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Musiktheater
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Holofernes

Oper in zwei Akten
frei nach Friedrich Hebbels Drama Judith
Text und Musik von Emil Nikolaus von Reznicek

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h (eine Pause)

Eine Kooperation mit Deutschlandradio Kultur, dem WDR und dem SWR

Premiere im Opernhaus Bonn am 29. Mai 2016


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Theater Bonn
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Musikalisch interessante Ausgrabung mit szenischem Schnickschnack

Von Thomas Molke / Fotos von Thilo Beu

Auch wenn Richard Strauss einmal über seinen Komponisten-Kollegen gesagt haben soll: "Der Reznicek kann mehr als wir alle!", dürfte Emil Nikolaus von Reznicek im Gegensatz zu Strauss heute nur noch den eingefleischten Opernfans ein Begriff sein. Dabei hat zumindest die Klassiksendung Erkennen Sie die Melodie? im letzten Jahrhundert dazu beigetragen, dass wenigstens die Ouvertüre zu seiner komischen Oper Donna Diana lange Zeit zu den berühmten Nummern von Klassik-Wunschkonzerten zählte, da der Beginn dieser Ouvertüre als Eingangsmusik verwendet wurde. Sein Opernschaffen hingegen ist nahezu vollständig von den Spielplänen verschwunden. Die Oper Bonn, die in den letzten Spielzeiten bei ihren Ausgrabungen gerne deutschsprachige Komponisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf den Spielplan gestellt hat, widmet sich nun einem Werk Rezniceks, das bei der Uraufführung in Berlin 1923 einen beachtlichen Erfolg erzielte, nach ein paar Jahren allerdings in Vergessenheit geriet und seitdem nie wieder aufgeführt worden ist: Holofernes.

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Osias (Daniel Pannermayr, Mitte), Abra (Ceri Williams, links) und das Volk von Bethulien beklagen ihre Not.

Erzählt wird die alttestamentarische Geschichte über die schöne Witwe Judith. Als die Bewohner Bethuliens ihre Tributzahlungen an Assyrien nicht mehr leisten können, schickt König Nebukadnezar seinen Feldherrn Holofernes, um die Stadt mit Repressalien an die Tilgung der Schulden zu erinnern. Als das Volk zu verhungern droht, beschließt Judith, sich ins Lager der Assyrer zu begeben und den Feldherren zu verführen. Holofernes ist fasziniert von Judiths Schönheit und verbringt mit ihr die Nacht. Nachdem er betrunken eingeschlafen ist, schlägt Judith ihm den Kopf ab und befreit somit ihr Volk von den Assyrern. Während sich die Judith aus dem Alten Testament für ihre Tat feiern lässt und anschließend noch ein langes Leben führt, ändern Hebbel in seinem Drama Judith und Reznicek in seiner Oper das Ende ab. Judith ist bei ihnen keineswegs so berechnend, sondern empfindet zu ihrem eigenen Schrecken selbst eine gewisse Zuneigung zu Holofernes. So ist es für sie ein innerer Kampf, den Feldherrn im Schlaf zu töten. Am Ende will sie sich auch nicht vom Volk für ihre Tat feiern lassen, sondern bittet darum, getötet zu werden, da sie nicht mit der Vorstellung leben könne, ein Kind des von ihr erschlagenen Mannes zu gebären. Als das Volk diese Bitte zurückweist, nimmt sie sich selbst das Leben.

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Judith (Johanni van Oostrum) will in das Lager der Assyrer gehen, um Holofernes zu töten.

Reznicek packt das Drama relativ kompakt in ca. 90 Minuten reine Spielzeit, wobei die Pause schon nach einer guten halben Stunde folgt. Musikalisch fühlt man sich stellenweise an Strauss' Salome erinnert. Einen operettenhaften Klang wie in der berühmten Ouvertüre zu Donna Diana erwartet man vergeblich. Stattdessen sind die Klangfarben der Handlung entsprechend relativ düster gehalten. In den Tänzen wird das Werk auch von leicht orientalisch angehauchten Rhythmen durchzogen. Umso fragwürdiger ist, was sich das Regie-Team um Jürgen R. Weber bei dieser Inszenierung eigentlich gedacht hat. Die Kostüme von Kristopher Kempf sind sehr aufwändig gestalten, erinnern allerdings eher an eine Fantasy-Comic-Welt als an alttestamentarische Völker. Wie sonst ließe sich erklären, dass die Assyrer teilweise mit Spinnenbeinen herumlaufen oder ein Hauptmann das Drahtgestell eines Pferdes hinter sich herzieht. Auch die Kopfbedeckungen aus Kerzenleuchtern bei den Oberpriestern der Hebräer und der abstrakte Kopfschmuck bei den Assyrern lassen sich eher mit modernen Fantasy-Spielen assoziieren. Noch verwirrender sind die merkwürdigen riesigen Formen, die sich im ersten Akt über die Mauern Bethuliens kämpfen und mit großer Anstrengung von den Einwohnern zurückgehalten werden. Zu Beginn wirken sie wie überdimensionale Beine eines riesigen Insektes. Nachdem Holofernes dann im zweiten Akt von Judith getötet worden ist, hängen sie dann aus dem Schnürboden herab und erinnern eher an ein Filet aus der Metzgerei.

