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Luisa Miller

Melodramma tragico in drei Akten
Libretto von Salvadore Cammarano nach dem bürgerlichen Trauerspiel Kabale und Liebe von Friedrich von Schiller
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen, niederländischen und französischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Koproduktion mit der Opéra National de Montpellier

Premiere im Théâtre Royal am 26. November 2014
(besuchte Vorstellung: 29. November 2014)

 



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)

Singing in the Pain

Von Thomas Tillmann / Fotos von Jacques Croisier


Anders als Andreas Homoki in Hamburg ist es dem französischen Regisseur Jean-Claude Fall nach eigenen Angaben nicht gelungen, Schillers bürgerliches Trauerspiel Kabale und Liebe in Cammaranos Libretto wiederzufinden, und so versucht er nach eigenen Angaben zu erzählen, "was die Musik mir erzählt hat", wobei Ort und Zeit beim Entwickeln seiner Inszenierung immer mehr zur Nebensache wurden. Drei zentrale Themen hat er aufgespürt: das Geschlechterverhältnis in einer völlig patriarchalen Gesellschaft, den Konflikt zwischen zwei völlig unterschiedlichen Klassen und die Intrige als konstituierendes Element eines geschlossenen politischen Systems. All dies findet Fall am deutlichsten in der italienischen Gesellschaft unmittelbar vor Ausbruch des Faschismus, eine Epoche, die sich vor allem in den nicht besonders aufwändigen oder reizvollen Kostümen von Agostino Cavalca niederschlägt, ansonsten aber nicht zum zentralen Element der Inszenierung wird, sondern reichlich beliebiges Kolorit bleibt. Die meisten Szenen spielen sich auf einer abfallenden Spielfläche ab, auf der hinten ein paar Pappmaché-Felsen zu sehen sind, dazu kommen ein paar entblätterte Bäume, die im letzten Bild sinnfällig gefällt sind; vier Kinderstatisten beobachten das Geschehen den ganzen Abend über, ohne dass ihr Einsatz der wenig inspirierten Inszenierung Essentielles hinzufügen könnte. Für die Szenen in den Räumen des Conte di Walter wird die Spielfläche nach oben gefahren, man gewinnt den Eindruck, in eine Art Unterwelt zu schauen, ein durchaus überzeugender Effekt, der freilich die Bühnentechnik in Lüttich hörbar an Grenzen führte. Besondere Probleme hatten an diesem Abend aber die Mitglieder des Beleuchtungsteams, immer wieder tat der Verfolger zum Beispiel das, was er wollte, und auch lautstarke, bis in den Saal zu hörende klärende Gespräche schafften nicht wirklich Abhilfe. Ansonsten aber hatten die Darstellerinnen und Darsteller weitgehend freie Sicht auf den Dirigenten, durften auch so weit wie möglich an den Rand der Szene treten, was die Intensität des Bühnengeschehens nicht erhöhte, aber für größere musikalische Präzision sorgte, wovon nicht zuletzt auch der sehr subtil und differenziert singende Chor in Marcel Seminaras Einstudierung profitierte.

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Die junge Luisa (Patrizia Ciofi) freut sich ihres jungen Lebens: Sie ist verliebt.

Besonderes Lob verdient die feurige, pulsierende musikalische Leitung von Maestro Zanetti, der wirklich von der ersten bis zur letzten Sekunde das Lütticher Orchester zu Höchstleistungen anspornte, bei durchaus flotten, aber machbaren Tempi und die auch nach dem Umbau des Hauses immer noch entsetzlich trockene Akustik nach Kräften ignorierend. Er hatte auch einen exzellenten Kontakt zur Bühne und arbeitete vor allem der Interpretin der Titelpartie mit sehr zurückgenommener Lautstärke an ihren heiklen Stellen sehr zu, die Ensembleszenen waren wunderbar durchsichtig und blitzsauber - ein Verdi-Dirigat, wie man es sich wünscht, zweifellos.

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Noch ahnt Luisa (Patrizia Ciofi) nicht, dass ihr Geliebter Rodolfo (Gregory Kunde) Sohn des Conte di Walter ist.

