwenkt werden, oder ein Gefangener auf allen Vieren am Halsband herbeigeführt, mit Waterboarding traktiert und andeutungsweise geköpft wird, dann verhebt sich die Regie. Wie die überhaupt beim Publikum ankam, lässt sich nicht genau sagen. Den Regisseur hatte die Grippe ins Bett verbannt, und sein Team übernahm die Stellvertreter-Rolle nicht. Bleibt die einhellig zu Recht bejubelte Seite des Abends. Auch die stand unter keinem guten Stern. Ausgerechnet den vorgesehenen Tenor Xavier Moreno ereilten nach der Generalprobe die Windpocken. Bei solchen Katastrophen zeigt sich, was ein Theater drauf hat.
Von jetzt auf gleich wurde mit Ernesto Grisales ein Ersatz-Don Alvaro aus Madrid herbeigezaubert. So in eine Produktion hineinzuspringen, sich auf das, was man vor Jahren einstudiert hat und auf die naturgemäß stark geforderte Souffleuse (Regina Karpinski) zu verlassen, und dann eine so sicher sitzende Partie hinzulegen, verdient größten Respekt. Bei der vokalen Ausstattung dieser Produktion gibt es ohnehin nichts auszusetzten. Ganz im Gegenteil. Für ihre vielen Fans viel zu selten, war die Leonora endlich mal wieder eine Paraderolle für Romelia Lichtenstein, die Leidenschaft und Leiden mit ihrem nachdunkelnden Timbre bravurös aufleuchten ließ. Aus dem rachewütigen Don Carlo macht Kwang-Keun Lee ein dramatisch dunkles Elementar-Ereignis, während Ki-Hyun Park dem Padre Guardiano die sonore Würde des Klosteroberhauptes verleiht.
Gerd Vogel schließlich gewinnt mit seinem Bühnencharisma dem Mönch Melitone die komischsten Elemente des Abends ab. Antigone Papoulkas macht als blinde Preziosilla aus der etwas absurden Rataplan-Einlage das Beste. Und gleich zu Beginn gab es für die Hallenser ein Wiedersehen bzw. Wiederhören mit Jürgen Trekel als Marchese di Calatrava, dem ersten Todesopfer des Abends. Im Graben war dieser Verdi Chefsache. Josep Caballé-Domenech sorgte am Pult der Staatskapelle für einen transparenten und doch vorwärtstreibenden Klang-Sog. Er schmiegte sich dem wogenden, zentralen Schicksalsmotiv immer wieder beeindruckend an und trug seine Sänger auf Händen.
An der Oper in Halle wurde Verdis La forza del destino zu einer besonderen Herausforderung, die das Ensemble vor allem musikalisch und vokal glänzend bewältigte. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Chor
Einstudierung Extrachor
Dramaturgie
Solisten
Marchese di Calatrava
Don Carlo di Vargas
Donna Leonora di Vargas
Don Alvaro
Preziosilla
Pater Guardiano
Fra Melitone
Curra, Leonoras Zofe
Ein Chirurg im spanischen Heer
Alkalde
Mastro Trabuco, Maultiertreiber
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