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Die Meistersinger von Nürnberg

Oper in drei Aufzügen
Musik und Text von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: 5 Stunden, 55 Minuten (2 Pausen)

Premiere an der Staatsoper Unter den Linden im Schillertheater am 3. und 4. Oktober 2015
(rezensierte Aufführung: 15. Oktober 2015)

 

 

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Staatsoper Berlin
(Homepage)
Gipfeltreffen der Altmeister

Von Bernd Stopka /  Fotos: Bernd Uhlig

Die Meistersinger von Nürnberg und die deutsche Geschichte stehen in vielerlei Beziehungen zueinander, doch vor allem die Rezeptionsgeschichte im Dritten Reich wirft einen dunklen Schatten auf diese, neben seinem Frühwerk Das Liebesverbot, einzige komische Oper Richard Wagners. Unzählige Erklärungs- und Linderungsversuche, so überzeugend sie auch sind, können auch heute noch das gewisse Unbehagen bei Hans Sachsens Schlussansprache nicht verhindern, wenn er von welschem Dunst und deutscher Kunst singt.

Mit ihrer Neuinszenierung zur Spielzeiteröffnung der Staatsoper Berlin im Schillertheater und zur Feier des 25. Jahrestages der Wiedervereinigung geht Regisseurin Andrea Moses in die Offensive, versteckt das „Deutsche“ nicht, sondern demonstriert es ganz  bewusst – ohne dabei nationalistisch zu werden – indem sie mit Bühnenbildner Jan Pappelbaum die Nationalflagge und Requisiten in ihren drei Farben auf die Bühne bringt. Wobei sich schon hier eine grundlegende Frage stellt: In der Schlussansprache spricht Sachs in erster Linie von der deutschen Kunst und bezieht sich auf die deutsche Sprache – nicht auf ein nationales Deutschland, das man mit der Nationalflagge verbindet. Eine Erklärung dazu kommt vom Dirigentenpult: GMD Daniel Barenboim beschreibt das Werk als eine „Würdigung deutscher Kultur in all ihrer Vielfalt“ Offenheit und Toleranz über nationale Grenzen hinweg und stellt damit eine Verbindung von Kunst, Kultur und Gesellschaft her, unter der sich Die Meistersinger von Nürnberg unabhängig von ihren Altlasten als ausgesprochen positives Werk erleben und genießen lassen. Soweit der schwarz-rot-goldene gedankliche Hintergrund zu dieser Produktion, der im Laufe des Abends allerdings in den Hintergrund tritt und diesen optischen Aspekt nach Ende der Wiedervereinigungsjubiläumsfeierlichkeiten und der zweigeteilten Premiere am 3. und 4. Oktober 2015 eher wie einen Lebkuchen erscheinen lässt, der von Weihnachten übrig geblieben ist. Zumal auf der Bühne weitaus Spannenderes und Neues zu sehen und zu erleben ist.

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Singschule mit Sponsorenwand. Gyula Orendt (Konrad Nachtigall), Paul O'Neill (Augustin Moser), Jürgen Linn (Fritz Kothner), Kwangchul YOun (Veit Pogner), Graham Clark (Kunz Vogelgesang), Siegfried Jerusalem (Balthasar Zorn), Franz Mazura (Hans Schwarz), Arttu Kataja (Hermann Ortel), Wolfgang Koch (Hans Sachs), Olaf Bär (Hans Foltz)

Chor und Solisten betreten über den Zuschauerraum die Bühne und wenn sie durch die vorderen Türen zum Parkett hereinkommen, weiß man zunächst nicht, ob es sich um Besucher oder Mitwirkende handelt. Es sollen also Leute wie Du und ich sein. Dieser Eindruck wird verstärkt, wenn sich alle begrüßen und mit Blick zum Zuschauerraum auf die Bänke setzen, die in einem schlichten Raum stehen, dessen Wände aus dem gleichen hellen Holz sind, wie man es im Zuschauerraum findet. Die Meistersinger sitzen in der ersten Reihe mit Blick zum Publikum und hören das Vorspiel von der anderen Seite des Orchestergrabens  – aber erst nachdem Bäckermeister Kothner sein klingelndes Handy abgeschaltet hat. Das standardmäßige Klingeln eines Mobiltelefons als Hinweis an die Besucher, ihre Handys auszuschalten, ist auf diese Weise mitinszeniert.

