Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Phaedra

Konzertoper in zwei Akten
Libretto von Christian Lehnert
Musik von Hans Werner Henze


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 20' (keine Pause)

Premiere im Opernhaus Halle am 13. März 2015


Opernhaus Halle

Hip, Hipster, Hippolyt

Von Joachim Lange / Fotos: Theater, Oper und Orchester GmbH Halle, © Uwe Köhn

Es ist verblüffend wie weit man Hans Werner Henzes (1926-2012) faszinierendes Spätwerk Phaedra, das 2007 in Berlin uraufgeführt wurde, in die Gegenwart verlegen kann. Ohne dass daraus ein verquerer Aktualisierungsversuch wird. Aber ein so blitzgescheiter Regisseur wie Florian Lutz kann das. Der 35jährige hat auch schon Wagners Lohengrin in der unmittelbaren Nachwendezeit in Thüringen an Land gehen lassen und gerade in Lübeck aus dem Tannhäuser ein interaktives Event gemacht, bei dem die These der regierenden Kanzlerin von der Alternativlosigkeit des Politikerhandelns kühn zerlegt wird. Und das alles mit erheblichem sinnlichem Effekt und ohne die Stücke zu lädieren.


Vergrößerung Theseus mit dem Kopf seines Sohnes

Ganz anders, aber mit ähnlicher Gedankenschärfe ist er jetzt an Henzes Zweiakter in Halle herangegangen. Dort war dieses ambitionierte Projekt schon vor Jahren für die Spielstätte des neuen Theaters vorgesehen, ist durch den Hickhack ums Theaterbudget mehrfach verschoben worden und geriet jetzt zum Höhepunkt der Spielzeit im Opernhaus. Bei der von Christian Lehnert aus der antiken Vorlage destillierten Geschichte spielt nur die Affäre, die Phaedra mit ihrem Stiefsohn Hippolyt anzufangen versucht, in nachvollziehbar irdischen Gefilden. In einem Ausbruch der Begierden stürzt sie sich auf ihn und reagiert mit einem Abgrund an Bosheit, als der sich entsetzt verweigert. Sie denunziert ihn bei seinem Vater und ihrem Ehemann als Vergewaltiger, was den Knaben, da er sich, ganz Gentlemen, in Schweigen hüllt, den Kopf kostet.

Vergrößerung

Wer bin ich, und wenn ja, wie viele? Männer, Frauen, Göttinnen ...

In Halle greift der rächende Wüterich zum Beil und verrichtet hinterm Sofa sein ehrenmörderisches Werk. Wie absurd das Ganze ist, wird in dem mehrstöckigen Wohnlabyrinth auf der Drehbühne nicht nur daran deutlich, dass der abgetrennte Kopf plötzlich zwischen den Sofakissen ohne Körper weitersingt. Da fängt schon Henzes altersweise Sicht auf das Groteske jener menschlich, allzu menschlichen Konstellation an, die Tod und Liebe als zwei Seiten einer Medaille denkt. Was schon in der Salome von Wilde und Strauss oder auch in Kleists Penthesilea (und Otmar Schoecks Opernversion) wo sich ja Küsse auf Bisse reimen, exemplarisch durchdekliniert wird. Bei Henze kommen nach dem blutigen Verhängnis, bei dem der Sohn durch den Vater und Phaedra durch die eigene Hand zu Tode kommen, die Göttinnen Aphrodite und Artemis ins Spiel und bauen sich Hippolyt in einer anderen Version wieder zusammen. Da wird dann auch die altmeisterlich von allerlei exotischem Schlagwerk durchwirkte Musik, über die immer mal ein melodischer Luftzug des Nachhalls von spätromantischer Opulenz hinweg zieht, auf eigene Weise heiter. So als käme sie von ganz weit her, aus einem Reich, wo die Zuweisung von Geschlechterrollen keine Rolle mehr spielt.


Vergrößerung Theatralischer Selbstmord in der Badewanne - Hippolyt und die sterbende Phaedra

Bei Florian Lutz und seinem kongenialen Ausstatter Sebastian Hannak sehen sie sich dann auch irgendwann alle zum Verwechseln ähnlich. Mit ihren gestutzten Hipsterbärten und den blonden Locken im gleichen Look der Kleider. Die Spiegelung der irdischen Tragödie in dem himmlischen Übermut eines göttlichen Lebenswillens wird in dieser Inszenierung auf die Spitze getrieben und zum metaphorischen Leitfaden. In all dem Treppauf und Treppab, den Verdopplungen des Personals und den räumlichen Kopfständen. Da ist man ganz benommen, selbst wenn man mal den Faden bei dem Versuch verliert, das Who-is-Who auf die Reihe zu bekommen.

So selten, wie sich die Staatskapelle an avancierter Musiktheatermoderne versucht, ist es sensationell, wie sie unter Robbert van Steijn zur Hochform aufläuft. Erst hochgefahren für alle sichtbar und dann wohldosiert aus dem Graben, wo vor allem zwei exotisch ausgestattete Schlagwerkgruppen den Klang würzen. Fabelhaft sind die Protagonisten, von denen die exzellente Olga Privalova sich als Einspringerin auch noch kurzfristig in die Partie einarbeiten musste. Kondition beweist Robert Sellier in der Rolle des Hippolyt nicht nur bei den Liegestützen, sondern auch vokal. Ulrich Burdack als Theseus und vor allem die beiden Göttinnen Aphrodite (Ines Lex) und der Counter Michael Taylor als Artemis stehen dem in nichts nach.


FAZIT

Das Opernhaus Halle stellte mit Florian Lutz' Inszenierung von Hans Werner Henzes Phaedra als Phsychothriller von heute, die Leistungsfähigkeit des Hauses unter Beweis.




Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Robbert van Steijn

Inszenierung
Florian Lutz

Bühne und Kostüme
Sebastian Hannak

Dramaturgie
Susanne Holfter



Statisterie der Oper Halle

Staatskapelle Halle


Solisten

Phaedra
Olga Privalova

Aphrodite
Ines Lex

Hippolyt
Robert Sellier

Artemis
Michael Taylor

Minotauros / Theseus
Ulrich Burdack


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Opernhaus Halle
(Homepage)






Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum

© 2015 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -