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Musiktheater
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La Bohème

Oper lirica in vier Bildern
Text von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica nach Henri Murgers La vie de Bohème
Musik von Giacomo Puccini

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 15'  (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theater Münster am 16. Mai 2015
(rezensierte Vorstellung am 22. Mai 2015)

Logo: Theater Münster

Theater Münster
(Homepage)
Parallelwelten auf der Opernbühne

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Oliver Berg

Puccini, La Bohème, 1. Bild. Als Adrian Xhema seine Arie Che gelida manina singt, kann man beobachten, wie Menschen näher rücken und verstohlen Hände suchen. Manch einer kann nicht widerstehen, mitzusummen. Wieder einmal haben es Solist und Orchester für Augenblicke geschafft, uns in den Zustand der Nicht-Entfremdung zu entführen. Und Münsters scheidender Generalmusikdirektor Fabrizio Ventura versteht es meisterhaft, Spannungspausen zu setzen, die sinnlichen Reize dieser Musik in aller Ruhe zu entfalten, kitschig schmalzende Violinen und messerscharfe Bläserakkorde zu kontrastieren und musikalische Themen zart, transparent durchscheinend in Erinnerung zu rufen. Dabei scheint es fast egal zu sein, welche Bilder gezeigt werden. Für Regisseur Pavel Fieber ist Mimi keine schüchterne, von Schwindsucht gezeichnete Schöne sondern eine mit Mini-Röckchen, löchriger Strumpfhose und Lederjacke kostümierte, attraktive Muse des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Sie hat sich offenbar schon vorher in den Dichter verguckt, sucht selbstbewusst den Kontakt und bläst die Kerze aus, um ihm im Dunkeln näher zu kommen. Benoit erscheint im Gendarmenkostüm und macht Anstalten die Künstlerclique zu kontrollieren, bevor sie ihn mit Wein abfüllen, sich über seinen „unmoralischen“ Lebenswandel gespielt entrüsten, um ihn sodann hinauszuwerfen.

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Mimi (Sara Rossi Daldoss) und die Künstlerclique vergnügen sich im Café Momus.

Christian Floeren hat für die stark gekürzte Neuinszenierung am Theater Münster die Bühne in einen gigantischen, sich in einer Kurve perspektivisch verjüngenden, realistisch anmutenden, still gelegten U-Bahntunnel verwandelt, der in einem weißen Loch endet. Eine Uhr zeigt das Jahr 1993. Auf der rechten Seite rostet ein altes, ausgedientes Wagenabteil still vor sich hin, dessen Vorderseite ein kleines, bunt illuminiertes Tannenbäumchen schmückt. Auf der gegenüberliegenden Seite prangen Werbe-Glaskästen, die Maler Marcello vergeblich zu übersprayen versucht. Doch anstelle von Graffitti-Kunstwerken produziert er  Hustenreiz auslösenden Nebel. Dass Regisseur Pavel Fieber die Puccini-Clique des 19. Jahrhunderts aus Maler, Dichter, Musiker und Philosoph  mit einer Protestbewegung des ausgehenden 20. Jahrhunderts vergleicht, erfährt man erst im Programmheft, wo auf „Mole People“ („Tunnelmenschen“) hingewiesen wird, eine Parallelgesellschaft, auf die Luc Besson und Jennifer Toth in den 1980er, -90er Jahren aufmerksam machten.

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Die sterbenskranke Mimi (Sara Rossi Daldoss, Mitte) wird fürsorglich von allen umsorgt.

Im zweiten und dritten Bild der Oper führt Fieber dann die Konsum orientierte Gegenwelt vor Augen. In teure Pelze gehüllte, sonnenbebrillte Schönheiten warten mit Taschen und Tüten bepackt vor dem Bahnhof „Café Momus“ und sind mehr oder weniger vergeblich bemüht, die reiche Kinderschar mit Süßigkeiten ruhig zu halten. Alcindoro, der reiche Verehrer Musettas, ist ein alter Mann und kann sich ihrer Späße und denen der beobachtenden Clique nicht erwehren. Heimkehrende Betrunkene tummeln sich im Morgengrauen mit Mitarbeitern der Abfallwirtschaftsbetriebe bevor Mimi Marcello ihr Leid klagt und Musetta sich wieder einmal mit Marcello streitet. Am Ende kehren die Künstler-Bohemiens in den Untergrund zurück. Mit witzigen Tanzschritten und Scheingefechten überspielen sie humorvoll ihre Einsamkeit. Und während Mimi auf einem ausgedienten Liegestuhl von ihren Lieben umsorgt den Tod erwartet, macht sich eine aufdringlich die Sterbenskranke fotografierende Gruppe ihr Bild vom Leben in Parallelwelten.

Sara Rossi Daldoss ist eine klangvoll vibrierende, dunkel gefärbte Mimi, die sich in den Sterbemomenten wirkungsvoll zurückzunehmen weiß. Tenor Adrian Xhema gestaltet variantenreich und verzaubert das Publikum mit hell timbriertem, heldenhaften Klang.  Henkrike Jacob stellt eine soubrettenhafte, verspielte Musetta dar. Gregor Dalal überzeugt als Maler Marcello mit viel Spielfreude und klangvoll karikierenden Falsetttönen im vierten Bild. Lukas Schmids Abschied an seinen Mantel dagegen gerät eher unfreiwillig komisch.

FAZIT

Ein wirkungsvolles Bühnenbild gepaart mit einer nicht in Allem überzeugenden, musikalisch anrührenden Inszenierung

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Fabrizio Ventura

Inszenierung
Pavel Fieber

Bühne & Kostüme
Christian Floeren   

Choreinstudierung
Inna Batyuk

Kinderchoreinstudierung
Rita Stork-Herbst     

Dramaturgie
Jens Ponath

 

Opernchor des
Theaters Münster

Kinderchor der
Westfälischen Schule für Musik

Sinfonieorchester Münster

 

Solisten

Mimí
Sara Rossi Daldoss

Musette
Henrike Jacob

Rodolfo
Adrian Xhema

Marcello
Gregor Dalal

Schaunard
Juan Fernando Gutiérrez

Colline
Lukas Schmid

Parpignol
Jaean Koo

Alcindoro / Benoît
Plamen Hidjov

Ein Zöllner

Frank Göbel

Sergeant der Zollwache
Hee-Sung Yoon


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Münster
(Homepage)



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