Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



The great Gatsby (Der große Gatsby)

Oper in zwei Akten
Libretto von John Harbison, basierend auf dem Roman von F. Scott Fitzgerald
Songtexte von Murray Horwitz
Tangotexte von F. Scott Fitzgerald
Musik von John Harbison
Fassung von 2012


In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Europäische Erstaufführung an der Sächsische Staatsoper Dresden am 6. Dezember 2015


Homepage

Sächsische Staatsoper Dresden
(Homepage)
Tod im Cocktailglas

Von Roberto Becker / Fotos von Daniel Koch

Man kann es als Komponist aber auch keinem Recht machen. Klingt eine Neuschöpfung wirklich neu und radikal anders, durchbricht Konventionen und lässt alles Bewährte hinter sich, tippt nur an, was dem Hörer vertraut vorkommen könnte, dann bekundet die Fachwelt Freude, das Publikum würdigt die Anstrengung und geht dann doch lieber wieder zu Mozart oder Wagner oder schlürft barocke Kostbarkeiten. Schert sich aber ein Komponist nicht um die Avantgardegebote des Neuen-auf-Teufel-komm-raus, schreibt Arien, gibt zu, dass ihm Zitate näher liegen als Neuerfindungen, lässt das Orchester gar melodisch schwelgen und das Parlando umschmeicheln, dann ist es auch nicht recht. Dann kommt der Vorwurf, alles klinge irgendwie altmodisch und sei nicht wirklich neu. Wer Glück hat (oder tatsächlich genial ist), liegt irgendwo dazwischen.

Vergrößerung in
neuem Fenster

Gatsby und der Chronist

Der USA-Amerikaner John Harbison fällt mit seiner Oper The Great Gatsby mehr in die zweite Kategorie. Der Semperoper in Dresden kommt mit ihrer jüngsten europäischen Erstaufführung des 16 Jahre alten Werkes das Verdienst zu, dass man sich darüber jetzt hierzulande eine Meinung bilden kann. Im Dezember 1999 soll es die letzte Uraufführung des 20. Jahrhunderts gewesen sein. Und man muss nicht gleich mit Namen wie Puccini, Strauss oder Schreker, Schostakowitsch oder Janacek, Henze oder Lachenmann kommen, um den Stellenwert dieses musikalischen Gewächses aus der Neuen Welt auf den hinteren Plätzen der Annalen des Jahrhunderts zu verorten. Dabei bewährt sich Harbison durchaus als handwerklich versierter Tonsetzer.

Vergrößerung in
neuem Fenster

Buchanan und sein "Verhältnis"

Die Sächsische Staatskapelle bleibt unter der Leitung von Wayne Marshall dem opulenten Orchesterklang nichts schuldig. Vor allem, wenn er für das Kolorit von Long Island an der Ostküste und der Zwanziger Jahre, in die er uns entführt, durch die Modetänze die Golden Twenties hörbar macht, ist durchaus etwas los auf der Bühne. Da fehlen weder Showtreppe noch Jazzband. Und doch ist da nichts wirklich Überraschendes dabei, wird wiederholt ge- und überdehnt. Was auch an der Vorlage liegt. In den USA ist F. Scott Fitzgeralds Roman, aus dem sich Harbison das Libretto gemacht hat, so populär, dass er nicht nur viele Verfilmungen (u.a. mit Robert Redford und vor zwei Jahren mit Leonardo DiCaprio) trägt, sondern auch noch ein Musical - und eben auch eine Oper. James Levine hatte sie für sein 25. Jubiläum an der MET für Amerikas wichtigstes Opernhaus bestellt.

Vergrößerung in neuem Fenster

Daisy

Hierzulande dürfte das gleichwohl nicht funktionieren. Wegen hochkarätiger Konkurrenzangebote in diesem Marktsegment. Und wegen der Schwäche des Kandidaten. Was im Roman ein Gesellschaftspanorama ist, kriegen wir auf der Bühne als Klischee-Ansammlung. Etwas gelangweilte, auf jeden Fall skrupellose, moralisch fragwürdige Oberschichten-Amerikaner mögen TV-Serien wie Dallas tragen, aber für den exemplarischen Extrakt des Lebens in einer Oper bleibt das zu dünn. Zumindest, wenn man nur damit traktiert wird, wie sie dauernd fremdgehen, über andere herziehen, spekulieren und dann Angst vor den Folgen eines Crashs haben, am Ende jemanden totfahren und dafür in guter Wildwest-Selbstjustizmanier der vermeintliche Fahrer erschossen wird. In dem Fall gilt nicht mal: erst schießen, dann fragen, denn der rächende Ehemann der überfahrenen Frau erschießt sich auch noch selbst.

Regisseur Keith Warner setzt auf große Bilder fürs Banale. Die übergroßen Gartenmöbel fürs Stelldichein von Gatsby mit seiner früheren, jetzt verheiratete Flamme Daisy, ein Riesenradio oder ein XXL-Cocktailglas, in dem Gatsby dann verblutet. Die Welt der Superreichen halt. Im Hintergrund sieht man immerhin die Schornsteine rauchen. Die Ausstattung bietet also was fürs Auge, die Kostüme setzten auf den Schick der zwanziger Jahre. Vokal bietet die Semperoper dem Erstaufführungs-Anlass gemäß hohes Niveau: Vom spielfreudigen Ensemble machen vor allem der Däne Peter Lodahl in der Titelrolle und seine schwedische Kollegin Maria Bengtsson, aber auch John Chest als Erzähler Nick und die unabhängig mondäne Golferin Jordan (Christina Bock) Eindruck.


FAZIT

Die Semperoper hat die europäische Erstaufführung von von John Harbisons Oper The Great Gatsby mit Sorgfalt auf die Bühne gebracht. Von nachhaltigen Chancen, auch in Europa Fuß zu fassen, konnte das gleichwohl nicht überzeugen.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Wayne Marshall

Inszenierung
Keith Warner

Mitarbeit Regie
my Lane

Bühne
Johan Engels

Umsetzung Bühnenbild
Matthew Rees

Kostüme
Emma Ryott

Licht
John Bishop

Chor
Jörn Hinnerk Andresen

Choreographie
Michael Barry

Dramaturgie
Stefan Ulrich



Sächsischer Staatsopernchor

Sächsische Staatskapelle Dresden


Solisten

Jay Gatsby
Peter Lodahl

Nick Carraway
Jon Chest

Daisy Buchanan
Maria Bengtsson

Tom Buchanan
Raymond Very

Jordan Backer
Christina Bock

Myrtle Wilson
Angel Blue

George Wilson
Lester Lynch

Radio Singer/ Band Vocalist
Aaron Pegram

Tango Singer
Jelena Kordier

Meyer Wolfsheim
Matthias Henneberg

Henry Gatz
Tilmann Rönnebeck

Minister
Reinhold Schreyer-Morlock



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Sächsische Staatsoper Dresden
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2015 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -