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Packendes Psycho-Drama in großartiger Besetzung
Als Toshiyuki Kamioka vor einem Jahr als designierter
Opernintendant der Wuppertaler Bühnen den Spielplan für die Spielzeit 2014/2015
bekannt gab, verkündete er noch großmundig, alle Opernproduktionen mit Ausnahme
des Don Giovanni selbst zu dirigieren. Seitdem ist in Wuppertal sehr
viel passiert, und ab der Spielzeit 2016/2017 muss sowohl das Amt des
Generalmusikdirektors als auch das Amt des Opernintendanten neu besetzt werden.
Während sich das Bewerberfeld für den zweiten Posten schon etwas gelichtet haben
soll - es wird gemunkelt, dass bereits Ende April 2015 Kamiokas Nachfolger als
Opernintendant feststehe -, scheint die Auswahl für den zukünftigen
Generalmusikdirektor noch etwas größer zu sein. So treten für die insgesamt
sechs geplanten Vorstellungen der Salome auch sechs Kandidaten an, die
sich um die Nachfolge beworben haben, und Kamioka selbst ist in dieser
Produktion gar nicht am Dirigentenpult zu erleben. Deshalb dürfte jede
Aufführung schon allein aufgrund eines neuen musikalischen Leiters jeweils eine
ganz andere Note bekommen. Die Inszenierung von Michiel Dijkema jedenfalls ist
so packend, dass man sich diese Produktion durchaus häufiger anschauen will, um
dabei auch die unterschiedlichen Handschriften der Dirigenten kennen zu lernen. Salome (Cristina Baggio) ist
fasziniert von Jochanaan (Thomas Gazheli, unten). Narraboth (Emilio Pons, oben)
schaut leidend zu. Dijkema fungiert dabei auch als Bühnenbildner und hat für die
Inszenierung einen relativ abstrakt gehaltenen Raum konzipiert, bei dem der
fatale Mond und die dunkle Zisterne, in der Jochanaan gefangen gehalten wird, in
Wechselwirkung stehen. Der Mond scheint wie eine Art weißer Schlund aus dem
Bühnenbild genauso in einer Wölbung nach oben zu führen, wie das Verlies als
eine Art schwarzes Loch in den Bühnenboden hineinführt. Während das dunkle Loch
am Boden von relativ hellen Farben umgeben ist, prangt der im weißen Licht
glänzende Mond an einem wesentlich dunkleren Himmel. Die Lichtregie von Nikolaus
Vögele leistet ebenfalls ihren Beitrag dazu, die gespenstische Atmosphäre der
Bühne zu unterstützen. Ob nun die beiden Treppen auf der linken und rechten
Seite, die als Gerüste relativ kahl gehalten sind, unbedingt vonnöten sind, ist
sicherlich diskutabel, da sie einerseits das Farbspiel der Bühne
beeinträchtigen. Andererseits ermöglichen sie allerdings der absolut agilen
Cristina Baggio in der Titelpartie mehr Spielraum als eine leere Bühne. So zeigt
sie nicht nur akrobatischen Körpereinsatz, wenn sie über das Geländer klettert,
sondern nutzt es auch, um ihre weiblichen Reize zur Geltung zu bringen. Herodes (Michael Hendrick) fleht
seine Stieftochter Salome (Cristina Baggio, Mitte links) an, für ihn zu tanzen.
