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La Wally

Dramma lirico in 4 Akten
Libretto von Luigi Illica nach dem Roman Die Geier-Wally (1873) von Wilhelmine von Hillern
Musik von Alfredo Catalani

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Dauer: 2 ¾  Stunden – eine Pause

Premiere im Nationaltheater am 24.Oktober 2014


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Nationaltheater Mannheim
(Homepage)
Zu enges Deutungskorsett

Von Christoph Wurzel / Fotos von Hans Jörg Michel

Laut Libretto ist Wally wirklich ein widerspenstiges Mädchen, weigert sie sich doch, den Mann zu heiraten, den der Vater für sie ausgesucht hat. Statt sich anzupassen, sucht sie ihre Freiheit in den Bergen. Erst nach dem Tod des Vaters kehrt sie zurück in die Gesellschaft, beharrt aber auf eigenständiger Partnerwahl. Ihr heimlich Auserwählter ist Hagenbach, der Schwarm ihrer Jugend, den sie bei einem Dorffest aber nur als erotische Jagdtrophäe interessiert. Das kränkt ihren Stolz so sehr, dass sie Gellner, der sie schon lange verehrt, zum Mord an Hagenbach anstachelt. Aus Reue beschließt sie in letzter Minute den Mord zu verhindern und rettet Hagenbach doch noch das Leben. Zurück in der Wildnis der Berge erinnert sie sich schmerzlich ihres verflossenen Lebens, bis sie plötzlich die Stimme des fernen Geliebten vernimmt. Doch das scheinbare Happy End kann es nicht geben, denn Hagenbach wird beim Aufstieg zu ihr in die Berge von einer Lawine erfasst. Verzweifelt stürzt Wally sich ihm hinterher.

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1. Akt: Die Revoluzzer besetzen das Wohnzimmer (sitzend rechts: Sung Ha als Stromminger, rechts mit Victory-Zeichen: Roy Cornelius Smith als Hagenbach mit Chor).

Das Schicksal einer Frau, die vergeblich ihre Freiheit und Selbstbestimmung zu leben versucht? Eine gescheiterte Emanzipation? Tilman Knabe hat die Geschichte genau so gelesen und seine Regie in Mannheim darauf aufgebaut. Er zeigt die Handlung gleichsam als soziologisches Modell: den Weg Wallys aus der Protestbewegung der Achtundsechziger in die Sympathisantenszene der RAF, weiter in die Härte des kapitalistischen Wirtschaftens und von dort in den Absturz in soziale Eiseskälte und unbehauste Einsamkeit. Eine Frau, die ihr Leben verfehlt, weil sie sich auf den Mann fixiert  und bis zum Schluss sich wie eine Närrin immer noch an die Hoffnung auf Liebesglück klammert. Vielleicht auch sogar ist Wally gar nicht als individuelle Person gemeint, sondern als Vertreterin einer ganzen Generation. Eben der Generation, deren Emanzipation gescheitert ist.

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2. Akt: Wally als energische Unternehmerin (im roten Kleid: Ludmila Slepneva als Wally und Roy Cornelius Smith als Hagenbach mit Chor)

Wo sich Catalanis La Wally im Zwischenreich von italienischer Romantik und Verismo bewegt, da zieht die Inszenierung die Oper recht rabiat in Richtung eines sozialen Realismus, was dieser aber nicht gut tut. Besonders dick aufgetragen wird im 1. Akt, wo es die Regie nicht beim familiären Konflikt zwischen dem autoritären Vater und der auf Selbstbestimmung beharrenden Tochter belässt, sondern auch noch per Videoeinblendung gleich die ganze Studentenbewegung zwischen Benno Ohnesorg und Ulrike Meinhof, Adorno und Dutschke, Vietnam-Demo und Straßenbarrikaden dokumentarisch vorbeiziehen lässt. Am Ende dieses Aktes baut die Regie dazu noch ein lebendes Bild aus vervielfältigten Baader- und Ensslin-Figuren auf. Auch zum Schluss der Oper flimmert die 68iger-Historie nochmals als Reminiszenz über den Bühnenhintergrund. Aberwitzig auch die optische Aufrüstung der Rettungsszene im 3. Akt mit dem Einsatz eines kompletten Feuerwehrzuges samt Sanitätern mit Notarzt.

