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Die schöne Müllerin

Ein Abend für neun SchauspielerInnen
Liederzyklus nach einem Gedicht von Wilhelm Müller, Fassung für das Schauspiel Wuppertal von Susanne Abbrederis,
Jos van Kan und Marlijn Helder
Musik von Franz Schubert

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1h 30' (keine Pause)

Premiere im Theater am Engelsgarten am 28. September 2014
(rezensierte Aufführung: 08.10.2014)




Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Grün ist die Hoffnung


Von Thomas Molke / Fotos von Christoph Sebastian

Während die Wuppertaler Oper Anfang September unter dem neuen Opernintendanten Toshiyuki Kamioka ohne festes Solisten-Ensemble im Opernhaus die neue Spielzeit eröffnete, hat nun auch das Schauspiel die neue Spielstätte, das Theater am Engelsgarten, eingeweiht. Und auch hier gibt es mit Susanne Abbrederis eine neue Intendantin, die im Gegensatz zu Kamioka allerdings an einem Ensemble festgehalten hat, sich allerdings mit der wesentlich kleineren zweiten Spielstätte abfinden muss, die zugegebener Maßen mit ihren etwa 150 Plätzen bezüglich der Beinfreiheit und der bequemen Sitze eher an einen Kinosaal erinnert. Dass für die Eröffnung ein Liederzyklus von Franz Schubert ausgewählt worden ist, der für diesen Zweck für sechs Schauspieler und drei Schauspielerinnen arrangiert worden ist, mag verwundern. Soll den einzelnen Ensemble-Mitgliedern damit die Möglichkeit gegeben werden, sich gleichwertig, also ohne Haupt- und Nebenrollen, dem Publikum zu präsentieren, oder ist es vielleicht doch ein versteckter Seitenhieb auf die Oper, dass man im Schauspiel nicht nur am Ensemble festgehalten hat, sondern dann auch noch singend beginnt?

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Die Wanderschaft des jungen Müllersgesellen beginnt: hinten von links: Thomas Braus, Stefan Walz, Uwe Dreysel, Konstantin Shklyar, vorne Mitte: Daniel F. Kamen, am Flügel: Christoph Schnackertz

Die Idee, Franz Schuberts Liederzyklus Die schöne Müllerin, die Schubert 1823 auf die gleichnamige Gedichtsammlung seines Zeitgenossen Wilhelm Müller komponierte, in Szene zu setzen, ist dabei grundsätzlich nicht neu. Zu erwähnen ist hier Christoph Marthalers Inszenierung für das Schauspielhaus Zürich im Jahr 2002, die anschließend zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde. Während bei Marthaler allerdings die Geschichte um den jungen Müllersgesellen, der auf seiner Wanderschaft zu einer Mühle gelangt und sich dort in die Tochter seines neuen Meisters verliebt, diese jedoch an einen Jäger verliert und aus Kummer ertränkt, nah an der Gedichtvorlage bleibt, baut man in Wuppertal eine zusätzliche Komponente ein. Christoph Schnackertz setzt sich als personifizierter Franz Schubert nicht nur selbst ans Klavier, sondern scheint auch einen Teil seiner eigenen Biographie mit dem Schicksal des jungen Müllers zu verweben. So ist es am Ende der Pianist, der sich im Bach zur Ruhe legt, während Julia Reznik am Klavier "Des Baches Wiegenlied" spielt. Ob der Grund des Flusses dabei ein Sandkasten sein muss, ist Ansichtssache.

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Vorfreude auf die Hochzeit: von links: Philippine Pachl, Tinka Fürst, Julia Reznik als schöne Müllerinnen, am Flügel: Christoph Schnackertz

Jos van Kan verzichtet in seiner Inszenierung größtenteils auf eindeutige Figurenzuordnungen. So stehen zu Beginn eigentlich alle sechs Schauspieler für den wandernden Müllergesellen, der dann auf drei schöne Müllerinnen in Gestalt der drei Schauspielerinnen trifft. Die Bühne von Jan Ros besteht dabei aus zwölf Podesten, die in drei Reihen nach hinten hin aufgebaut sind. Auf dem hinteren linken Podest steht ein Glaskasten, der zwischenzeitlich als Heim des Rehs fungiert, das später wahrscheinlich vom Jäger niedergestreckt worden ist, wenn man das Geweih, das zum Ende an der Rückwand prangt, richtig interpretiert. In der mittleren Reihe befindet sich im zweiten Podest von vorne ein Flügel, dessen Beine mit Eimern vor dem Wasser geschützt werden, mit dem das offene Podest zur Hälfte gefüllt ist, womit wahrscheinlich die Bedeutung des Bachs als Handlungsträger im Liederzyklus unterstrichen werden soll. Auf der rechten Seite vorne befindet sich ein Sandkasten, in dem Daniel F. Kamen nicht nur das grüne Band als Symbol für die Liebe des Müllergesellen zur schönen Müllerin anzündet und vergräbt, sondern auch Schuberts "Mein Traum", den dieser am 3. Juli 1822 als Verarbeitung seiner Kindheitserinnerungen niedergeschrieben hat und der ihn zu seiner h-Moll Symphonie inspiriert haben soll. Die übrigen Podeste lassen sich öffnen und geben unter anderem den Blick frei auf eine Tafel mit den letzten drei Zeilen aus dem 11. Lied "Mein!" ("Ach so muss ich ganz allein, Mit dem seligen Worte mein, Unverstanden in der weiten Schöpfung sein."), auf ein Bild eines Flusslaufs, auf einen Spiegel oder auf einen mit grünem Tuch ausgestatteten Sarg. Unklar bleibt, wieso über dem zweiten Podest auf der rechten Seite Stühle hängen.