Was indes Patricia Ciofi dazu bringt, in einem für sie und ihren kleinen Sopran viel zu schweren Fach zu wildern, ist ihr Geheimnis. Sie bringt für die Luisa wenig mehr mit als ein paar schöne Pianissimi in der Kadenz des "Tu puniscimi", wenn das Orchester schweigt, das ist wohl auch zu erwarten von einer so leichten, beweglichen, aber auch in den verzierten Passagen nicht gerade brillianten Stimme. Und so hörte man überwiegend glanzlos-stumpfe, blasse Töne, nicht nur in den dezidiert dramatischen Momenten, in der Tiefe rettete sie sich in eine Art Sprechgesang, punktierte in ihrer Not einzelne Passagen des "O brani" nach oben, damit sie überhaupt zu hören war, Töne über dem System flackerten unstet, und auch die Intonation litt unter der permanenten Überforderung - es war mir ein Rätsel, warum das Publikum die Italienerin für diese indiskutable Leistung (Jürgen Kesting nannte es neulich "Singing in the pain") auch noch feierte.

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Luisa (Patrizia Ciofi) und Rodolfo (Gregory Kunde) sind die Opfer des Eklats zwischen ihren Vätern, dem Grafen Walter (Luciano Mantanaro, links) und dem alten Miller (Nicola Alaimo).

Gregory Kunde ist ein Phänomen: Der Künstler ist 60 Jahre alt, hat eine lange, glanzvolle Karriere im Belcantofach hinter sich, und singt seit einigen Jahren durchaus erfolgreich das dramatische Tenorfach, wobei sich die Stimme seit seinem Enée vor zehn Jahren wirklich deutlich entwickelt hat und erstaunlich frisch und entschlossen klang, sie hat inzwischen genug Metall, Squillo und "Peng" in der Höhe, wobei seine Art des Singens unter Hochdruck nach einiger Zeit doch sehr eindimensional wirkte, es fehlte letzt an Nuancen, die zaghaften Versuche, wenigstens hin und wieder ein korrektes Piano zu singen, blieben doch sehr verhalten, die Stimme macht diese feineren Effekte eben doch nicht mehr problemlos mit. Dennoch zog man seinen Hut vor dieser in manchen Momenten eher sportlichen als wirklich künstlerischen Leistung und lobte auch die Entscheidung der für die Besetzung Verantwortlichen, hier nicht einen ambitionierten lyrischen Tenor zu engagieren, sondern einen mit den nötigen Manrico- oder Otello-Reserven, auch wenn dies das Unvermögen seiner kleinstimmigen Bühnenpartnerin noch stärker hervortreten ließ.

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Luisa (Patrizia Ciofi) verspricht ihrem Vater (Nicola Alaimo), mit ihm zu fliehen.

Nicola Alaimo erwies sich leider als so bewegungsunfähig, dass man das eine oder andere Mal doch schmunzeln musste. Gesanglich war er als Miller natürlich eine Wucht, man freute sich über eine kerngesunde, volle Kavaliersbaritonstimme, wie man sie wirklich nicht alle Tage zu hören bekommt, mit Durchschlagskraft und schöner Färbung in allen Lagen, mit aus der musikalischen Linie entwickelter Expressivität, mit erfüllten Phrasen bis ins gut gestützte Pianissimo hinein. Und auch Bálint Szabó und Luciano Montanaro waren alles andere als eine schlechte Wahl für die beiden Basspartien, wobei der letztgenannte als Muttersprachler doch noch mehr aus Cammaranos Text zu machen verstand und über noch mehr vokale Farben verfügte als der Fachkollege, dessen Timbre indes etwas mehr Schwärze aufwies. Cristina Melis war mit reifem, aber bruchlos geführten, durchaus sinnlich-herben Mezzo eine insgesamt attraktive Federica, die erfahrene und am Haus so beliebte Alexise Yerna machte alles aus der kleinen Partie der Laura, und auch Stefano De Rosa steuerte ein paar ordentliche Töne als Contadino bei.

FAZIT

Mit Spannung waren die Rollendebüts von Patrizia Ciofi, Gregory Kunde und Nicola Alaimo erwartet worden - das der Sopranistin fand ich mehr als enttäuschend, aber dank der packenden musikalischen Leitung von Massimo Zanetti lohnte sich trotzdem die Fahrt in die Hauptstadt der Wallonie.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Massimo Zanetti

Inszenierung
Jean-Claude Fall

Bühnenbild
Gérard Didier

Kostüme
Agostino Cavalca

Licht
Martine André

Choreinstudierung
Marcel Seminara

 

Chor der
Opéra Royal de Wallonie

Orchester der
Opéra Royal de Wallonie


Solisten

Il Conte di Walter
Luciano Mantanaro

Rodolfo
Gregory Kunde

Miller
Nicola Alaimo

Luisa
Patrizia Ciofi

Wurm
Bálint Szabò Federica
Christine Melis

Laura
Alexise Yerna

Un Contadino
Stefano De Rosa


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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