Herodias (Dubravka Mušović) sieht dem Treiben unwillig zu. Überhaupt erweist sich Baggio darstellerisch und
stimmlich als Glücksgriff für die anspruchsvolle Partie der Salome. Ihr Sopran
verfügt über zahlreiche Schattierungen und überzeugt in den dramatischen Höhen
ebenso wie in kräftigen Tiefen, auch wenn sie nicht immer sehr textverständlich
ist. Aber dafür gibt es ja mittlerweile Übertitel. Optisch stellt sie eine Femme
fatale dar, bei der es durchaus nachvollziehbar ist, dass sie ihren Stiefvater
um den Verstand bringt. Auch Jochanaan scheint Schwierigkeiten zu haben, den
Reizen dieser Frau zu widerstehen, so dass er sie umso heftiger von sich weisen
muss und dabei natürlich ihre Gefühle so stark verletzt, dass sie mit dem
berühmten Schleiertanz bis zum Äußersten geht. Dijkema setzt mit seinem
Choreographen Matthew Tusa bei der Inszenierung des Schleiertanzes nicht nur auf
pure Erotik, sondern macht auch deutlich, wie Salome ihr ganzes Umfeld bei
diesem Tanz in ihren Bann zieht. So verführt sie dabei nicht allein Herodes,
sondern bezieht auch die Juden und Nazarener in den ekstatischen Tanz mit ein. Dabei beweist Baggio durch laszive Bewegungen, dass sie durchaus etwas von knisternder Erotik
versteht, wobei es allerdings keine Schleier sind die fallen. Stattdessen
entledigt sie sich nicht nur auf geschickte Weise ihres weißen aufwendigen
Kleides, sondern raubt auch ihrem Stiefvater den voluminösen Fellmantel und entblößt
ihre Mutter Herodias, indem sie ihr das Kleid vom Leibe und die Perücke vom Kopf
reißt. Salome (Cristina Baggio,
Mitte) reißt mit ihrem Tanz die Massen (Ensemble) mit (auf der linken Seite:
Herodias (Dubravka Mušović) und Herodes (Michael Hendrick)). Auch die übrigen Partien sind gut besetzt. Emilio Pons gibt
den Narraboth mit silbrigem Tenor und macht mit intensivem Spiel deutlich, wie
sehr dieser Hauptmann der verführerischen Salome verfallen ist. Dabei zeichnet
ihn auch in den Höhen eine saubere Diktion aus. Wenn er sich dann aus
Verzweiflung das Leben nimmt, weil er Salomes Verhalten Jochanaan gegenüber
nicht mehr ertragen kann, geht die Szene unter die Haut. Lucie Ceralová stattet
den Pagen der Herodias, der dem Hauptmann in mehr als nur freundschaftlicher
Liebe zugetan ist, mit warm-timbriertem Mezzo aus. Eindringlich warnt der Page
den geliebten Hauptmann zwar vor der Gefahr, die von Salome ausgeht, ist
allerdings später beim Schleiertanz auch nicht in der Lage, sich der Faszination
dieser Frau zu entziehen. Gleiches gilt für die Juden und Nazarener, die als
streitbare Masse dem König Herodes zwar gewaltig zusetzen, bei Salomes Tanz aber
genauso zum Spielball werden wie der Page, der zu diesem Zeitpunkt scheinbar die
Trauer um den Hauptmann schon hinter sich gelassen hat. Herodes (Michael Hendrick) und
Herodias (Dubravka Mušović, Mitte) beobachten angewidert Salome (Cristina
Baggio, rechts) mit dem Kopf des Jochanaan. Thomas Gazheli punktet als Jochanaan mit kräftigem Bariton,
der in den Höhen eine enorme Durchschlagskraft und Bedrohlichkeit entwickelt.
Besonders beeindruckend klingen seine Warnungen, wenn er nur aus dem schwarzen
Loch aus der Bühne zu hören ist, was seiner Stimme einen unheimlichen Hall
verleiht. Herodes und Herodias sind mit Michael Hendrick und Dubravka Mušović
ebenfalls hochkarätig besetzt. Mušović stattet die Herodias mit einem
dramatischen Mezzo aus und macht darstellerisch deutlich, wie zerrüttet das
Verhältnis zu ihrem Mann aufgrund ihrer ganzen Vorgeschichte ist und wie sehr
sie das Verhalten ihrer Tochter während des Tanzes missbilligt. Hendrick gibt
den König Herodes mit extrovertiertem Spiel und in den Höhen funkelndem Tenor.
Die Hörigkeit seiner Stieftochter gegenüber setzt er dabei absolut glaubwürdig
um. Ebenso überzeugend gelingt ihm die Fassungslosigkeit am Ende, mit der er
dann die Hinrichtung Salomes anordnet. Ari Rasilainen gibt am Pult des
Sinfonieorchesters Wuppertal eine gute Empfehlung ab, auch wenn er mit den
Musikern einen etwas glatteren und weniger nervös sirrenden Zugang wählt, der
der Dramatik des Stückes allerdings keineswegs abträglich ist. So gibt es am
Ende frenetischen Applaus für alle Beteiligten, mit dem das Wuppertaler Publikum
nach dem kontrovers diskutierten Parsifal vielleicht auch unterstreicht,
welche Art Inszenierungen es eigentlich sehen möchte.
FAZIT
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung und Bühne Kostüme Licht Choreographie
Sinfonieorchester Wuppertal Statisterie der Wuppertaler Bühnen SolistenHerodes Herodias
Salome
Jochanaan
Narraboth
Cappadocier
1. Soldat
2. Soldat
1. Jude
2. Jude
3. Jude
4. Jude
5. Jude
1. Nazarener
2. Nazarener
Page
Sklave
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