Durch das Herabschweben eines Kreuzes wird der Raum zur Kirche und der Choral wird auf das Kreuz gerichtet gesungen – mit dem Rücken zum Publikum, das dadurch auch das wenig dezente Fummeln und Knutschen von Eva und Stolzing beobachten kann. Nachdem der Klingelbeutel gefüllt ist, reicht Eva Magdalene für das Such-und-Finden-Spiel ganz offen die angeblich verlorenen Teile und Stolzing verstellt Lenes Handtasche. Sein „Fräulein! Verzeiht der Sitte Bruch!“ singt er nicht zu Eva, sondern zu Magdalene, was durchaus eine  Möglichkeit ist. Die älteren Lehrbuben tragen Smokings und  bedeutungsschwangere Pilzkopf-Frisuren, die jüngeren sind ganz offen als junge Frauen in schwarzen Hosenanzügen gestaltet. Alle haben sich einen Teil der Gesangsregeln wie Spickzettel auf Arme und Hände geschrieben. Der antike Singestuhl ist in Luftpolsterfolie verpackt, eine moderne drehbare Gestelltafel ist für den Merker bereitgestellt. Die Meister, gediegene Junior- oder Seniorchefs von bedeutenden Unternehmen, sind elegant gekleidet und trinken auf sich selbst. Sie finanzieren die ganze Meistersingerei und sind daher mit ihren Firmennamen/-logos auch auf einer großen Sponsorentafel aufgeführt, wie man sie heutzutage z. B. bei Sport-Pressekonferenzen im Hintergrund sieht. Spätestens aus dem Programmheft erfährt man, dass die zwölf ältesten Meistersinger das Zentrum einer Singschule bildeten. Und dies wird mit der Berliner Besetzung von fünf der so genannten „kleinen Meister“ mit großen Meistern des Wagnergesangs authentischer denn je umgesetzt:  Franz Mazura (91) als Hans Schwarz, Siegfried Jerusalem (75) als Balthasar Zorn, Graham Clark (73) als Kunz Vogelgesang, Rainer Goldberg (75) als Ulrich Eislinger und als Nesthäkchen Olaf Bär (57) als Hans Foltz. Sie zeigen die geballte Bühnenpräsenz und damit auch den größten Anteil auf der Haben-Seite dieser Produktion.

Zu „In deutschen Landen weit gereist“ ergreift Pogner die bühnenhohe Fahne und wenn er vom „weiten deutschen Reich“ singt, erheben sich die Meister ehrfurchtsvoll. Mit Ehrfurcht hat Hans Sachs allerdings nicht viel im Sinn. Er ist in Körperpflege und Garderobe gleichermaßen schlampig, renitent und aggressiv und keinesfalls eine Respektsperson, sondern jemand, über den man sich heutzutage im legeren Jargon fragt „Was raucht der denn?“ – die Antwort folgt im zweiten Akt, die Erklärung im dritten. Entsprechend respektlos, ja lächerlich machend nehmen ihm seine Meisterkollegen dann auch den Namen aus dem Mund, wenn er seinen Vortrag mit „mein’ ich, Hans Sachs“ beenden will und singen ihn spöttisch im Chor. Ein  zweiter humoriger Eingriff in die Partitur zeigt sich, wenn Kothner die Tabulatur schonend mit stoffbehandschuhten Händen aufschlägt und die Regeln vorträgt. Dann singen die Meister die abwärtslaufende Wiederholung der Koloraturen, die eigentlich nur das Orchester spielt, leicht genervt wie eine Litanei mit. Nach Stolzings Versingen tritt er die Merkertafel um, die Lehrbuben machen sich auf den Meistersingersesseln breit und Sachs wischt den (neuen oder alten) Staub vom Singestuhl, bevor er sich selbst draufsetzt. Dieser erste Akt zeigt geistreich und humorvoll eine lebendige moderne Lesart. Doch was danach kommt, ist nicht mehr so überzeugend.

