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Musiktheater
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b.25

workwithinwork

Ballett von William Forsythe
Musik von Luciano Berio (Duetti per due Violini)

Symphonic Variations

Ballett von Frederic Ashton
Musik von César Franck (Variations symphoniques für Klavier und Orchester)

Two Gold Variations

Ballett von Hans van Manen
Musik von Jacob ter Veldhuis (1. und 2. Satz aus Goldrush Concerto für Schlagzeug und Orchester)

Aufführungsdauer: ca. 2h (zwei Pausen)

Premiere am 10. Oktober 2015 im Opernhaus Düsseldorf
(rezensierte Aufführung: 20. Oktober 2015)


Homepage

Ballett am Rhein / Rheinoper
(Homepage)
Traditionslinien, abstrakt

Von Stefan Schmöe / Fotos von Gert Weigelt

Es mag die Sehnsucht nach absoluter Schönheit gewesen sein, die Frederick Ashton kurz nach dem Kriegsende veranlasste, ein abstraktes Ballett zu kreieren, dass sich frei macht vom Ballast irgendwelcher Geschichten und Botschaften. Die Musik, César Francks Variations symphoniques für Klavier und Orchester, hatte den englischen Choreogrphen bereits längere Zeit durch die Kriegsjahre hindurch beschäftigt. Mit dem Londoner Sadler's Wells Ballet wurde die Choreographie am 24. April 1946 im Royal Opera House Covent Garden uraufgeführt und schnell als eine der herausragenden Arbeiten der Zeit gefeiert - in der lyrischen Poesie spiegelte sich auch der Neubeginn (1948 war die Produktion auch als Gastspiel in Düsseldorf zu sehen). Das Bühnenbild von Sophie Fedorovitch, eine abstrakte Landschaft in orange-grün, von Wellenlinien durchzogen, verblüfft auch bei dieser Neueinstudierung (während die Kostüme - weniger die weißen Kleidchen der Damen, stärker die sich von der rechten Schulter schräg zur linken Hüfte ziehenden Oberteile der Herren und die merkwürdigen Kopfbedeckungen - doch ziemlich drollig wirken).

Vergrößerung Symphonic Variations: Doris Becker, So-Yeon Kim, Rink Sliphorst, Ann-Kathrin Adam

Die vordergründige Leichtigkeit ist allerdings hart erkauft und fordert höchste Anstrengung von den je drei Tänzerinnen und Tänzern. Immer wieder tanzen die Damen auf Spitze, mitunter endlos lang, und dass die halb entblößten Oberkörper der Herren am Ende schweißnass glänzen, gehört wohl auch zum Programm Ashtons. Mit dem klassischen Vokabular folgt er sehr genau der Komposition und deren dialogischem Charakter: Die Damen sind, vereinfacht gesagt, dem Klavier, die Herren dem Orchester zugeordnet. Es gibt keine festen Paare, sondern Ashton variiert entsprechend dem Aufbau der Musik die Konstellationen vom Solo bis zum Ensemble. Die Tänzer haben ihre individuelle Persönlichkeit aufgegeben, sind vielmehr Ausführende eines hochartifiziellen Programms (wobei das penetrante Dauerlächeln schon ein wenig anstrengend ist - ganz frei vom Staub der Historie sind die Symphonic Variations bei aller Faszination dann doch nicht). Mit Rink Sliphorst, Eric White und Brice Asnar stellen sich drei Tänzer vor, die neu im Ensemble sind, und zusammen mit So-Yeon Kim, Ann-Kathrin Adam und Doris Becker bewältigen sie die immensen Anforderungen beeindruckend. Die Düsseldorfer Symphoniker unter Leitung von Wen-Pin Chien und Cécile Tallec am Klavier begleiten recht pauschal und geheimnislos.

Vergrößerung

Symphonic Variations: Brice Asnar, Rink Sliphorst, Eric White

Düsseldorfs Ballettdirektor Martin Schläpfer hat Ashtons Choreographie geschickt in die Mitte eines dreiteiligen Abends gestellt, der die Leitlinien zeigt, die von Ashton zu zwei der ganz großen zeitgenössischen Choreographen führen: William Forsythe und Hans van Manen. Am Beginn steht workwithinwork, von Forsythe 1998 für das Frankfurter Ballett entworfen zu Musik von Luciano Berio - 34 kurzen Duetten für zwei Violinen, geschrieben als eine Art Schulwerk für zeitgenössische Musik. Forsythe nimmt diese ziemlich spröden Miniaturen als Vorlage, um Bewegungsfolgen des klassischen Balletts aus dem Zusammenhang zu reißen, neu zu montieren und mit scheinbaren Alltagsbewegungen, die allerdings höchst komplex ablaufen, zu verbinden. Auch hier gibt es keine Handlungselemente, höchstens blitzlichtartige Momente von assoziativem Gehalt. Da wirbelt eine Tänzerin mit den Armen wie eine hysterische Diva, da scheinen Paare miteinander zu ringen, prallen Köpfe beinahe gegeneinander und weichen sich doch auf geheimnisvollen Linien aus. Manche Bewegung sieht auf künstlerische Weise unbeholfen aus - da hat die Choreographie durchaus ihre komischen Momente.