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Judith (Johanni van Oostrum, rechts) verführt Holofernes (Mark Morouse) (links: Eine weibliche Stimme (Nina Unden) und eine Tänzerin (Karioca)).

Mit Blut wird in der Inszenierung natürlich auch nicht gespart. Zunächst darf Judith mit einem Schwert eine Melone in kleine Stücke schlagen, bevor sie es dann ansetzt, um Holofernes den Kopf abzutrennen. Bei jedem Schnitt spritzt eine rote Blutfontäne hoch, so dass man das Gefühl hat, in einem Splatter Movie zu sein. Zu alledem gibt es dann auch Videoeinspielungen, die im ersten Akt alles andere als appetitlich sind. Zunächst sieht man hier, wie einer Puppe langsam mit einem Messer der Kopf abgetrennt wird. Während das ja noch entfernt in einem Zusammenhang zu Judiths folgender Tat stehen mag, bleibt dagegen völlig unklar, wieso anschließend auch noch ein Herz mit diesem Messer zerlegt werden muss. Im zweiten Akt sieht man dann Stummfilmbilder auf der Rückwand, die wahrscheinlich ebenfalls die Geschichte der Judith in einem alten Film erzählen. Aber diese Bilder überfrachten die Szene genauso wie der Schriftzug "Judith und Holofernes", der während der Eröffnungsmusik zum ersten und zweiten Akt über den geschlossenen Vorhang flackert, und von Zeit zu Zeit aus unerklärlichen Gründen in "Holofernes und Judith" wechselt.

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Judith (Johanni van Oostrum) präsentiert den Kopf des Holofernes.

Diskutabel ist an einigen Stellen auch die Personenregie. So wird gar nicht klar, wieso Weber Judiths Magd optisch und darstellerisch zu einer Witzfigur degradiert. Zunächst leitet sie im ersten Akt einen recht albern wirkenden Tanz mit einem kleinen Glöckchen ein. Dann nimmt sie mit ihrem Gehabe der Figur der Judith schon beinahe ihre Tragik. Auch das permanente Quälen eines armen Statisten, um die Grausamkeit des Holofernes zu manifestieren, wirkt übertrieben. So muss dieser Statist zu Beginn des zweiten Aktes einem Trompeter aus dem Orchester auf der Bühne ein Notenblatt halten, das von dem Musiker beim Spiel gar nicht zur Kenntnis genommen wird. Anschließend wird der Statist dann "zur Ader gelassen", wobei Judith auch noch sein Blut trinken soll. Schließlich wird er mit einem Spottschild behängt und weiteren Qualen ausgesetzt. Diese Einfälle mögen dazu beigetragen haben, dass das Regie-Team beim Schlussapplaus mit heftigen Unmutsbekundungen überschüttet wird.

Doch der Abend hat auch gute Momente zu verbuchen, zumindest auf der musikalischen Seite. Da ist zunächst einmal Johanni van Oostrum zu nennen, die die Judith nicht nur mit großem Sopran ausstattet, sondern auch darstellerisch überzeugt. So verwandelt sie sich zunächst von einer in Schutt und Asche gekleideten trauernden Frau in eine Schönheit, die Holofernes' Aufmerksamkeit auf sich zieht. Bei ihrem Tanz an der Stange wird deutlich, dass dieser Mann ihr keineswegs widerstehen kann. Die innere Zerrissenheit Judiths stellt van Oostrum bewegend dar und begeistert dabei mit dramatischen Ausbrüchen in den Höhen. Mark Morouse hält in der Titelpartie mit kräftigem Bariton dagegen und wird auch optisch der Figur des Furcht einflößenden Heerführers mehr als gerecht. Jacques Lacombe lotet mit dem Beethoven Orchester Bonn die Höhen und Tiefen der Partitur sauber aus und lässt musikalisch keine Wünsche offen. Auch der von Marco Medved einstudierte Chor und die übrigen Partien können stimmlich überzeugen.

FAZIT

Szenisch wäre hier weniger mehr gewesen, und der Verzicht auf den einen oder anderen Regie-Einfall hätte die musikalisch durchaus spannende Entdeckung auch im Gesamteindruck nachhaltiger machen können.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jacques Lacombe

Inszenierung
Jürgen R. Weber

Bühne
Hank Irwin Kittel

Kostüme
Kristopher Kempf

Licht
Friedel Grass

Choreinstudierung
Marco Medved

Dramaturgie
Andreas K. W. Meyer

 

Chor des Theater Bonn

Beethoven Orchester Bonn

Statisterie des Theater Bonn


Solisten

*Besetzung der Premiere

Osias, Oberpriester von Bethulien
Daniel Pannermayr

Judith
Johanni van Oostrum

Abra, ihre Magd
Ceri Williams

Holofernes
Mark Morouse

Achior, Hauptmann des Holofernes
Johannes Mertes

1. Hauptmann
Jonghoon You

2. Hauptmann
Nicholas Probst

3. Hauptmann
Sven Bakin

Assad, ein Bürger
*Martin Tzonev /
Eduard Katz

Daniel, sein Bruder (stumm und blind)
Josef Michael Linnek

Gesandter von Mesopotamien
*Martin Tzonev /
Eduard Katz

Ein Trabant
Egbert Herold

Eine weibliche Stimme
Nina Unden

Tänzerin
Karioca


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