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Prügelfuge

Der zweite Akt spielt auf einem Hochhausdach, umgeben von Leuchtschriften der Firmen Pogner und Sachs. Die Lehrbuben sind Punker und Grufties, nur David trägt noch seinen Smoking und hält sich krampfhaft an einer kleineren Deutschlandfahne fest. Kein Flieder weit und breit, aber Sachs gießt einen heckenartigen Busch von Grünpflanzen, bei dem aus der 3. Parkettreihe verdächtig aussehende Blätter auszumachen sind. Während er seinen  antiquarischen, in Plastikfolie verpackten Schusterschemel heraufholt, gießt Pogner die Pflanzen weiter (und weiß offensichtlich, was er tut). Sachs ist kein weiser, drahtziehender Opa, sondern ein Suchender, der das ganz offensichtlich zeigt, indem er einerseits vom Treppenaufgang beobachtend, andererseits mit einem Suchscheinwerfer die Geheimnisse dieser hier absolut nicht geheimnisvollen Johannisnacht aufstöbert. Eva erscheint etwas albern mit taschenlampenbeleuchtetem Gesicht, zeigt sich dann aber schnell als resolute und entschlossene junge Frau. Stolzing zitiert den Fahneneid der Meistersinger und wirft die Fahnenstange dann wie einen Speer in die Kulisse. Der Nachtwächter liest seinen Text umständlich ab und bekommt von Sachs ein Trinkgeld – oder Bestechungsgeld für das Nichthinsehen auf das nun Folgende. Beckmesser erscheint mit einem Theaterkostüm und zieht sich auf offener Bühne umständlich um (fast schon wie erwartet trägt er lange Unterhosen) und trinkt sich mit Sachs’ Sekt Mut an. Die Szene Beckmesser/Sachs gerät aber  allzu grobschlächtig und spannungslos mit lustlosen Merkerschlägen und albernem Herumgehampel. Betrunken oder bekifft erscheinen die Lehrbuben noch vor David und von den Seitengalerien beobachtet rechts eine elegante Partygesellschaft und links der Verfassungsschutz oder der Staatssicherheitsdienst an ihren Notebooks protokollierend eine wild-wirre Schlacht rivalisierender Berliner Fußballvereine, Schlägertrupps und sonstiger Gesellen. Auch ein Rabbi schleicht verängstigt über die Bühne und vorne links meditiert ein Buddhist. Die Meistersinger kommentieren alles in ihren seidenen Schlafröcken. Der Nachtwächter wird zusammengeschlagen und lebt nach seinen letzten Tönen, von mitleidsvollen Jugendlichen gestützt, ab. Die zerrissene Fahne taugt nicht einmal mehr als Leichentuch. So wild und bunt dieses Schlachtengemälde auch erscheint, es kann über den zuvor vermissten Zauber der Johannisnacht nicht hinwegtrösten.

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Wolfgang Koch (Hans Sachs), Julia Kleiter (Eva), Klaus Florian Vogt (Walther von Stolzing)

Der dritte Akt, der in der zweigeteilten Premiere noch am Folgetag um 12:00 Uhr gezeigt wurde, schließt sich in den Folgeaufführungen dankenswerter Weise wie gehabt nach der zweiten Pause an. Wir befinden uns in Sachs’ Bibliothek mit Bücherwand und drei Lesepulten. Ein an das „Reformatoren“-Gemälde von Lucas Cranach d. J. erinnerndes Bild mit 20 auf den ersten und zweiten Blick nicht näher zu identifizierenden Köpfen hängt neben dem Bücherregal und weist damit auf die historische Verbindung des Meistergesangs zur Reformation hin, zumal es Beckmessers (jetzt im chamäleonartigen Anzug farblich passend zur Holzvertäfelung) per Fernbedienung hochfahren lässt und dahinter der singende Neuerer Stolzing gleichzeitig aus drei Blickwinkeln sichtbar wird. Während des Wahn-Monologs nimmt sich Sachs etwas zu rauchen, das für eine Zigarette etwas zu groß ist und mit den Worten „Der Flieder war’s“ wird deutlich, dass es nicht der Flieder war, sondern der Hanf, das Gras – der Hasch. Der Busch, den er statt eines Fliederbusches begossen hat, beherbergt seine Hanfzucht. Damit kann der korrekte Beckmesser natürlich gar nichts anfangen, weshalb er in seinem missglücklichen Preislied auf der Festwiese auch singt: „Bleich wie ein Kraut umfasset mir Hanf meinen Leib“. Nun sind Rauschmittel unter Künstlern keine Seltenheit, auch nicht unter den ganz Großen und da muss man gar nicht bis zum Alkoholiker Mozart zurückgehen. Aber diese Interpretation erscheint doch sehr gewaltsam und zweifelhaft, zumal es so überhaupt nicht zum wohldurchdachten, klar strukturierten und weise vorausschauenden Denken und Handeln des Nürnberger Schusterpoeten Hans Sachs in dieser Oper passen will. Deutlicher gesagt: Das ist ganz einfach haarsträubend.

Mit einem sehr eindrucksvollen, langen Blick klären Sachs und Stolzing ihre Haltung zueinander. Sachs zeigt dem jungen Draufgänger ein Heft mit den Meistersingerregeln und für einen Moment droht die gute Stimmung umzuschlagen, wenn Stolzing auf Sachs’  fortgeschrittenes Alter anspielt und ihn mit dessen Lesebrille auf der Nase fragt „Doch, wem der Lenz schon lang entronnen, wie wird er dem im Bild gewonnen?“. Doch Sachs erkennt den Spaß und nimmt es mit Humor. Von solch fein gesponnener Personenregie würde man gern noch viel mehr sehen. Beckmesser vergreift sich am versteckten Cognac und David wird nach brutaler Ohrfeige und einem, wie einen Fahneneid (wunderschön) gesungenen Quintett, bei dem jeder außer Sachs  einen Fahnenzipfel hält, endlich seinen Lehrbuben-Smoking los und erscheint später im hellen Anzug.

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Festwiese mit Stadtschloss: Wolfgang Koch (Hans Sachs), Jürgen Linn (Fritz Kothner), Gyula Orendt (Konrad Nachtigall), Kwangchul Youn (Veit Pogner), Julia Klleiter (Eva), Markus Werba (Sixtus Beckmesser), Franz Mazura (Hans Schwarz), Arttu Kataja (Hermann Ortel) Olaf Bär (Hans Foltz)

Die Festwiese wird fast schon erschlagend von der Fassade des Berliner Stadtschlosses begrenzt. Schwarz-rot-goldene Luftballons schmücken Bühne und Zuschauerraum. Mit Schiffen kommen die Zünfte an und steigen die Treppe am Anleger hinauf. Die Meister treten wieder über den Zuschauerraum ein. Hans Foltz hat Gäste aus dem nahen Osten dabei. Ein breites Podium bietet viel Platz für den Gesangswettstreit und die schon bekannte Sponsorenwand. Hier erscheint dann sogar Sachs im schwarzen Anzug mit schwarz-rot-goldener Schärpe, wird jedoch vom wütenden Beckmesser so derangiert, dass er wieder genauso schlampig aussieht wie im ersten Akt. Zum Schlusschor drückt sich Sachs mit zwei Fingern förmlich einen Gedanken aus dem Kopf und lässt das Stadtschloss mit einer Handbewegung nach oben schweben und den Blick auf einen weiten Himmel und eine weite freie Wiese freigeben. Damit nimmt die Regie Stellung gegen den Wiederaufbau des Stadtschlosses. Die Begründung findet sich in einem Artikel des Programmheftes. Einengung durch das Alte und Luft und Freiheit durch das Neue? Doch auch etwas neu Gebautes wird den freien Platz belegen – es sei denn, man lässt ihn wirklich frei, was städtebaulich schon fragwürdig wäre. Auch hier also eine kontrovers zu diskutierende Regieidee. Hans Sachs setzt sich mit Blick zum Publikum und raucht erstmal eine.

