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Der König Kandaules

Libretto von Alexander von Zemlinsky auf der Basis von Le Roi Candaule von André Gide
Musik von Alexander von Zemlinsky
Von Anton Beaumont ergänzte und vervollständigte Fassung


In deutscher Sprache mit flämischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pausen)

Premiere an der Vlaamse Opera in Antwerpen am 25. März 2016


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Vlaamse Opera
(Homepage)
Im Schatten der Gewalt

Von Joachim Lange / Fotos © Opera Vlaanderen / Annemie Augustijns


Der König Kandaules ist eines jener Meisterwerke Alexander von Zemlinskys (1871-1942), die immer noch vom Schatten des übermächtigen Richard Strauss verdunkelt werden. Der zeitweilige Reichsmusikkammerpräsident dürfte nicht allzu traurig gewesen sein, dass sich dieser Zeitgenosse 1938 nach dem Anschluss Österreichs an Hitlers Reich in die USA absetzen musste, um sein Leben zu retten. An der vorletzten seiner neun Opern schrieb Zemlinsky 1935-1939. Fertig wurde sie nicht, weil seine Flucht dazwischen kam. Erst 1996 wurde die von Antony Beaumont ergänzte Partitur in Hamburg uraufgeführt. Danach haben u.a. Hans Neuenfels und Asher Fisch in Wien (1997), Günter Krämer und Gerd Albrecht in Köln (1999), Jean-Claude Berrutti in Liége (2006) und Christine Mielitz und Kent Nagano in Salzburg (2002) für das obligate "müsste-öfter-gespielt-werden"-Echo gesorgt, dem dann doch nicht allzu viel folgte.

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Mythologisch an der (von André Gide aus diversen Überlieferungen destillierten und vom Komponisten zum Libretto umgemodelten) Geschichte ist ein Zauberring, der seinen Träger unsichtbar macht. Er findet sich in einem Fisch, der dem unermesslich reichen und mit einer sagenhaft schönen Frau an seiner Seite ausgestatteten König Kandaules geliefert wird. Psychologisch und die szenische Phantasie anredend ist die Verwendung dieses Rings für eine besondere Liebesnacht. Der König nötigt dem armen Fischer Gyges, sozusagen aus Dankbarkeit und als Freundschaftsdienst, dazu, den Ring zu tragen, um unerkannt die Schönheit seiner Frau zu bewundern. Gyges wiederum, der gerade seine eigene Frau umgebracht hat, weil ihm auf dem Fest des Königs von deren Untreue berichtet wurde, lässt sich widerstrebend auf dieses sonderbare Angebot des Königs ein, legt es dann aber so weitherzig aus, dass sich die Königin, die von diesem Rollentausch nichts mitbekam, am nächsten Morgen bei ihrem Gatten für die schönste Liebesnacht ihres Lebens bedankt. Als Gyges ihr aber, vom schlechten Gewissen geplagt, den Betrug beichtet, fordert sie ihn auf, den König zu töten und an seine Stelle zu treten. Was laut Libretto und Musik auch passiert.

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Es ist eine ziemlich abgedrehte Geschichte, die sich kaum einfach so, dem Buchstaben folgend, nacherzählen lässt. Die allemal nervöse, überhitze, pathetische Opulenz der Musik würde ohnehin jeden Handlungsrealismus mit ihrer großen Geste verhöhnen. Mit einem Wort: Dieses Stück ist eine Steilvorlage für einen wie den Ukrainer Andrij Zholdak, der eh mehr auf die Ebenen unter (oder über) dem Buchstaben der Geschichte aus ist. Der Mann, der vor zehn Jahren an der Berliner Volksbühne mit seinem Grenzen sprengenden Projekt Medea in der Stadt Furore machte, hat nichts von einem Wohlfühlregisseur. Er ist wohl eher der Ernstfall für ein Opernhaus. Ein Subtext-Regisseur a la Hans Neuenfels. Auf den spielt er sogar (bewusst oder unbewusst) an, wenn hier plötzlich Riesenratten auftauchen. Mit denen spielen die eigentlich gar nicht geborenen, gleichwohl gespenstisch aktiven, immer wieder aufkreischenden, auch mal die Gäste meuchelnden Kindern von Kandaules und seiner Frau. Die beiden Dauergäste aus dem Reich des Verdrängten oder obsessiv Gewünschten bevölkern die drei Etagen des durchgestylten faszinierenden Bühnenhauses.