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Der Jäger (Stefan Walz) gewinnt die Gunst der schönen Müllerin (Philippine Pachl).

Die Farbe Grün wird in ihrer vielfältigen Bedeutung für die Geschichte von van Kan in der Inszenierung immer wieder aufgenommen. So drückt sie zum einen die Hoffnung des Müllergesellen aus. Alle sechs Schauspieler treten zu Beginn nämlich mit grünen Socken auf und ziehen die Schuhe, die auf dem vorderen Podest in der Mitte stehen, erst an, wenn ihre Wanderschaft beginnt. Wenn sie glauben, die schöne Müllerin für sich gewonnen zu haben wird ein großes grünes Tuch über die komplette Bühne gezogen, das selbst den Pianisten einhüllt. Doch auch Stefan Walz trägt als Jäger ein grünes Kostüm, was das Kippen der Hoffnung einleitet. Die Müllerin, die in ihrem weißen Kleid bereits wie eine Braut aussieht, geht dem Müllersgesellen verloren, und so hat seine Hoffnung und auch sein Leben ein Ende. Die Schuhe werden in das vordere Podest auf der linken Seite gestellt, wo sich schon ganz viele andere Schuhe befinden. Haben schon viele andere Menschen das Leid des jungen Müllersgesellen geteilt?

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Daniel F. Kamen rezitiert Schuberts "Mein Traum" (im Hintergrund: Tinka Fürst).

Während diese Geschichte gut nachvollziehbar vermittelt und von optisch ansprechenden Videoprojektionen in Form von Naturaufnahmen auf der Rückwand unterstützt wird, bleibt der Einbezug der biographischen Ebene Schuberts eher unverständlich. Zwar soll Wilhelm Müllers unerfüllte Liebe zu Luise Hensel den jungen Mann dazu veranlasst haben, die Gedichtsammlung verfasst zu haben, und auch Schubert soll beim Lesen dieses Gedichtes so beeindruckt gewesen sein, dass er das Buch, das er bei einem Freund fand, sofort mitgenommen und am nächsten Tag bereits die ersten Lieder auf die Gedichte komponiert haben soll. Trotzdem bleibt der Zusammenhang zwischen dem rezitierten "Mein Traum" und dem Liederzyklus unklar. Auch wenn Schubert mit gerade mal 31 Jahren starb, war es nicht an gebrochenem Herzen oder Freitod wie der Müllersgeselle sondern an einer Infektionskrankheit. Dass allerdings beim letzten Lied des Zyklus nicht der Sprecher, sondern der Pianist wechselt und sich Julia Reznik an den Flügel setzt, während die anderen Schauspieler die Bühne verlassen, beeindruckt dennoch. Auch die Rezitation des nicht vertonten Gedichts "Blümlein Vergissmein", das mit seiner schwarzen Farbe in keinen Strauß und an keinen "Mädchenbusen" passe, zählt zu den berührenden Momenten des Abends.

Musikalisch darf die Produktion natürlich nicht mit einer Präsentation durch einen Tenor oder Bariton verglichen werden. Doch auch wenn die Schauspielerinnen und Schauspieler teilweise stimmlich an ihre Grenzen stoßen, gelingt dem Ensemble ein harmonischer Gesamtklang. Besonders hervorzuheben sind Julia Reznik mit einer warm-timbrierten Mezzo-Stimme und Uwe Dreysel mit wohligem Klang. Großartiges leistet auch Christoph Schnackertz am Flügel, der mit seinem innigen Spiel tief in die im Zyklus vermittelte Gefühlswelt eintaucht. So gibt es am Ende begeisterten Applaus im allerdings sehr dünn besetzten Zuschauersaal. Bei aller Begeisterung der anwesenden Gäste darf nämlich leider nicht verschwiegen werden, dass mehr als die Hälfte der Plätze bei der erst fünften Präsentation des Stückes frei blieben, was die Auswahl dieses durchaus interessanten Projektes für die Eröffnung des neuen Hauses und zur Vorstellung des neuen Ensembles in Frage stellen dürfte.

FAZIT

Das Schauspiel Wuppertal präsentiert sich im neuen Theater am Engelsgarten mit einem ungewöhnlichen Liederzyklus in besonderer Form. Zu einem Publikumsmagneten wird sich diese Produktion allerdings nicht entwickeln, und gerade das wäre zur Eröffnung eigentlich wichtiger gewesen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung und Piano
Christoph Schnackertz

Regie
Jos van Kan

Bühnenbild
Jan Ros

Kostüme
Dorien de Jonge

Dramaturgie
Susanne Abbrederis

 


Solisten

Tinka Fürst
Philippine Pachl
Julia Reznik
Thomas Braus
Uwe Dreysel
Miko Greza
Daniel F. Kamen
Konstantin Shklyar
Stefan Walz


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



Da capo al Fine

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