Doch das große Finale gehört eigentlich Hans Schwarz, den Franz Mazura in seinem hohen Alter immer noch eindrucksvoll singt und vor allem spielt. Er ist der Älteste, der Nestor, der weniger sagt als er denkt, dem dann aber am Schluss doch der Kragen platzt. Zunächst gibt es die köstliche Szene, in der er sein „Verstand man reeeeeeeeecht?“ solistisch über die Festwiese dröhnen lässt und von Hans Foltz dezent beschwichtigt wird. Aber bei Stolzings Ablehnen der Meisterwürde platzt ihm so richtig der Kragen. Zusammen mit allen Meistern steht er auf dem Podest, stößt seinen Gehstock lautstark auf und rennt in einer unglaublichen Geschwindigkeit vom Podium herunter, wirft sich in seinen Ehrensessel und schmollt wie ein kleiner Junge. Einfach herrlich. Seine unglaubliche Bühnenpräsenz teilt er mit seinen oben genannten Mitstreitern aus alten Zeiten. Da haben es die jungen Kollegen nicht einfach, können aber natürlich stimmlich punkten und so mischt sich das Ensemble der kleinen Meister auch klanglich eindrucksvoll.

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Festwiese ohne Stadtschloss. Vordergrund: Julia Kleiter (Eva), Klaus Florian Vogt (Walther von Stolzing), Wolfgang Koch (Hans Sachs), Ensemble

Wolfgang Koch hat sich die regieliche Charakterisierung des Hans Sachs offensichtlich auch stimmlich zueigen gemacht. Er singt mit viel Nonchalance, nur schwach konturiert und poltert oft allzu grob drauflos. Dabei ist er als einer der derzeit gefragtesten Bass-Baritone mit seinem üppigen Stimmmaterial doch durchaus in der Lage, diese Partie kultivierter und stimmsatter zu gestalten. Vielleicht hatte er aber auch nur einen nicht ganz so guten Tag. Das lässt sich auch von Jürgen Linn vermuten, der als Kothner eine eindrucksvolle Bühnenerscheinung ist, stimmlich stellenweise aber etwas überfordert wirkt. Auch Stephan Rügamer steht noch nicht ganz sicher über seiner Partie, verleiht dem David aber dennoch eindrucksvolle Lebendigkeit. Kwangchul Youn lässt dagegen als Pogner keine Wünsche offen und lässt seinen sonoren Bass satt und sicher strömen. Markus Werba singt den Beckmesser ausgesprochen souverän und mit rundem klangschönem Bariton. Schauspielerisch setzt er die Idee der Regisseurin gekonnt um – er ist hier ein korrekter, eitler, recht junger Mann, der sich mit seiner mutigen Garderobe durchaus offen zeigt. Aber er ist mit alberner Personenregie karikaturenhaft völlig überzeichnet. Julia Kleiter ist keine mädchenhafte Eva, sondern eine selbstbewusste Frau, was sie auch mit ihrem schön timbrierten, gleichmäßig durchgeformten, warm klingenden Sopran stimmlich deutlich machen kann. Anna Lapkovskaja lässt als Magdalene einen üppig klangvollen Mezzosopran hören und Jan Martinik ist eine vollstimmige Luxusbesetzung des Nachtwächters.