Vergrößerung workwithinwork: Elisabeta Stanculescu, Marcos Menha

Die Kostüme (Stephen Galloway) sehen auf den ersten Blick aus wie Trainingskleidung, eine Spur lässig, sind aber ebenfalls sehr genau durchgestaltet. Wie sich die Körper verhaken und wieder lösen, Gruppen sich finden und auflösen, die kleingliedrige Musik die Abläufe strukturiert und die Ablösung der unterschiedlichen Formationen doch über die einzelnen Musiknummern verbindet, das alles scheint einem geheimnisvollen Mechanismus unterworfen. Forsythe hat das ungeheuer konzentriert choreographiert, die Abläufe verdichtet, sodass keine Bewegung überflüssig erscheint. Wo Ashton in der Schönheit der Bewegung (und des Balletts) schwelgt, zeigt Forsythe eine maschinenhafte Notwendigkeit, die sich in einem eigenen ästhetischen Raum entfaltet (und man kann sich keine passendere Musik vorstellen als die von Berio, die vom Band kommt). Vom Publikum wurde das ungeachtet der in der hier besprochenen Aufführung allerdings ziemlich unterkühlt aufgenommen.

Vergrößerung

Two Gold Variations: Marlúcia do Amaral, Alexandre Simões

Hans van Manen, der mit Two Gold Variations den Schlusspunkt setzt, gibt sich da vergleichsweise versöhnlich, geht es ihm in diesem 1999 für das Nederlandse Dans Theater choreographierten 20-Minuten-Stück doch einmal mehr um die Beziehung zwischen Mann und Frau. Zweimal (und später noch ein drittes Mal) umfasst der groß gewachsene, muskulöse Alexandre Simoes die zierliche Marlucía do Amaral (die doch so groß wirkt, sobald sie zu tanzen beginnt, hier aber fast verschwindet in den Armen ihres Partners), und es entwickeln sich zwei Variationen von Begegnung , teilweise mit sechs weiteren Paaren vervielfacht oder auch kontrastiert. Der Titel des Stücks bezieht sich auf die Musik - das etwas reißerische Goldrush Concerto des niederländischen Komponisten Jacob ter Veldhuis für Schlagzeug-Duo und Orchester, sehr farbig gespielt von Kevin Anderwaldt und Rafael Sars und wiederum den Düsseldorfer Symphonikern unter der Leitung von Wen-Pin Chien. Van Manen greift den showhaften Charakter in seinen Ensembles auf, stellt aber das ausgesprochen intensive Ertasten des Raums durch do Amaral und Simoes dagegen. Ein Handlungsballett ist Two Gold Variations aber nicht, vielmehr scheint sich die Spannung des Paars auf den Raum und das Ensemble zu übertragen, löst sich sozusagen ab und sucht sich eigene Wege - auch hier eine Form von Abstraktion. Eingebaut sind ein paar überraschende, auch sehr witzige Momente. Ob sie am Ende zueinander finden? Sieht ganz danach aus, aber zu sicher darf man sich bei van Manen nicht sein.


FAZIT

Ein geschickt konzipierter, relativ kurzer Tanzabend ohne Uraufführung und ohne eine eigene Choreographie von Martin Schläpfer - aber Pflege von Repertoire und Tradition auf ganz hohem Niveau.


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Produktionsteam

workwithinwork

Choreographie und Bühne
William Forsythe

Kostüme
Stephen Galloway

Licht
William Forsythe
Tanja Rühl

Choreographische Einstudierung
Allison Brown
Noah Gelber

Tänzerinnen und Tänzer

Camille Andriot
Doris Becker
Odsuren Dagva
Feline van Dijken
Sonia Dvorak
Michael Foster
Filipe Frederico
Nathalie Guth
Philip Handschin
So-Yeon Kim
Helen Clare Kinney
Alban Pinet
Friedrich Pohl
Boris Randzio
Virginia Segarra Vidal
Irene Vaqueiro



Symphonic Variations

Choreographie
Frederick Ashton

Bühne und Kostüme
Sophie Fedorovitch

Licht
John B. Read

Choreographische Einstudierung
Malin Thoors
Wendy Ellis Somes

Klavier
Cécile Tallec

Musikalische Leitung
Wen-Pin Chien

Die Düsseldorfer Symphoniker


Tänzerinnen und Tänzer

Ann-Kathrin Adam
Doris Becker
So-Yeon Kim
Brice Asnar
Rink Sliphorst
Eric White


Two Gold Variations

Choreographie
Hans van Manen

Bühne und Kostüme
Keso Dekker

Licht
Joop Caboort

Choreographische Einstudierung
Alexander Zhembrovskyy

Musikalische Leitung
Wen-Pin Chien

Schlagzeug-Solo
Kevin Anderwaldt
Rafael Sars

Die Düsseldorfer Symphoniker


Tänzerinnen und Tänzer

Marlúcia do Amaral
Alexandre Simões

Wun Sze Chan
Tomoaki Nakanome
Sabrina Delafield
Vincent Hoffman
Nathalie Guth
Odsuren Dagva
Norma Magalhães
Bruno Narnhammer
Asuka Morgenstern
Richard Jones
Irene Vaqueiro
Friedrich Pohl




Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Ballett am Rhein
(Homepage)



Da capo al Fine

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