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Musiktheater
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Amor vien dal destino (Die Liebe kommt zum Schicksal)

Oper in drei Akten
Text von Ortensio Mauro nach Kapiteln aus der Aeneis von Vergil
Musik von Agostino Steffani


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Veranstaltungsdauer: ca. 3h 45' (eine Pause)

Premiere an der Staatsoper Unter den Linden im Schillertheater am 23. April 2016


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Staatsoper Berlin
(Homepage)
Barock im Kornfeld

Von Joachim Lange / Fotos von Thomas M. Jauk

René Jacobs und seine "Akademie für Alte Musik Berlin" sind genau die Richtigen, um verborgene barocke Opernschätze wieder ins rechte Licht zu setzten. Wie gut, dass Jürgen Flimm und Daniel Barenboim ihnen im Schillertheater den Raum dafür bieten. Vielleicht wird die bislang ahnungslose Nachwelt nach dieser auf gut verdauliche drei Stunden gekürzten Staatsopernausgrabung der 1709 in Düsseldorf uraufgeführten Oper Amor vien dal destino (Die Liebe kommt zum Schicksal) dem Namen Agostino Steffani kein Fragezeichen, sondern fortan ein kundig freudiges "Aha!" hinzufügen!

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Figaro denkt, er hat eine passable Stellung und bekommt die passende Frau dazu. Susanna weiß, dass hinter der großzügigen Zimmerzuweisung für sie und ihren Bräutigam das Kalkül des Grafen steckt, nun doch bei ihr zu landen. Cherubino, der, wie man mit anzüglichem Augenzwinkern hört, alles was er macht, gut macht, ist allemal in Sachen Frauen auf Dauerempfang bzw. -Sendung geschaltet. Zumal sein Beuteschema bei der blutjungen Barbarina beginnt, natürlich auf die flotte Susanna und die gar nicht so abgeneigte Gräfin gerichtet ist, und selbst vor Marzellina nicht halt macht. Die ist hier allerdings als reife, aber hochattraktive Frau immer noch sozusagen im Rennen. Am Ende macht er sie alle kirre, kann aber bei keiner landen, ja kriegt nicht mal Barberina ab, denn die bleibt im Sommerhaus beim Papa, wenn die gräfliche Gesellschaft nach einem tollen Tag im Strandhaus und einer turbulenten Nacht in den Dünen wieder abreist. Armer Cherubino - vielleicht klappt es ja im nächsten Jahr.

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Der 1645 in Venetien geborene und 1728 in Frankfurt gestorbene Steffani war nicht nur Komponist, sondern auch Diplomat und sogar Bischof. Neben zahlreichen Kammerduetten komponierte er 17 Opern, in denen er italienische, französische und deutsche Stilelemente miteinander verband. Dass er obendrein ein schillernder Zeitgenosse war, der als junger Mann selbst vor dem Sonnenkönig auftrat, war wohl der Grund, warum Starautorin Donna Leon ihm mit Himmlische Juwelen einen ihrer Krimis gewidmet hat. Darin stellt der tote Komponist die prominente Leiche, und eine Musikwissenschaftlerin übernimmt den Part des Commissario. Aber auch Cecilia Bartoli hat sich mit ihrem Album Mission für die musikalische Wiederentdeckung erheblich ins Zeug gelegt. Dass Steffani einen erheblichen Einfluss auf den jungen Georg Friedrich Händel gehabt haben soll, spürt man durchaus. Doch eigentlich geht es auch bei ihm vor allem um kantable Arienpracht für virtuose Gurgeln.

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Den Hintergrund der obligaten Lovestory liefert eine ziemlich prominente Fluchtgeschichte, eine Variante von Vergils überliefertem Aeneas-Stoff. Also ein Plot, der später Berlioz die Vorlage für seine Grand operá von den Trojanern lieferte. Bei Steffani kommen Enea und seine Trojaner gerade zur Ruhe. Die Götter verheißen ihnen die Stammherrschaft eines großen Volkes. In die Quere kommen dem obersten göttlichen Ratschluss Amors Pfeile. Und so zieht es sich eine ganze Weile hin, bis die schöne Lavinia und Enea wirklich zusammenfinden. Obwohl sie Bescheid wissen müssten, da sie sich doch gegenseitig im Traum erschienen sind.