Klaus Florian Vogt ist derzeit sicher eine der bestmöglichen Besetzungen des Stolzings. Seine helle aber sehr tragfähige Stimme scheint im Laufe der Jahre auch noch mehr Klangfülle in der Mittellage zu gewinnen. Das Preislied in der Schusterstube klingt einfach traumhaft, ja fast schon überirdisch schön. Schade, dass man sich in der hier besprochenen Aufführung beim Preislied auf der Festwiese im Tempo nicht ganz einig war, was zu einigen Irritationen führte.

Daniel Barenboim vermeidet jedes Pathos und macht schon im Vorspiel das Konzept seines Dirigates deutlich: schwungvoll, aber wunderbar leicht, nicht pathetisch, aber volltönend. Wenn das Meistersinger-Motiv am Ende des Vorspiels einsetzt, lässt Barenboim es nicht wie eine Leuchtrakete aufsteigen, sondern bettet es zunächst geradezu dezent in den Gesamtklang,  bevor er es stärker hervortreten lässt – einfach wunderbar. Ebenso das Vorspiel zum 3. Akt. Im zweiten Akt schließt er sich eher dem Regiekonzept an und so klingt auch aus dem Orchestergraben kein Johannisnachtzauber auf. Die Staatskapelle Berlin folgt ihrem Chef mit großer Souveränität, der Staatsopernchor klingt homogen und ausgewogen, stimmstark und auch in der Prügelfuge sicher.

FAZIT

Klaus Florian Voigt begeistert mit einem traumhaften Preislied und verdient sich seine stimmschöne Eva Julia Kleiter redlich. Daniel Barenboims Dirigat klingt angenehm leicht und detailreich durchdacht, ohne den großen Bogen zu verlieren, auch, wenn der Zauber der Johannisnacht nicht stattfindet. Dafür sorgt aber auch die Inszenierung, die zwar mit vielen Details der Personenregie geistreiche Ideen und handwerkliches Können zeigt, sich aber andererseits mit befremdlichen Einfällen und vor allem mit der Charakterisierung des Hans Sachs eine gehörige Portion Wasser in den Wein schüttet. Das große Ereignis ist aber doch das Gipfeltreffen der Altmeister als „kleine Meister“.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Daniel Barenboim

Inszenierung
Andrea Moses

Bühne
Jan Pappelbaum

Kostüme
Adriana Brage Peretzki

Licht
Olaf Freese

Chor
Martin Wright

Dramaturgie
Thomas Wieck
Jens Schroth

Musikwissenschaftliche Beratung
Moritz Lobeck

 

Staatskapelle Berlin

Staatsopernchor

 

Solisten

Hans Sachs
Wolfgang Koch

Veit Pogner
Kwangchul Youn

Kunz Vogelgesang
Graham Clark

Konrad Nachtigall
Gyula Orendt

Sixtus Beckmesser
Markus Werba

Fritz Kothner
Jürgen Linn

Balthasar Zorn
Siegfried Jerusalem

Ulrich Eisslinger
Reiner Goldberg

Augustin Moser
Paul O'Neill

Hermann Ortel
Arttu Kataja

Hans Schwarz
Franz Mazura

Hans Foltz
Olaf Bär

Walther von Stolzing
Klaus Floria Vogt

David
Stephan Rügamer

Eva
Julia Kleiter

Magdalene
Anna Lapkovskaja

Ein Nachtwächter
Jan Martinik

Lehrbuben
Verena Allertz
Antje Bahr-Molitor
Ilona Ehlert
Karin Rohde
Claudia Tuch (Solo)
Maria-Elisabeth Weiler
Andreas Bornemann
Günther Giese
Jens-Uwe Hübener
Christoph Lauer
Stefan Livland
Sönke Michaels
David Oliver
Dmitri Plotnikov


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