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Zholdak imaginiert die seelischen Folgen der Kinderlosigkeit von Kandaules und seiner Frau als tieferen Grund für ihr absonderliches Verhalten. Also auf der einen Seite für den Wunsch des Königs, sich an der Schönheit seiner Frau im Spiegel der Bewunderung der anderen noch mehr zu berauschen und dafür deren Scham und Verletzung durch das erzwungene Lüften ihres Schleiers in der Öffentlichkeit in Kauf zu nehmen. Anderseits für deren Rigorosität, die Demütigung einer Liebesnacht mit dem falschen Mann, für die sie ihren Gatten verantwortlich macht, mit dessen Tod zu rächen. Auch die Lebenswelt und der Befreiungsakt dieser Königin haben es also in sich. Bei Zholdak wird daraus eine konsequente Flucht in eine Scheinwelt mit Kindern. Eine Frau mit Schatten sozusagen. Der keine Befreiung gelingt. Denn sie ersticht am Ende auch den Mörder ihres Mannes, Gyges, und wendet sich zum Spielen ihren Kindern zu. Da wird das faszinierende Bühnenhaus, in dessen drei angeschnittene Etagen wir schauen, vollends zum Gespensterhaus eines Psychothrillers, der auch dann in seinen Bann zieht, wenn sich die eine oder andere Nebenhandlung nicht auf Anhieb entschlüsseln lässt.

Mit einem Fahrstuhl geht es von der Nobelwohnküche ins Zwischengeschoss für Gäste und den Tresor für den Reichtum des Kandaules bis hinauf ins Schlafzimmer, gleich neben dem Bad mit den blutverschmierten Kacheln. Zusammen mit A.J. Weissbard ist Zholdak ein faszinierendes Alptraumhaus für seinen durchchoreographierten Psychothriller gelungen. Annäherung mit gezücktem Messer, wirre Blicke, lebendiger Symbolismus, an der Wand ein aufleuchtendes "Töte ihn", körperlich spürbare, latente Gewalt. Und am Ende zwei abgestochene Männer und eine Frau, die mit ihren nicht geborenen Kindern Seilhüpfen spielt.

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Dmitry Golovnin (konditionsstark als Kandaules), Elisabet Strid (als seine Königin Nyssia) und Gidon Saks (als charismatischer Gyges) führen ein Ensemble an, das sich mit Verve und Leidenschaft auf den vokalen Überdruck einlässt. Am Pult des Orchesters der Flämischen Oper balanciert Dmitri Jurowski mit imponierend sicherem Instinkt zwischen dem aufgeputscht neurotischem Klangrausch und einer faszinierenden Feinzeichnung. Ein opulentes Orchesterfest!


FAZIT

An der Flämischen Oper Antwerpen macht Andrij Zholdak aus Alexander von Zemlinskys König Kandaules einen assoziativ aufgeladenen Psychothriller. Am Ende bleibt auch hier wieder die Frage, warum dieses Opernschmuckstück nicht öfter präsentiert wird.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Dmitri Jurowski

Regie
Andrij Zholdak

Bühne
A.J. Weissbard
Andrij Zholdak

Kostüme
Tuomas Lampinen

Licht
A.J. Weissbard

Video
A.J. Weissbard

Dramaturgie
Luc Joosten



Symfonisch Orkest Opera Vlaanderen


Solisten

König Kandaules
Dmitry Golovnin

Nyssia
Elisabet Strid

Gyges
Gidon Saks

Phedros
Vincenzo Neri

Syphax
Michael J. Scott

Philebos
Tijl Faveyts



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Vlaamse Opera



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