Enea (mit geschmeidigem Tenor-Wohlklang: Jeremy Ovenden) bemüht sich also ebenso wie der einst als Sopran-Kastrat gedachte Turno (Olivia Vermeulen mit heroischer Sopranattacke) leidenschaftlich um die Hand der schönen Lavinia. Deren königlicher Papa Latino (Marcos Fink) setzt sich pragmatisch und im Staatsinteresse bei ihr für den hochgerüsteten Turno ein. Lavinia (mit samtig dunklem Alt: Katharina Bradic) ist als gute Tochter zunächst auch bereit, sich der Pflicht zu opfern.

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Am Ende geht alles, dank göttlicher Hilfe und geträumter Ratschläge, für die Liebe gut aus. Auf dem Weg dorthin sorgen Mark Milhofer und Gyula Orendt als Dienerpaar für komödiantischen Witz, während der Countertenor Rupert Enticknap als Jupiter und Robin Johannsen in den Partien von Venus und Giuturna für göttliche Farbe in diesem Spiel sorgen, wonei Konstantin Bühler ihnen als stumm gärtnernder Amor immer wieder dazwischenfunkt.

Regisseur Ingo Kerkhof hat für das Werk aus den 1690er Jahren mit der musikalischen Prachtentfaltung, die von Monteverdi profitiert und auf das Kommende verweist, einen aparten szenischen Rahmen gefunden. Da treffen Götter und Menschen in einem immer üppiger werdenden Kornfeld von Dirk Beckers Bühne aufeinander. Stephan von Wedel hat das Personal in stilisiertes barockes Weiß, inklusive der immer üppiger werdenden Perückenpracht, gesteckt. Wenn Protagonisten der Geschichte die Doppelrolle als Götter übernehmen, dann verpasst er ihnen einfach goldene Masken. Für optische Abwechslung im expandierenden Schilf sorgen ein Faun, der ein "Manneken Piss" gibt, eine Familie von ausgestopften Füchsen, schließlich eine festliche Tafel und ein großes blaues Sofa. Imponierend, wie der Kampf zwischen Turno und Enea in einem veritablen Fecht-Duell kulminiert.

René Jacobs und seine Musiker lassen an diesem Abend keine Wünsche offen. Bis hin zu den prachtvollen Barocktrompeten auf der Bühne, die unter den historischen Instrumenten im Graben für besonderen Glanz sorgen. Bei dieser Wiederentdeckung kommt dieser Steffani nach 300 Jahren Archiv-Schlummer gut ausgeschlafen daher. Mit Verve und Raffinesse, die Sänger umschmeichelnd, nimmt er selbstbewusst seinen eigenen Platz zwischen Monteverdi und Händel ein.

FAZIT

René Jacobs und Ingo Kerkhof ist eine überzeugende Ausgrabung gelungen, die Lust auf mehr von Steffani macht.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
René Jacobs

Inszenierung
Ingo Kerkhof

Bühne
Dirk Becker

Kostüme
Stephan von Wedel

Licht
Sebastian Alphons

Dramaturgie
Detlef Giese
Roman Reeger


Staatsopernchor Berlin

Staatskapelle Berlin


Solisten

Latino
Marcos Fink

Lavinia
Katarina Bradic

Venere/ Giuturna
Robin Johannsen

Turno
Olivia Vermeulen

Enea
Jeremy Ovenden

Nicea
Mark Milhofer

Corebo/ Fauno
Gyula Orendt

Giove (Coralto)
Rupert Enticknap

Amor
Konstantin Bühler



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoper Unter den Linden Berlin
(Homepage)



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