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3. Akt: Suff aus Verzweiflung (v.l.: Ludmila Slepneva als Wally und Tamara Banješević als Walter)

Nur wo sich die Szene vor allem auf die Interaktion der Figuren verlässt oder eine Stimmung beschreibt, erreicht sie Atmosphäre und Dichte. Überzeugend ist die Kussszene des 2. Aktes choreografiert, wo sich Wally und Hagenbach mit echten Gefühlen zu treffen scheinen, sich dann aber doch nur in einem taktischen Spiel verfangen, das dieser kalten Geschäftsfrau und dem leicht schmierigen Gigolo auf keinen Fall Glück verheißt. Auch Wallys Einsamkeit im 4. Akt ist durch die szenische Konzentration auf den ihr verbliebenen armseligen Lebensraum anrührend gezeigt, besonders weil hier auch die Szene am besten der musikalischen Ausdruckswelt entspricht.

Damit das Lehrstück auch als solches verstanden wird und Knabe sein Konzept irgendwie stimmig über die Bühne bringt, übertitelt er die einzelnen Akte im Stile des epischen Theaters mit genauen Zeitangaben. Schließlich quert vor dem Vorhang zwischen den Akten die Wally-Figur in verschiedenen Altersstufen mit Einkaufswagen oder Rollator die Bühne, sei es nur als Pausenfüller oder vielleicht auch als Sinnbild der verfließenden Jahre. Derart theaterpädagogische Spielchen führen bei Teilen des Publikums schon während der Aufführung zu ostentativer Heiterkeit und beim Schlussbeifall zu heftigen Buhs für die Regie.

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4. Akt: Am Schluss ganz unten (v.l.: Tamara Banješević als Walter und Ludmila Slepneva als Wally)

Auch musikalisch ist dieser Abend durchwachsen. Vor allem wird Ludmila Slepneva der Titelrolle im Ganzen gerecht. Stimmlich kann sie den seelischen Tiefen dieser Figur überzeugend Ausdruck verleihen. Nicht allein im 1. Akt („Ebben, ne andró lontana“), in der Arie, durch die allein diese Oper heute überhaupt noch bekannt ist, singt sie überaus klug und wirkungsvoll den melodischen Spannungsbogen aus. In vokaler Schönheit verklärt sie auch das tragische Ende. Als ihr unerreichter Geliebter Hagenbach ist Roy Cornelius Smith stimmlich weit weniger sensibel eingestellt, ein Spinto mit doch recht eindimensionalen Farben. Szenisch von der Regie leider etwas unterbelichtet, aber stimmlich mit einnehmendem Organ gibt Jorge Lagunes den Gellner als ewigen Zweiten. Als treuer Begleiter Wallys steckt Tamara Banješević als Walter in einer traditionellen Hosenrolle und ist abwechselnd in weiblicher wie männlicher Gestalt darstellerisch und vokal höchst präsent. Als Darsteller des alten Stromminger bleibt Sung Ha im 1. Akt nur ein kurzer Auftritt als stimmlich mächtiger, väterlich autoritärer Popanz.

Alois Seidlmeier nimmt die Partitur zumindest im ersten Teil recht ruppig und vor allem zu laut. Nach der Pause wirkt das Orchester weicher und lyrischer und lässt die Farben sich leuchtender entfalten und Catalanis kompositorische Kunst besser zur Geltung kommen. Der Mannheimer Chor hat auch an dieser Produktion zuverlässigen Anteil.

FAZIT

Mit derartiger Deutungsüberfrachtung dürfte dieser selten gespielten Oper wohl kaum gedient sein. Musikalisch lässt sich erahnen, welche Qualitäten in dem Werk stecken, doch szenisch wäre deutlich weniger mehr gewesen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alois Seidlmeier

Inszenierung
Tilman Knabe

Kostüme
Kathi Maurer

Licht
Bernard Häusermann

Chorleitung
Anton Tremmel

Dramaturgie
Anselm Dalferth
Elena Garcia-Fernandez



Chor und Statisterie
des Nationaltheaters Mannheim

Orchester des
Nationaltheaters Mannheim

Solisten

Wally
Ludmila Slepneva

Stromminger, ein reicher
Gutsbesitzer, ihr Vater

Sung Ha

Afra, Wirtin in Sölden
Evelyn Krahe

Walter, Zitherspieler
Tamara Banješević

Giuseppe Hagenbach, ein Jäger
Roy Cornelius Smith

Vincenzo Gellner, Gutsverwalter
Strommmingers

Jorge Lagunes

Il Pedone
Bartosz Urbanowicz






Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Nationaltheater Mannheim
(Homepage)



Da capo al Fine

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